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Puzzle mit unendlich vielen Teilen

Kolumne von Guido Quirmbach
Audi und Peugeot gehen auch mal in unterschiedliche Richtungen

Audi und Peugeot gehen auch mal in unterschiedliche Richtungen

Die starke Leistung von Peugeot bei den 1000km von Spa war eigentlich nicht zu erwarten. Oder haben wir es im Vorfeld nur nicht erkannt? Verwunderlich wäre es nicht.

Zeiten aus freien Trainings oder gar Tests als Indikator für die Leistungsfähigkeit eines Teams zu nutzen, mag in manchen Rennserien funktionieren. Im Langstreckensport, zumindest da, wo Werke dabei sind, bringt es eher wenig. Oft hilft da noch nicht mal das Qualifying. Diese Erfahrung mussten wir Berichterstatter wieder einmal in Spa machen, als praktisch jeder mit seinen Prognosen daneben lag.

Wären die freien Trainings und die Ergebnisse des Testtages von Le Mans der Massstab gewesen, wäre Audi um Peugeot Kreise gefahren. Im Rennen war es dann fast umgekehrt. Denn Peugeot war dort weitaus stärker, als man dies nach den ersten Zeiten vermuten konnte, Audi hingegen konnte die Leistung des R18 nicht abrufen.

Hat Peugeot in den Trainings oder beim Test in Le Mans geblufft? Nein, ich glaube nicht. Es ist einfach diese typische, analytische Arbeitsweise, wie sie Audi und Joest ebenso seit mehr als einem Jahrzehnt an den Tag legen, die es dem Betrachter fast unmöglich macht, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Es geht darum, nichts dem Zufall zu überlassen und alle Eventualitäten auszuloten. Das betreiben die Werksteams von Audi und Peugeot bis zum Exzess, mit einem Aufwand, der für Privatiers noch nicht mal ansatzweise machbar wäre.

Die Aufgabenstellung dabei klingt ziemlich einfach: Das Auto muss möglichst über die gesamte Distanz möglichst nah am Limit bewegt werden, und noch so, dass der Fahrer sich wohl fühlt. Eine einzelne schnelle Runde ist im Langstreckensport unwichtig wie ein Kropf. Die Pole Position ist ein Prestigeobjekt und nur wichtig für die Presseabteilung, nicht mehr. So verzichtete Alexander Wurz in Le Mans 2009 auf die Jagd nach der Bestzeit um mit dem frischen Reifensatz noch etwas fürs Rennen auszuprobieren. Mit Erfolg, wie sich am Ergebnis und der Performance seines Peugeot damals zeigte.

Es kommt unter anderem darauf an, mit einem Satz Reifen mindestens zwei Stints, vielleicht sogar mehr zu fahren, ohne dass das Auto langsamer wird. Es ist das Rechenbeispiel, wie es auch die Formel 1 an diesem Wochenende in Istanbul hatte: Ab wann ist ein Reifenwechsel schneller als der Zeitverlust durch abbauende Reifen?
Aber welche Möglichkeiten bestehen, um den Abbau der Reifen hinauszuzögern? Wie wirkt sich eine veränderte Einstellung des Fahrwerks, die das eine Problem löst, auf andere Komponenten aus? Zum Beispiel die Fahrbarkeit?

Audi und Peugeot haben für alles Lösungsansätze, wenn auch nicht immer Lösungen, wie das Wochenende belegte. In den freien Trainings wird eben aussortiert, um dieses Puzzlespiel aus fast unendlich vielen Teilen zusammenzubringen. Dafür nutzen Peugeot und Audi ihre in Relation zu den Privatiers gesehen beinahe unbeschränkten Ressourcen: Beide Teams hatten in Spa jeweils drei Autos mit je drei Piloten. Sie alle bekommen von der Teamleitung Aufgaben, irgendetwas auszuprobieren. Reifen, Fahrwerk, Front- und Heckteile mit mehr oder weniger Abtrieb usw. Dabei kann es dann vorkommen, dass ein Pilot mit einer bestimmten Testaufgabe eine sehr schnelle Zeit fährt. Doch stellt man dann fest, dass damit vielleicht der Reifenabbau zu gross sein wird, um einen zweiten Stint auf dem gleichen Satz zu fahren. Also wird die Idee vorerst wieder verworfen, weil sie wohl fürs Rennen keinen wohl Nutzen bringt. Für den aussenstehenden Betrachter bleibt jedoch oft nur die Zeit auf Monitor, obwohl sie für das Kräfteverhältnis im Rennen vollkommen irrelevant ist. Und schon glaubt man, der Eine sei dem Anderen überlegen.

Am ehesten geben noch Longruns Aufschlüsse. Aber auch dort kann man danebenliegen: Wenn die Zeiten schlecht sind, muss auch das nicht viel bedeuten. Audi und Peugeot leisten sich den Luxus und testen auch einmal bewusst in die falsche Richtung, nur um sicher zu sein, dass eine bereits verworfene Änderung nicht nach anderen Detailanpassungen plötzlich doch wesentlich besser ist als beim ersten Versuch angenommen. Der Fahrer sieht in dem Moment vielleicht etwas alt aus, ohne tatsächlich etwas dafür zu können. Die Erfahrung zeigt, dass die Piloten im Rennen von Beginn an auf einem Level sind, egal was für eine Zeit sie im Training gefahren sind. Dafür sind es auch mit die besten Sportwagen-Piloten auf dem Planeten.

Es könnte einfacher sein, wenn wir wüssten, was gerade passiert. Aber da sind die Werksteams etwa so gesprächig wie Fische. Sie wissen als einzige, was sie tun. Aber einen Vorteil hat es auch: Die Werksteams wissen auch nicht, was der Gegner tut!

Also werden wir die Tests und freien Trainings weiter beobachten und unsere eigenen Schlüsse ziehen. Auch, wenn wir hin und wieder am Renntag überrascht werden. Aber das werden mitunter auch einzelne Werksteams selbst.

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