Mercedes-Benz in Singapur: Das Rennen der Angst

Von Mathias Brunner
Die beiden Mercedes in Singapur 2015

Die beiden Mercedes in Singapur 2015

​Bis heute ist nicht restlos geklärt, wieso Mercedes-Benz in Singapur 2015 so schwächelte. Teamchef Toto Wolff: «Wir sind selber darauf gespannt zu erleben, ob wir wirklich alle Probleme gelöst haben.»

Beim Mercedes-Durchmarsch 2015 gab es nur zwei Hänger in Form von Rennen, bei welchen kein Silberpfeilpilot auf dem Siegerpodest zu treffen war: In Ungarn (Hamilton Sechster, Rosberg Achter) sowie in Singapur (Rosberg Vierter, Hamilton ausgeschieden).

In diesem Jahr ist die Bilanz noch eindrucksvoller: Bis auf Spanien, wo die beiden WM-Favoriten kurz nach dem Start kollidierten, war immer mindestens ein Fahrer auf dem Podest, bei der Hälfte der 14 Läufe sogar beide.

Nun reist der Formel-1-Tross nach Singapur, und Mercedes-Teamchef Toto Wolff spürt widersprüchliche Gefühle. «Auf der einen Seite haben wir in diesem Jahr gezeigt, dass wir ein Auto haben, das auf jeder Art von Rennstrecke konkurrenzfähig ist. Gleichzeitig haben wir ein seltsames Phänomen entdeckt, für das ich auch keine Erklärung habe – auf Pisten, wo wir früher dominant waren, rückte uns die Konkurrenz näher; und auf Strecken, wo wir früher mehr Gegenwind spürten, lief es dieses Mal besser.»

Singapur 2015 war an den hohen Massstäben von Mercedes-Benz gemessen ein Fiasko. Aufregung bei Nico Rosberg schon vor dem Start: Da liess sich der Motor des Deutschen nur widerwillig in Gang setzen. Ernüchterung dann im Rennen: Lewis Hamilton und Nico Rosberg konnten den Rhythmus von Ferrari und Red Bull Racing nicht mitgehen.

Lewis Hamilton musste später aufgeben – Druckverlust am Lader, wegen einer defekten Klemme zwischen Ladeluftkühler und Luftsammler.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff damals: «Ich denke, so etwas nennt man ein charakterbildendes Wochenende. Seit wir am Freitagmorgen das erste Mal auf die Strecke gefahren sind, waren wir im Hintertreffen. Jetzt müssen wir alles genau analysieren, verstehen, wo wir an diesem Wochenende falsch abgebogen sind, daraus die richtigen Lehren ziehen und dann dieses Kapitel abschliessen. Ein schlechtes Wochenende überschattet nicht unsere Leistungen bislang in diesem Jahr. Aber nach einem solchen Wochenende wissen wir, dass es keinen Platz für Selbstgefälligkeit gibt.»

Es bestand der Verdacht, dass es Mercedes in Singapur 2015 einfach nie geschafft hatte, die Reifen optimal zum Arbeiten zu bringen. Ein Faktor waren auch die Reifendruckvorgaben von Pirelli.
Mercedes modifizierte die Aufhängung. Ergebnis: Einen Durchhänger wie in Singapur gab es danach nie wieder. Toto Wolff hält sich bedeckt: «Wir haben damals Lösungen gefunden, die uns auch bei den folgenden Rennen geholfen haben. Es ging vor einem Jahr in Singapur nicht eine einzige Sache schief, es handelte sich um ein Zusammenspiel von Faktoren.»

Es fiel nach Singapur auf: Nico Rosberg setzte zu einem Höhenflug mit Pole-Positions und Siegen an. Ab Japan stand nur noch der Deutsche auf Pole, nach dem Sicherstellen des Titels von Hamilton in Texas setzte es für den Briten nur noch Niederlagen – Nico gewann in Mexiko, Brasilien und Abu Dhabi.

Lewis Hamilton monierte: «Seit Singapur haben wir gewisse Änderungen am Auto, welche das Gleichgewicht im Team verschoben haben. Ich muss herausfinden, wie genau das gehen konnte und was ich dagegen unternehmen kann.»

Nico Rosberg meinte: «Vom Kopf her hat sich nichts geändert bei mir, ich habe jedoch diese Saison sehr hart daran gearbeitet, um zu verstehen, warum nicht mehr der schnellere Mann im Qualifying war, nachdem ich das im vergangenen Jahr klar gewesen bin. Irgendetwas muss ja passiert sein. Und jetzt trage ich die Früchte von dieser harten Arbeit.»

Intern war bei Mercedes die Rede davon, dass Rosberg seinen Stallrivalen ausgerechnet in jenem Bereich schlägt, auf dem der Engländer fast als unschlagbar galt: beim Bremsen. Genauer gesagt habe Rosberg die Art und Weise geändert, wie er in die Kurven hinein bremse. Er habe bei der Abstimmung seines Fahrzeugs einen Weg gefunden, sich im Wagen wohl zu fühlen, obschon das Auto über die Hinterachse mehr rutscht. Nur wenige Formel-1-Fahrer fühlen sich mit einem lebhaften Heck nach der Einlenkphase wohl – Sebastian Vettel ist so ein Fahrer und Lewis Hamilton auch.

Geringfügige Anpassungen beim Bremsen sollen es Rosberg erlauben, aggressiver in die Kurve zu stechen und dabei vom Einlenken bis zum Scheitelpunkt der Kurve jene Bruchteile einer Sekunde zu gewinnen, die letztlich den Ausschlag geben über Pole-Position oder Startplatz 2. Es geht alles ums letzte Vertrauen ins Auto, und ein elementarer Punkt ist dabei das Gefühl mit der Bremse.

Zurück nach Singapur 2016. Toto Wolff: «Wir haben damals reagiert, aber genau genommen haben wir nie herausgefunden, ob alle unsere Massnahmen die richtigen waren. Das werden wir nun herausfinden.»

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