Stefan Johansson zu Max Verstappen: Falsches Vorbild

Von Mathias Brunner
​Der Schwede Stefan Johansson ist heute Donnerstag, 8. September, 60 Jahre alt. In seinem Blog kritisiert der frühere Ferrari- und McLaren-Pilot die Vorgehensweise der FIA und die Fahrweise von Max Verstappen.

Stefan Johansson ist heute, 8. September, 60 Jahre alt geworden. Der Schwede, zwischen 1983 und 1991 in der Formel 1, unter anderen auch mit McLaren und Ferrari, greift ab und an zur Feder, um sich im eigenen Blog über aktuelle Vorkommnisse im Rennsport zu äussern. Klar war die Fahrweise von Max in Belgien der grosse Aufreger, und auch in Monza war das ja noch ein Riesenthema. Aber für Johansson ist das nur Anlass, das grössere Bild im Rennsport anzuprangern.

Der WM-Fünfte von 1986 hat ein GP-Wochenende in Monza erlebt, an dem es an der Fahrweise von Max Verstappen nichts zu mäkeln gab. Stefan Johansson hat das mit Zufriedenheit festgestellt, denn im Anschluss an den Belgien-GP fand der 79fache GP-Teilnehmer: «Wir waren da auf einem gefährlichen Weg – Max Verstappen ist ein Richtungsweiser für die ganze kommende Rennsportgeneration, und mit der Aktion von Belgien war er das falsche Vorbild.» In seinem Blog erklärt der Mann mit den Blättern auf dem Helm das ein wenig genauer.

«Ich fand es schon reichlich dick aufgetragen, dass Max sich nach dem Belgien-GP beschwert hat, die Ferrari-Piloten hätten sein Rennen ruiniert. Er hatte keinen guten Start, fiel hinter die beiden Ferrari zurück, und dann hat er versucht, diesen Rückstand gleich in der ersten Kurve wieder wett zu machen.»

«Jeder weiss, wie eng es nach dem Start in der La Source zu- und hergeht. Seine Attacke ganz innen hatte nicht viel Aussicht auf Erfolg. Ich kann seine Frustration wegen des schlechten Starts gut nachvollziehen, alle Rennfahrer kennen das, und natürlich versuchst du immer alles, um nicht zu viele Plätze einzubüssen.»

«Was dann passierte, war eine unglückliche Verkettung: Vettel lenkte auf einer Linie ein, die er als die richtige einschätzte, innen lag Räikkönen, der auf einmal an seiner eigenen Innenseite Verstappen hatte. Wir haben das in Belgien schon oft erlebt. So eine Szene kann passieren und ist nicht weiter schlimm.»

«Etwas Anderes ist die spätere Fahrweise von Max. Ich hätte eine Strafe ausgesprochen. Denn wenn der Hintermann bremsen muss, um eine Kollision zu vermeiden, dann stimmt etwas nicht. Meine Kritik gilt jedoch nicht nur Max Verstappen. Meine Kritik gilt einer ganzen Generation junger Piloten in Einsitzern, weit über die Formel 1 hinaus. Ich habe viele Manöver in verschiedenen Rennserien gesehen, bei welchen es völlig normal schien, dem Gegner zu behindern, wenn der am Überholen ist. Das finde ich traurig.»

«Ich erkenne da ein rennphilosophisches Problem, dem rasch und entschlossen begegnet werden muss. Nochmals: Das trifft nicht nur auf Max zu, aber Verstappen ist durch seinen sensationellen Aufstieg und seine wunderbare Begabung eben für viele aufstrebende Rennfahrer ein Vorbild. Und in dieser Hinsicht ist er das falsche Vorbild. Wenn ich mir ansehe, was da an Manövern in den ganzen Nachwuchsklassen geboten wird, stellen sich mir die Nackenhaare auf – wir erleben teilweise üble Unfälle.»

