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Jules Bianchi: Gedanken an einem traurigen Tag

Von Joe Saward
Die Fahrer stellten sich hinter dem Sarg von Jules Bianchi auf

Die Fahrer stellten sich hinter dem Sarg von Jules Bianchi auf

Heute hat die Welt von Jules Bianchi Abschied genommen, der ein tragisch kurzes Leben geführt hat. Sein Tod ist eine ernüchternde Ermahnung, wie gefährlich unser Sport noch immer ist.

«Wir wussten es damals einfach nicht besser», sagte mir einmal der grosse Racer Denny Hulme. «Jetzt haben wir die hygienischsten Rennstrecken, die man sich nur vorstellen kann. Einige Leute kritisieren das. Sie sagen, das erzeuge faden Rennsport. Gewiss, gemessen an der Nürburgring-Nordschleife sind diese Strecken langweilig. Aber es ist allemal besser, als jeden Dienstagmorgen an ein Begräbnis zu gehen.»

Heute hat die Welt in Nizza von Jules Bianchi Abschied genommen, der ein tragisch kurzes Leben geführt hat, ein Talent, das nie voll zum Erblühen kommen durfte. Die Renngemeinde trauert, aber sie weiss auch – das ist eine Geschichte, die sich im Laufe der Zeit wiederholt hat. Aus meiner Generation fällt mir vor allem Stefan Bellof ein, aber es gab Dutzende weiterer junger Männer, die alles auf eine Karte setzten und verloren.

Der Tod ist für viele im modernen Formel-1-Fahrerlager etwas Neues. Und ich habe den Eindruck, viele tun sich schwer damit, wie sie mit so etwas umgehen sollen. Die etwas älteren Semester kennen das, nicht erst seit Imola 1994, sondern von vielen Rennstrecken, rund um die Welt. Als ich so alt war wie Bianchi, hatte ich vier oder fünf Renntote miterlebt. Das war schon schlimm genug. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es in den wirklich üblen Jahren gewesen sein muss, in den 60er und 70er Jahren.

Und doch brauchen wir in solchen Momente vielleicht etwas Abstand, um alles in die richtige Perspektive zu bekommen. Da sind die Prüfungen, die vorherigen Generationen auferlegt wurden, Generationen, die Weltkriege erlebt haben. Und dann merken wir auf einmal, in welch glücklichem Zeitalter wir leben.

In meiner alten Schule gab es Erinnungstafeln für Gefallene aus dem Ersten Weltkrieg. Eines Tages blieb ich stehen und begann, die Namen zu zählen. Ich kam auf ungefähr sechshundert, und mir fiel siedendheiss ein, dass dies mehr oder weniger der Zahl aller Schüler der zahlreichen Klassen meiner Generation entsprach. Das hat mich tief erschüttert.

Es ist sinnlos, nach Gründen zu suchen, schöne Worte können nur begrenzt Trost spenden. Was wirklich zählt, das ist, was wir aus solchen Vorkommnissen lernen – wir müssen alles tun, damit sich so etwas nicht wiederholt.

Gleichzeitig müssen wir uns dessen bewusst sein: Früher oder später werden verschiedene Faktoren erneut unglücklich zusammenkommen, und der Sport wird erneut töten. Wir wissen nicht, wann das geschieht. Aber hundertprozentige Sicherheit gibt es in diesem Sport nun mal nicht. Was in der Formel 1 in den vergangenen dreissig Jahren in Sachen Sicherheit erreicht worden ist, das ist wahrlich bemerkenswert. Aber keiner von uns sollte vergessen, dass mit einem Piloten jedes Mal auch das Risiko ins Cockpit steigt.

Die Fahrer akzeptieren das, oder sie hängen den Helm an den Nagel. Sie haben die Wahl. Grosse Unfälle wird es wieder geben, aber zum Glück sind die Konsequenzen in den meisten Fällen nicht mehr so gravierend. Heute steigen Piloten nach Unfällen aus dem Auto, welche einen Fahrer vor vierzig Jahren ohne Zweifel umgebracht hätten.

Wir verdanken das einer hochgestochenen Technik und dem Willen, etwas zu lernen und Dinge zu ändern.

Im Mittelalter fühlten sich die meisten Menschen angesichts ihres harschen Lebens hilflos. Sie suchten Trost im romantischen Ideal des Rittertums. Sie wollten an reine, fleckenlose Taten glauben und sich davon inspirieren lassen. Selbst wenn sie wussten, dass die Welt ein zynischer und hässlicher Ort sein kann.

In solchen Zeiten würde ich gerne hoffen, dass Lektionen gelernt werden von den brillanten, positiven und leidenschaftlichen Menschen, die in der Formel 1 arbeiten. Ich hoffe, dass solches Elend die Fahrer lehrt, Rennen zu fahren als Helden, die sie sind, und nicht als rücksichtlose, geldgierige Ratten, die alles tun würden, um an die Spitze zu kommen.

Wenn ich an Helden denke, kommt mir ein Abend in Brasilien 2008 in den Sinn, als Lewis Hamilton im Kampf um den Titel Felipe Massa geschlagen hat. Ich war so stolz auf unseren Sport damals und auf diese beiden Männer.

Behalten wir Jules Bianchi als einen jungen Mann in Erinnerung, der nach diesen Massstäben gelebt hat – lernen, inspirieren, positiv nach vorne blicken.

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