Windkanal-Verbot: Teams entsetzt, Millionen verloren?

Von Mathias Brunner
Der Windkanal von Ferrari in Maranello

Der Windkanal von Ferrari in Maranello

​Gestern war im Fahrerlager von Singapur durchgesickert: Die so genannte Strategiegruppe der Formel 1 empfehle ein Verbot der Windkanäle. Aber ist das wirklich wahr?

Beginnen wir mit der guten Nachricht: Kundenmotoren sollen ab 2017 markant weniger teuer werden. Diese Empfehlung hat die so genannte Strategiegruppe der Formel-1-Kommission weitergegeben (wie das genau abläuft, sehen Sie unten im Abschnitt «Formel-1-Entscheidungsfindung: So geht es»). Der Kostendeckel für Kundenmotoren – aktuelle Kundenmotoren würden künftig pro Jahr zwölf Millionen Euro kosten, Vorjahresmotoren acht Millionen Euro. Heute bezahlten die Teams je nach Motorenpartner mehr als das Doppelte! Angedacht ist auch, Kosten für die Kraftübertragung auf zwei Millionen Euro zu deckeln. Teams wie Haas F1 übernehmen beispielsweise von Ferrari die komplette Hinterachse, also Antriebseinheit und Kraftübertragung.

Der grosse Aufreger gestern war jedoch: Die Strategiegruppe habe geprüft und per Mehrheitsbeschluss für gut befunden – zum Kostensenken werde künftig auf die Nutzung der Windkanäle verzichtet. Dafür soll die Flussdynamikberechnung (CFD) intensiviert werden.

Das hat bei einigen Teamchefs blankes Entsetzen ausgelöst.
Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn: «Natürlich ist es nicht in unserem Interesse, dass dies wirklich passiert, denn Sauber verfügt über einen ausgezeichneten Windkanal, ein wichtiges Instrument unserer Techniker. Die Vergangenheit hat gezeigt – vieles, was in der Formel 1 verboten worden ist, wurde später wieder eingeführt, zu noch mehr Geld! Wir müssen nicht einzelne Elemente verbieten, wir müssen eine finanziell gesunde Balance finden. Wie einen Budget-Oberdeckel, unter dem die Teams dann ihre Ressourcen so verteilen können, wie sie es für richtig halten.»

Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost meint: «Ich bin gegen dieses Verbot, weil hinter solchen Bestrebungen immer gewisse Gründe stecken. Einige Teams machen sich für ein Verbot stark, weil sie in jenem Bereich vielleicht nicht so gut aufgestellt sind. Was ich gut finde, das ist ein vernünftiger Gebrauch von Windkanal und Flussdynamikberechnung.»

Claire Williams sagt: «Ich wiederhole gerne unsere Position – wir haben sehr viel in die Modernisierung unserer zwei Kanäle in Grove investiert, sie sind ein elementares Mittel bei der Entwicklung unserer Rennwagen. Wir würden daher einem Windkanalverbot nie zustimmen.»

Und damit sind wir beim Punkt: denn wie sich nun herausstellt, hat die Strategiegruppe sehr wohl abgestimmt. Aber gar nicht über Windkanäle! Dieser Punkt steht erst bei der nächsten Sitzung in der Agenda.

Also kann erstens von einer Verbotsempfehlung keine Rede sein. Und selbst wenn der Vorschlag innerhalb der Strategiegruppe bei der nächsten Sitzung eine Mehrheit erhielte, kann er noch immer von der Formel-1-Kommission verworfen werden. Und selbst wenn die Kommission ein Verbot gutheissen würde, hat Ferrari noch immer das Sonderrecht, gegen technische Änderungen ein Veto einzulegen. Ferrari hat 2014 den eigenen Windkanal modernisiert. Schwer vorstellbar, dass sie nun tatenlos zusehen würden, wie dem der Stecker rausgezogen wird.

Fazit: Ein Windkanalverbot ist sehr unwahrscheinlich.

Formel-1-Entscheidungsfindung: So geht es

Die Entscheidungsfindung im Formel-1-Sport ist komplex. Verschiedene Arbeitsgruppen reichen ihre Ideen der so genannten Strategiegruppe weiter. Sie besteht aus Vertretern von sechs Rennställen (gegenwärtig sind das Ferrari, Red Bull Racing, Mercedes, McLaren-Honda, Williams und Force India), des Autoverbands FIA sowie der «Formula One Group». Jede dieser drei Parteien besitzt sechs Stimmen.

Der weitere Ablauf: die Ideen der Strategiegruppe gehen an die Formel-1-Kommission. Die hat nur die Möglichkeit, einen Vorschlag abzunicken oder abzulehnen. Über die gegenwärtige Zusammensetzung der Kommission ist im FIA-Reglement nichts zu finden. Einst bestand sie aus: einem Vertreter von «Formula One Management» (also Bernie Ecclestone) sowie der FIA (üblicherweise der Präsident), aus Vertretern aller Rennställe, aus sechs Rennpromotern (drei aus Europa, drei aus Übersee), die von FOM aufgestellt werden, aus zwei Vertretern von Rennstrecken (eine aus Europa, eine aus Übersee), von den Teams ernannt, dazu aus Repräsentanten des Reifenherstellers (also Pirelli), der Motorenhersteller sowie der Sponsoren (zwei, aus verschiedenen Marktbereichen). Somit kamen wir (abhängig von der Anzahl Teams) auf ein Gremium von 24 Fachleuten.

Allerdings haben wir nicht eine Stimme pro Vertreter. Es gibt immer zwölf Team-Stimmen, ungeachtet dessen, ob wir nun zwölf Rennställe haben oder nur zehn wie heute. Wenn von diesen zehn eine interne Abstimmung zum Beispiel 6:4 ausgeht, so werden die restlichen zwei Stimmen zur Mehrheit addiert (8:4).

Wir könnten auch sagen: Wenn die grössten fünf Teams zusammenhalten, dann haben die kleinen fünf nichts zu sagen.
Auch die «Formula One Group» ist machtvoll: kein Rennpromoter würde es sich bei Abstimmungen mit jener Firma verscherzen, welche die Rennen vergibt! Die FIA hingegen hat hier so gut wie nichts zu melden.

Ist in der Kommission ein Vorschlag gutgeheissen, geht der zum Abnicken an den so genannten Weltrat der FIA. Hier könnte die FIA eine Idee blockieren. Die Ratsmitglieder stellen sich in der Regel hinter ihren Präsidenten, schliesslich wollen sie ihre feinen Posten nicht verlieren.

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