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MV Agusta Lucky Explorer 9.5: Wüsten-Express

Von Rolf Lüthi
Mit der Lucky Explorer 9.5 baut nun auch MV Agusta eine Reise-Enduro, deren Fahrwerk dieser Bezeichnung gerecht wird. Weitere Zutaten: Supersport-Motor, Superbike-Bremsen, Rennstrecken-Elektronik.

An der Motorradmesse Mailand zeigt MV Agusta die Serienversion der Reise-Enduro Lucky Explorer 9.5, die dem Konzeptmotorrad, das 2021 gleichenorts gezeigt wurde, sehr ähnlich sieht. Das Design ist angelehnt an die Dakar-Werksmaschinen auf Basis der Cagiva Elephant, die in den 90er Jahren von der Zigarettenmarke Lucky Strike gesponsert wurden.

Es ist zusammen mit der kleineren Version Lucky Explorer 5.5, die ebenfalls in Mailand zu sehen war, die erste echte Reise-Enduro von MV Agusta. Die Turismo Veloce, gebaut seit 2015, muss anhand ihres Fahrwerks eher als Reise-Supermoto bezeichnet werden.

Wegen ihrer Bezugnahme auf Rally-Werksmaschinen ist klar: Die Lucky Explorer 9.5 muss im Gelände zwingend eine gute Figur machen. Mit Drahtspeichenrädern in den Offroad-Dimensionen 21 und 18 Zoll und Federwegen von 220 und 210 mm sind schon mal einige wichtige Grundvoraussetzungen gegeben. Die Kreuzspeichenräder ermöglichen schlauchlose Reifen.

Die 48er USD-Gabel und das Zentralfederbein, beide einstellbar in Vorspannung, Zug- und Druckstufe, stammen von Zulieferer Sachs. Das Chassis ist ein klassischer Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen mit angeschraubtem Rahmenheck und üppig dimensionierter Aluschwinge. Die Sitzhöhe bleibt mit 850 mm einigermassen moderat. Ein seitlich hochgezogener Motorschutz ist wie die Handschützer serienmässig dran.

Die Bremsen könnten auch an einem Superbike verbaut sein: Vorne eine 320er Doppelscheibe, in die sich zwei radial montierte Vierkolben-Bremszangen von Brembo des Oberklasse-Typs Stylema verbeissen. Das Hinterrad verzögert eine 265er Scheibe samt Zweikolbenzange.

Als Antrieb dient eine neue Version des MV-Dreizylinders mit 931 ccm. Zwei obenliegende Nockenwellen betätigen über Schlepphebel vier Ventile pro Zylinder. Die rückwärts drehende Kurbelwelle wirkt der Wheelie-Tendenz beim Beschleunigen entgegen.

Kolben in Bridgebox-Bauweise und gesinterte Ventilsitze und –führungen kennzeichnen einen Hochleistungs-Sportmotor: 123 PS bei 10.000/min und 102 Nm bei 7000/min, wobei bei 3000/min schon 85 % des maximalen Drehmoments zur Verfügung stehen. Das Sechsgang-Getriebe in Kassettenbauweise kann bei Bedarf einfach und schnell ausgebaut werden.

Das TFT-Farbdisplay misst 7 Zoll (fast 18 cm) in der Diagonale, mehrere Anzeigemodi inklusive Bildschirmteilung sind möglich. Dessen Oberfläche ist blend- und spiegelfrei. Die Elektronik umfasst Tempomat, Startkontrolle, achtfach einstellbare Traktionskontrolle, vier Motormodi, GPS-Sensor, LED-Beleuchtung mit Kurvenlicht und Kurven-ABS mit Hinterrad-Abhebeerkennung.

Die MV Agusta Lucky Explorer 9.5 ist ein herrlich hübsches, herrlich unvernünftiges Motorrad. Im geländetauglichen Fahrwerk einer Reise-Enduro ist ein Supersport-Motor mit 931 ccm Hubraum installiert, aus dem unsinnig viel Leistung rausgepresst wird. Die Bremsen wären, in einem Superbike verbaut, auch der Belastung von Rennstreckenbetrieb gewachsen, ebenso sind die Möglichkeiten der ausufernden Assistenz-Elektronik nur von versierten Tüftlern im Rennstreckenbetrieb zu ergründen. Für Reisen in abgelegene Gebiete braucht es keinen Supersport-Motor, keine Superbike-Bremsen, keine Rennstrecken-Assistenzelektronik und keine Canbus-Elektrik. Aber es kann sinnfreie Freude bereiten, das alles zu haben.

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