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Hermann Tilke exklusiv: Baku-GP auf Kopfsteinpflaster

Von Mathias Brunner
Der deutsche Rennstreckenbauer Hermann Tilke (60) spricht mit SPEEDWEEK.com exklusiv über den kommenden Grossen Preis von Europa in Baku/Aserbaidschan (17. Juli 2016) – eine Strecke wie keine andere.
Hermann, fast auf den Tag genau in einem Jahr findet der erste Formel-1-WM-Lauf in Aserbaidschan statt, als Grand Prix von Europa in Baku. Welches sind bis zur Premiere vom 17. Juli 2016 hier die grössten Schritte, die getan werden müssen?

Da sind die ganzen Bauarbeiten, die innerhalb der Stadt stattfinden, wir müssen auch einen Teil des bestehenden Asphalts renovieren, wo also eine neue Deckschicht notwendig ist. Da sind wir im Rahmen von normalen Strassenarbeiten. Und dann kommt natürlich am Ende der besondere Formel-1-Asphalt drauf.

Alles, was wir in Sachen Gebäuden an Fertigelementen vorbereiten können, ist in Arbeit. Aber das ist vor Ort in Baku noch nicht sichtbar. Da wird erst anfangs 2016 begonnen. Wir haben dabei die etwas spezielle Aufgabe, dass wir an zwei Passagen auf Kopfsteinpflaster fahren müssten. Das gehört zum historischen Teil der Stadt. Zu meinem persönlichen Bedauern ist das in der Formel 1 nicht erlaubt. Also müssen wir Mittel und Wege finden, diese beiden Stellen abzudecken. Dies wird aber erst kurz vor dem Grand Prix geschehen. Diese temporäre Lösung wird aus Sand bestehen und dann aus einer Asphaltschicht, die anschliessend wieder abgetragen wird. Die Anschlüsse sind dabei durchaus knifflig, wir können dort ja nicht gut Stufen hineinbauen. Wir fahren also auf Kopfsteinpflaster, aber halt eben nicht direkt darauf.

Wie lang sind diese Passagen?

Es gibt zwei davon. Ohne nun auf den Meter genau zu sein, dürfte die eine gut 400 Meter lang sein und die andere ungefähr 200 Meter.

Du hast vom Asphalt gesprochen. Mit welcher anderen Strecke wird dieser Belag vergleichbar sein?

Wir stellen derzeit die Rezeptur für den Asphalt zusammen, das ist noch ein wenig im Fluss. Wir versuchen natürlich, ein gutes Grip-Niveau hinzubekommen. Was hingegen schon feststeht: es werden lokale Materialien verarbeitet.

Wo liegen wir im Juli von den Temperaturen her?

Ungefähr auf der Höhe unseres Sommers, also mit Werten so um die dreissig Grad. Es kann aber auch deutlich heisser werden.

Wird am Layout noch immer gefeilt oder steht die Pistenführung so fest, wie ihr sie kommuniziert hattet?

Die Streckenführung steht fest, es wird nur noch an Kleinigkeiten gefeilt.

Du hast mir beim letzten Gespräch über Baku gesagt: «Ungewöhnlich ist der Weg hoch in die Altstadt, sehr eng, ein wunderbares Geschlängel, so eine Passage gibt es in der Formel 1 höchstens noch in Monaco. Die Piste führt an der alten Stadtmauer vorbei.» Gibt das punkto Vorgaben für Pistenbreite oder das Wegschleppen von Pannenfahrzeugen besondere Schwierigkeiten?

Da muss ich korrigieren: Das gibt es noch nicht mal in Monaco! Baku wird wirklich einzigartig. Diese enge Passage ist eine Herausforderung, der mit ungewöhnlichen Lösungswegen begegnet werden muss. Natürlich gibt es diesbezüglich FIA Vorgaben, aber zum Glück sind die nicht starr, sondern der Autoverband lässt mit sich reden. Die FIA ist dort kompromissbereit, wo es eben nicht anders geht.

