KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

FIA über Halo, Quali-Regeln und Funkverkehr-Idioten

Von Mathias Brunner
​Der Engländer Charlie Whiting – Sicherheitsdelegierter der Formel 1 und Ansprechpartner der Teams in Regelbelangen – über den beschränkten Funkverkehr.
Charlie, erneut ist eine korrigierte Liste veröffentlicht worden, was denn nun am Funk erlaubt ist und was eben nicht. Kannst du mehr dazu sagen?

Ja, nach einer Sitzung mit den Team-Managern haben wir die Liste nochmals verfeinert. Aber viel geändert hat sich nicht mehr. Ohne jetzt nochmals Punkt für Punkt aufzuzählen: Wir wollen mit der Beschränkung des Funkverkehrs erreichen, dass der Fahrer selber fährt und nicht erzählt bekommt, was er tun soll.

Ist weniger Funkverkehr nicht schlecht für das Fernseh-Erlebnis?

Das glauben wir nicht. Wir hatten mehr Beschwerden von Fans, die fanden – die Piloten von heute sind doch einfach ferngesteuert. Und die Emotionen bleiben: Die Fahrer dürfen noch immer einen Gegner einen Idioten nennen. Wir beschränken nur die Infos von den Technikern an die Fahrer.

Mit welchen Strafen müssen Fehlbare rechnen?

Das hängt vom Vergehen ab. Zuerst wird es eine Warnung geben. Wenn aber aber ein schweres Vergehen vorliegt, dann können die Rennkommissare eine Zeitstrafe verhängen.

Habt ihr nicht Angst vor kodierten Nachrichten?

Das schauen wir uns von Fall zu Fall an. Aber wir haben ja definiert, was am Funk gesagt werden darf. Wenn also nun etwas kommt wie: «Die Vogel fliegen heute hoch.» Dann ist das wohl nicht auf unserer Liste. Wir passen auf, und wir merken das schon. Wenn wir einen Verdacht haben, können wir auch später die Daten ansehen – hat sich am Wagen nach der entsprechenden Nachricht etwas geändert?

Wie sieht die Überwachung des Funkverkehrs in Sachen Personal aus?

Wir hören dem Funkverkehr in Echtzeit zu, vier Kommissare hören jeweils die drei Piloten ab, dazu haben wir weitere Software-Techniker, welche die restlichen Fahrer verfolgen. Und so viel wird am Funk auch wieder nicht gesagt.

Wie sieht es mit Informationen am Bildschirm in den Rennwagen aus?

Das haben wir mit den Tams sehr detailliert durchgegangen – was also darauf gespielt werden darf und was eben nicht. Generell erlauben wir nur Informationen, welche auf kritische Probleme hinweisen. Der Fahrer darf Infos über Rundenzahl und Spritmenge auf dem Bildschirm abrufen. Aber er muss selber die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Und er muss selber wissen, wie er am besten Kraftstoff sparen kann, wenn das vonnöten sein sollte.

Was ist mit Informationen auf Boxentafeln, die bei Start und Ziel auf die Bahn gehalten werden?

Es gelten die gleichen Regeln wie für Infos ins Auto. Klar gibt es auch hier Raum für allfälliges Tricksen. Aber wenn beispielsweise die Rundenzahlen in verschiedenen Farben gezeigt werden, dann werden wir dem Team schon die richtigen Fragen stellen.

Wir werden ein neues Quali-Prozedere haben. Da wird es vor allem zu Beginn der jeweiligen Segmente auf der Bahn richtig Betrieb geben. Was bedeutet das für allfällige Behinderungen?

Es gibt keine Änderung, was Strafen angeht. Wir wissen, dass es im Abschlusstraining für die Fahrer schwieriger wird, eine freie Bahn zu finden. Aber das ist nun mal so.

Wie sieht es in Sachen Kopfschutz aus?

Wir halten das Halo-System für so weit fortgeschritten, dass wir es 2017 einführen können. Es gibt einen anderen Ansatz von Red Bull Racing, aber da ist die Entwicklung nicht so weit. Und wir werden nicht ein System verzögern, das wir für vielversprechend halten, um etwa auf ein möglicherweise Besseres zu warten.

Lewis Hamilton hat davon gesprochen, er würde den Halo nicht verwenden, wenn das System freiwillig ist. Was passiert dann?

Das Helmtragen ist auch nicht auf freiwilliger Basis. Das Tragen des Hals- und Nackenschutzsystems HANS ist auch nicht freiwillig. Also kann ich mir schwerlich vorstellen, dass wir die Verwendung von Halo auf freiwillige Basis stellen würden – bei der Sicherheit werden wir keine Kompromisse eingehen.

