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Sébastien Buemi: «Kosten im Motorsport müssen runter»

Von Werner Jessner
Sébastien Buemi

Sébastien Buemi

Keiner fährt in so vielen unterschiedlichen Rennserien auf hohem Niveau wie der Schweizer Sébastien Buemi. Wie geht es im globalen Motorsport nach 2020 weiter? Für uns blickt er in die Kristallkugel.
Die Formel 1 steht vor gigantischen Umwälzungen, in der DTM gibt es nur mehr einen einzigen Hersteller, auch in der Langstrecken-WM WEC (World Endurance Championship; Anm.) geht es drunter und drüber: Kannst du an den aktuellen Umständen etwas Positives finden?

Alle verstehen, dass die Kosten im Motorsport runter müssen. Selbst jene, die bislang gegen Budgetkürzungen waren, weil sie fürchteten, Vorteile einzubüßen. 

In der F1 gilt ab kommender Saison ein Budgetdeckel von 133 Millionen Euro.

Gerade die F1 war immer konservativ, was Änderungen betraf. Da ging schon als Revolution durch, wenn man sich auf eine Änderung der Trainingszeit verständigen konnte. Plötzlich sind massive Änderungen möglich – und werden auch von allen mitgetragen! 

Wie massiv dürfen diese Revolutionen sein?

Man muss aufpassen, nicht übers Ziel hinauszuschießen. Williams überlegt einen Verkauf, McLaren hat Mitarbeiter entlassen, man wusste lange nicht, ob Renault bleibt.

Warum soll sich ein Autokonzern ein F1-Team leisten, wenn die Verkäufe einbrechen und Arbeiter entlassen werden?

Weil der Return on Investment stimmt. Es ist teuer, Formel 1 zu machen. Aber kein Vorstand der Welt nickt diese Summen ab, wenn es sich unterm Strich nicht lohnt: Bekanntheit, Image- und natürlich Technologietransfer. Und wenn jetzt die Kosten runtergehen, geht die Rechnung doch umso eher auf. 

Okay, die F1 sollte also überleben. Was ist mit Kategorien wie WEC und Le Mans?

Da müssen die Kosten noch dringender runter, weil die Hersteller nicht so viel für ihr Geld zurückbekommen. Der Mensch, der das Budget unterschreibt, muss überzeugt sein, dass er für den Betrag X, den er für das Le-Mans-Projekt freigibt, einen adäquaten Gegenwert bekommt. Was daher vermutlich nicht mehr passieren wird: dass mit Toyota, Audi und Porsche gleich drei Hersteller Prototypen auf höchstem Niveau bloß für eine Handvoll Rennen bauen.

Wie verbessert man also die Situation?

Indem man Performance-relevante Teile am Auto per Reglement standardisiert und es den Teams damit erschwert, sich Rundenzeit mittels Entwicklung zu erkaufen. Das Feld rückt zusammen, und die Fähigkeit der Fahrer wird wichtiger.

Ist das das Problem in der DTM, die in kürzester Zeit drei Hersteller verloren hat: zu komplizierte Autos, zu hoher technischer Aufwand?

Ich kann nicht für die DTM sprechen, weil ich dort nie gefahren bin. Aber von außen bekam man den Eindruck, dass die DTM bei allen Anstrengungen immer eine deutsche Serie geblieben ist. Wenn Budgets international freigegeben werden, steigt der Rechtfertigungsdruck lokaler Events. DTM-Rennen waren spannend und gut. Aber auch diese Serie wird den Reset-Button drücken und die Kosten dramatisch reduzieren müssen.

Sind Privatteams die Lösung für volle Starterfelder?

Ja, aber nur dann, wenn es kein Werk im Hintergrund mit speziellen Computern erfordert, um diese Autos zu starten, geschweige denn auf die Strecke bringen zu können.

Die einzige Serie, die boomt und Hersteller anzieht, ist die Formula E. Du warst von Anfang an dabei. Hast du diesen Aufstieg so erwartet?

Um ehrlich zu sein: nein. Ich war der Meinung, dass Autofirmen Bedenken haben würden, sich in einer Serie zu engagieren, in der die Autos optisch gleich und technisch ähnlich sind. Aber sie haben es gemacht. Die Formula E wächst und wächst, wir hatten noch nie so viele Hersteller.

Warum konnte und kann Formula E große Fahrer anziehen?

Weil es kaum Serien gibt, in denen Fahrer noch gutes Geld verdienen können.

Ist es für Junge heute härter geworden, vom Rennfahren zu leben, als es vor 10, 20 Jahren war?

Ja. Es gibt generell weniger Cockpits, weniger gute und weniger gut bezahlte.

Wie wird diese Entwicklung auf die kleineren Klassen durchschlagen?

Corona hat die meisten Unternehmer Geld gekostet. Ein wohlhabender Amateur-Rennfahrer konnte sich bisher vielleicht einen Le-Mans-Startplatz finanzieren. Jetzt geht sich das womöglich nicht mehr aus.

Ist vielleicht überhaupt Sim-Racing die Zukunft?

Ursprünglich war ich kein großer Fan von Simulator Rennen, bei denen Rennfahrer und Computerspiel-Profis am Computer in unterschiedlichsten Rennserien gegeneinander antreten. Mittlerweile sehe ich mehr Sinn dahinter. Es ersetzt das echte Rennfahren nicht, aber so bekommen Fans und Sponsoren etwas in einer Zeit, in der sonst tote Hose wäre.

Du bist als F1-Testfahrer, Formula-E- und WEC-Pilot den Umstieg zwischen unterschiedlichen Klassen gewohnt. Ein Vorteil am Simulator?

Man muss sich definitiv mit seinen Eigenheiten auseinandersetzen. Und man darf nicht unterschätzen, wie diese zwei, drei Monate, in der wir Rennfahrer uns mit den Sim-Profis gematcht haben, die Entwicklung befeuert haben. Sim-Racing war in aller Munde, raus aus der Nische. Für diese Szene war Corona ein echter Glücksfall.

Wirst du weiter virtuelle Rennen fahren, wenn es in der echten Welt wieder losgeht?

Vermutlich werde ich es nicht aufgeben, aber um es professionell zu betreiben, fehlt dann die Zeit. Der Entwicklungsschub im Sim-Racing war massiv! Keine Ahnung, ob ich nach einer Pause gegen Sim-Profis überhaupt noch eine Chance hätte.

Wie wird sich die Rückkehr auf eine echte Rennstrecke in ein echtes Cockpit anfühlen?

Super! Was ich allerdings vermissen werde, ist die gemeinsame Zeit mit meinen Söhnen.

Und was hast du vermisst?

Erstens: Rennautos am Limit zu bewegen. Zweitens: mein Team wieder zu treffen. Das ist meine zweite Familie, weit mehr als Kollegen. Das wurde mir in den letzten Wochen klar.

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