Flavio Briatore: Ferrari braucht eine Gotteslästerung

Von Mathias Brunner
Flavio Briatore

Flavio Briatore

​Weltmeistermacher Flavio Briatore ist überzeugt: «Wenn du Formel 1 machst, musst du Sitz in England haben.» Ferrari-Präsident Sergio Marchionne hält das für Gotteslästerung.

Ferrari-Präsident Sergio Marchionne hat in Baku ein solides Ferrari gesehen, aber auch im achten Rennen der Saison hat es keinen Sieg gegeben. In der WM führt Nico Rosberg mit 141 Punkten, der beste Ferrari-Fahrer, Sebastian Vettel, ist mit 96 Zählern WM-Dritter. In der Markenwertung heisst es zwischen Mercedes-Benz und Ferrari 258:177.

Sergio Marchionne: «Ich habe mich lange mit Sebastian Vettel unterhalten, und alle bestätigen mir – das Auto ist auf der Höhe. Wir können Siege einfahren. Und es ist genügend Zeit für den Titel, wir haben ja noch nicht mal Halbzeit der Saison. Der Abstand in Punkten darf kein Anlass zu Pessimismus sein. Ich weiss, dass wir nicht vor einer leichten Aufgabe stehen. Aber ich glaube auch fest daran, dass der Tag kommt, an dem wir ein wenig mehr Glück haben als bisher. Ich bin hier, um die ganze Mannschaft zu ermutigen. Ich sehe, wie hart in diesem Rennstall gearbeitet wird, die Fortschritte machen mir viel Freude. Vor allem dann, wenn ich mir in Erinnerung rufe, wo wir noch vor einem Jahr waren. Also geht nicht zu hart mit uns ins Gericht, sondern gönnt unserer Truppe auch mal ein aufmunterndes Schulterklopfen.»

Flavio Briatore sieht das differenzierter. Der Weltmeistermacher von Michael Schumacher bei Benetton und von Fernando Alonso, als der Rennstall zu Renault geworden war, sagt: «Ferrari hat stattliche Fortschritte gemacht, Vettel fährt grossartig. Aber Sergio Marchionne weiss, dass er seinen Technikerstab verstärken muss. Es hilft nicht, dass Maranello in Italien liegt.»

Damit ist Bratore beim Kern seiner Kritik angekommen. Im Radio der staatlichen RAI legt Flavio nach: «Mit Worten werden keine Weltmeisterschaften gewonnen. Sondern indem man arbeitet wie Mercedes. Ferrari muss sich sogar darauf konzentrieren, den zweiten Platz zu festigen. Zum Glück hat in Baku Lewis Hamilton nicht gewusst, welche Köpfe er drücken muss, sonst wäre Ferrari nie Zweiter geworden.»

«Es ist schwierig, in der Formel 1 zu gewinnen. Ferrari braucht keine neuen Chefs, das hatten sie schon zur Genüge. Sie müssen internationaler werden. Sie müssen endlich ein Technikzentrum in England aufmachen. Wenn du Champagner herstellen willst, ist es gescheiter, in Frankreich zu sein. Wenn du Schinken machen willst, brauchst du einen Sitz in Parma. Aber wenn die Formel 1 machst, dann musst du eben in England sein.»

«Marchionne ist enthusiastisch, das hat er bewiesen. Aber er glaubt, dass jeder besser arbeitet, nur weil der Präsident gesprochen hat. Aber Marchionne ist kein Formel-1-Experte. Es ist schwierig, die Leute nach Italien zu holen. Maranello ist kein Wohnort, von dem die Engländer träumen. In der Formel 1 passieren keine Wunder. Es braucht Kreativität, Einfallsreichtum, begabte Menschen. In England liegen im Umkreis von 60 Kilometern neun Rennställe – Maranello ist davon weit entfernt und dafür bezahlen sie einen Preis.»

Marchionne: «Ferrari aus Ausland – Gotteslästerung»

Immer wieder hat Ferrari versucht, mit einer Aussenstelle in England zu arbeiten. Ferrari-Präsident Sergio Marchionne macht klar: So einen Versuch wird es so schnell nicht wieder geben.

Mit Sirenengesängen hatte Ferrari versucht, den genialen Red-Bull-Designer Adrian Newey zu verlocken. Aber Newey konnte von Red Bull überzeugt werden, im Grossraum Milton Keynes zu bleiben. Ob dem erfolgreichsten Formel-1-Techniker von Ferrari offeriert worden war, in England bleiben zu dürfen, wissen wir nicht. Denkbar wäre es, denn es gibt Präzedenzfälle. Eine Ferrari-Aussenstelle in Grossbritannien böte auch den Vorteil, auf viele weitere Techniker rückgreifen zu können, die gerne für Ferrari arbeiten möchten, die jedoch (aus familiären oder anderen Gründen) nicht nach Italien ziehen wollen.

Die Versuche in der Vergangenheit waren nicht immer von Erfolg gekrönt: McLaren-Designer John Barnard erhielt zwei Millionen Dollar Jahresgage (damals wurde kein Techniker besser bezahlt) und führte ab 1987 ein Designbüro in England, das «Ferrari Guildford Technical Office», kurz Ferrari GTO. Dort heckte er unter anderem das erste halbautomatische Getriebe für Ferrari aus, wenn der Fahrer mit einer Wippe hinterm Lenkrad schaltet und nicht mehr mit dem klassischen Schaltknauf.

1972 war Ferrari so tief in eine Krise gerutscht, dass sogar in England ein Chassis in Auftrag gegeben wurde – der Ferrari 312B3. Das fanden viele Italiener nicht akzeptabel. Und damit sind wir beim heutigen Ferrari-Präsidenten Sergio Marchionne. Der Italo-Kanadier im Rahmen der «Detroit Motorshow» fest, und dies nicht nur in Bezug auf die Formel 1: «Ferrari, das ist Italien, und diese Exklusivität wird nicht angetastet. Ein Ferrari muss in Italien gebaut sein, alles andere wäre Gotteslästerung.»

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