Wir fahren in Baku an einer Stadtmauer vorbei aus dem 12. Jahrhundert (beginnt zu lachen), die können wir ja schlecht verschieben. Aber das macht die Piste ja auch so besonders. Baku ist für uns als Pistenbauer und später für die Fahrer eine ganz besondere Aufgabe, ein echtes Erlebnis. Man wirft der Formel 1 ja immer eine gewisse Sterilität vor – das werden die Fans und Fahrer in Aserbaidschan gewiss nicht behaupten!

Hast du bei der Arbeit in Baku so etwas wie ein Sorgenkind – ein Problem, das dir noch ein wenig im Magen liegt?

Es gibt noch viele kleine Dinge zu regeln, aber von der Planungsseite ist alles geregelt. Jetzt müssen wir das vor Ort nur noch entsprechend umsetzen. Nein, ich sehe nichts, was mir da im Magen liegen müsste.

Das Boxengebäude soll ja gleich vor dem Regierungssitz liegen – wie müssen wir uns das in Sachen Bautechnik vorstellen?

Das heisst zwar «Government House», das ist aber nicht der eigentliche Regierungssitz, sondern da sind einfach verschiedene Ministerien untergebracht. Das ist ein tolles Monumentalgebäude, und dazu erzählt man sich in Baku eine Anekdote, von der ich aber zugeben muss – ich weiss nicht, ob das so stimmt. Das Gebäude wurde zwischen 1936 und 1952 erstellt, teilweise mit Hilfe von deutschen Kriegsgefangenen. In Baku wird nun erzählt, die Deutschen seien an einem gewissen Punkt in den Streik getreten. Sie wollten nicht mehr weiter arbeiten, weil sie fanden: die Zementqualität sei zu schlecht. Sie haben erst dann die Arbeit wieder aufgenommen, als sie besseren Zement bekommen haben. Ich weiss jetzt nicht, welches Streikrecht Kriegsgefangene damals hatten, aber das ist gewissermassen ein urbaner Mythos von Baku.

Aber um auf deine Frage zurückzukommen: ja, bei den Boxen handelt es sich um Fertigelemente, die nach Gebrauch abgebaut, eingestellt und dann für 2017 wiederverwendet werden.

Wie verhalten sich die zeitlichen Abläufe gemessen an jenen anderer Strassenrennen, sagen wir in Monaco oder in Singapur? Müsst ihr mehr Vorlaufzeit einplanen, weil die Aserbaidschaner alles erstmals machen müssen?

Das ist der eine Grund, der andere ist: es gibt auch Arbeiten, die vor der Premiere ein einziges Mal anfallen oder erst in sechs oder sieben Jahren wieder, daher dauert es auch länger. Wir reden hier beispielsweise von der Neuasphaltierung gewisser Passagen. Klar muss sich ein Team, welches das alles erstmals macht, erst aufeinander einspielen. In Monaco machen sie das seit vielen Jahren, die machen das fast im Schlaf. Beim zweiten Mal wird das in Baku auch schon schneller gehen. Das ging in Singapur auch nicht anders.

Wird dabei mit Fachkräften aus anderen Ländern gearbeitet, die Erfahrung mit solchen Aufgaben haben?

Wir haben eine Bauleitung vor Ort. Aber ich darf den Fachkräften von Baku wirklich ein Kompliment machen. Sie haben durch die European Games schon Erfahrung mit flexiblen Gebäuden gesammelt.

Wie erlebst du die Arbeit mit Aserbaidschan? Der Umgang mit Behörden im Osten kann ja bisweilen etwas kompliziert sein, wie wir aus anderen Ländern wissen.

Das sind wir sehr angenehm überrascht worden – der Umgang ist absolut problemlos, wir pflegen ein kollegiales Verhältnis. Die Menschen, mit denen wir unten zu tun haben, hören gut zu und sie sind sehr hilfsbereit, dazu sprechen sie ein sehr gutes Englisch und sind generell hervorragend ausgebildet.

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