Aber besteht nicht die Gefahr, dass ein Halo einen kleineren Gegenstand ablenken kann, dorthin, wo der Pilot weniger geschützt ist als am Kopf – auf die Brust? Ein Objekt wie damals die Schraubenfeder, welche Felipe Massa in Ungarn 2009 traf?

So etwas ist natürlich möglich. Aber uns geht es primär darum, den Piloten vor einem grossen, schweren Gegenstand zu schützen – wie vor einem Rad.

(Ende Interview-Teil mit Charlie Whiting.)

Funksprech-Einschränkung: Das sagt Nico Rosberg

Einige Piloten finden die neuen Regeln etwas verwirrend, aber die meisten sind so wie Nico Rosberg happy, dass die Fahrer wieder mehr Eigenverantwortung erhalten. Der Mercedes-Star sagt: «Generell finde ich das alles sehr gut, denn es verringert sich der Eindruck, dass wir nur Marionetten seien, wie es einige Fans vielleicht fanden. Künftig müssen wir viel mehr selber entscheiden, das gefällt mir. Aber gleichzeitig birgt die Umstellung auch viele Fallen.»

«Ein Beispiel: Wir haben vor dem Rennen eine Strategie besprochen, und ich fahre die ersten zehn Runden so, dass ich weiss – mein erster Satz Reifen ist dann zu Ende. Wenn wir aber die Strategie umstellen, ich eigentlich länger draussen bleiben müsste, dann habe ich mit den abgefahrenen Reifen schon verloren.»

«Letztlich wird ein Team in so einem Fall entscheiden, dich hereinzuholen, einfach deshalb, weil du auf den abgefahrenen Reifen zu viel Zeit verlierst. Auf der anderen Seite kannst du natürlich nicht beeinflussen, wo du nach dem Stopp wieder auf die Bahn zurück kommst. Du kannst dann leicht im Verkehr steckenbleiben. Die ganzen Umstellungen bergen unglaublich viele Unwägbarkeiten.»

Von den ganzen Funksprüchen, die nun nicht mehr erlaubt sind, werden Rosberg am meisten «jene fehlen, die sich um die Rennstrategie drehten. Aber das gilt nicht nur für mich. Das gilt für alle Piloten. Nun müssen wir das alles vor dem Rennen durchsprechen, und du musst als Fahrer das dann im Kopf behalten.»

«Die FIA wollte mit all diesen Änderungen mehr Überraschungen erzeugen. Und ich bin sicher, dass sie das schaffen. Allein im Abschlusstraining wird es einige erwischen. Ich kann mir gut vorstellen, dass nicht immer der schnellste Mann auf der Pole steht. Und wegen der Reifen wird der schnellste Mann im Rennen nicht gezwungenermassen den Grand Prix gewinnen. Belohnt wird vielleicht eher der Fahrer, der vor dem Rennen die cleverere Reifenwahl getroffen hat.»

«Alles wird schwieriger. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel Arbeit da im Winter investiert worden ist. Alleine die Programmierung des Lenkrads und des kleinen Bildschirms in Cockpit war der reine Wahnsinn. Das kann ich ja bedienen wie ein Smartphone. Und ich konnte selber festlegen, was ich für Infos da drauf haben will und wie ich es am besten abrufen kann. Keiner sagt dir, was wo liegen soll. Ich hatte völlig freie Hand. Das musste zielführend und simpel sein, gleichzeitig so komplett wie es nur geht. Der Prozess des Lernens ist noch nicht abgeschlossen, das dauert Monate. Zum Glück konnten wir vieles davon bei den Tests in Spanien schon üben.»

«Es wird auch eine Riesenherausforderung sein, mit dem Sprit auszukommen. Auch hier muss ich alles selber im Auge behalten. Und auch die Motorregelung mach ich selber, also wenn ich Power rausnehme, um etwa Kraftstoff zu sparen. Oder wenn ich hochdrehe, um jemanden anzugreifen. Wobei aber Lewis und ich die gleiche Obergrenze zur Verfügung haben. Wir können also punkto Power nicht etwas machen, das der andere nicht kann.»

«Vielleicht ist das Sprit-Management das Schwierigste von allem: Weil du ja eine ganz andere Fahrweise wählen musst, um da möglicherweise zwischendurch wieder in den grünen Bereich zu kommen.»

«Das alles hat auch als Auswirkung, dass sich die Besprechungen grundsätzlich verändern. Es gibt viel mehr Informationen, und du musst dir viel mehr verinnerlichen. Rennintelligenz ist noch wichtiger. Das alles ist wirklich eine coole Herausforderung.»

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