«Klar bin ich dafür, dass ein Rennfahrer wagemutig sein und Risiken eingehen soll. Schliesslich ist das der Kern dessen, was wir unter einem Racer verstehen, nicht? Aber ich sehe da beim Nachwuchs Aktionen, bei welchen mutwillig das Leben anderer Fahrer aufs Spiel gesetzt wird, und das ist für mich nicht Rennsport. Abdrängen oder Blockieren hat für mich nichts mit Rennhandwerk zu tun. Dazu brauchst du kein Talent und auch keinen Mut. Ich bin besorgt, wie es um den moralischen Kompass der nächsten Renngeneration steht. Das ist einfach schmutzig und gefährlich.»

Auf Niveau der Formel 1 hat es eine Reaktion gegeben: Rennleiter Charlie Whiting hat sich in Monza mit Max Verstappen unterhalten. Verstappen selbst sagte dazu: «Wir hatten ein Gespräch über das Rennen und was darin passierte. Ich ziehe es auch vor, das in einem persönlichen Gespräch zu klären, und nicht über die Medien oder im Fahrer-Briefing anzusprechen.»

Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner bestätigte: «Charlie hat sich mit Max die Details des vergangenen Rennens angeschaut und klargemacht, dass Max eine Strafe riskiert, wenn er seine Fahrweise nicht ändert. Es war so etwas wie eine sanfte Warnung.»

Stefan Johansson sagt weiter in seinem Blog: «Alle jungen Rennfahrer, dazu die FIA-Rennkommissare und sämtliche selbsternannten Experten sollten sich mal auf YouTube das Rad-an-Rad-Duell zwischen Gilles Villeneuve und René Arnoux in Dijon 1979 anschauen. DAS ist Racing! Zwei richtige Kerle, die sich Saures geben, die dem anderen aber immer genügend Raum lassen. Ich sehe da keine einzige Situation, in welcher der eine den anderen blockiert hätte. Das ist für mich Hardcore-Rennsport vom Feinsten.»

«Nein, ich bleibe dabei: Eine unsaubere Fahrweise, das kam erst später nach und nach in unseren Lieblingssport. Und zwar von einigen der besten Piloten der Welt. Leider glaubt nun die nächste Generation, ein solches Pistenverhalten sei absolut okay.»

«Es gibt auch gute Vorbilder: Ich persönlich halte Lewis Hamilton und Fernando Alonso nicht nur für zwei der besten Rennfahrer der Formel 1, sondern auch für pure Racer, die sich nie ein so dreckiges Manöver erlauben würden. Wenn du ihnen drei Zentimeter Raum gibst, dann werden sie den gnadenlos für sich beanspruchen. Ich halte Max Verstappen für mindestens so begabt, vielleicht sogar für besser, das muss die Zeit zeigen. Aber ich bin der Ansicht, dass man nicht jeden Zweikampf gewinnen muss, um Weltmeister zu werden.»

«Ein grosses Problem für mich sind dabei die Rennkommissare, ich habe das früher schon angeprangert. Anderes Rennen, andere Rennpolizei, andere Massstäbe. Entschuldigt, wenn ich wie eine Platte mit Sprung klinge, die sich immer an der gleichen Stelle dreht – aber wir brauchen endlich charakterstarke Rennkommissare, die ein Gespür für die modernen Autos haben, die von allen respektiert werden, die sich nicht verbiegen lassen, die den Sport durch und durch verstehen. So lange wir solche Männer nicht haben, wird es immer wieder Anlass für Ärger und Frustration geben – nicht nur bei den Grand-Prix-Assen, auch unter den Fans.»

«Einige Fahrervertreter unter den jeweils vier Rennkommissaren haben, bei allem Respekt, keine Ahnung, was sie da machen. Bei einigen habe ich den Eindruck, es interessiert sie nicht. Vielleicht denken sie, dieser Job mache sich im Lebenslauf gut. Ich habe keine Ahnung, nach welchen Kriterien sie ausgewählt werden, vielleicht wird einfach geguckt, wer gerade Zeit hat. Aber das sind ganz wichtige Entscheidungen, die da getroffen werden müssen, und ich finde es von der FIA verantwortungslos, dass man bei der Vergabe der Rennkommissarposten nicht ein wenig wählerischer vorgeht.»

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