Weltmeister Kalex: «Made in Germany» zählt wieder

Von Günther Wiesinger
Der deutsche Motorradhersteller Kalex hat in der Moto2-Klasse Fahrer- und Marken-WM gewonnen. Was verbirgt sich hinter diesem Unternehmen?

Die beiden Kalex engineering-Gründer Alex Baumgärtel und Klaus Hirsekorn sind kongeniale Partner.

Klaus bleibt gerne im Hintergrund, er fasst auch gerne in der Box mal richtig an, wenn’s drauf ankommt. Alex wirkt als Denker, Designer, er kümmert sich auch ums Kaufmännische, bahnt die Deals mit den Teams an und ist das Sprachrohr von Kalex engineering.

Während die Aufgaben klar verteilt sind, hat Klaus Hirsekorn bei der Erstellung des Markennamens klar den Kürzeren gezogen. Von ihm wurde nur das «K» in der Trademark Kalex verwendet, von Baumgärtel gleich der komplette Vorname. Eine pragmatische Lösung, alle anderen wären ein phonetischer Jammer geworden.

Die beiden Ingenieure kommen eigentlich aus dem Automobilsport, sind sind im 150-Mann-Betrieb Holzer Motorsport von Günther Holzer gross geworden, dort wurden einst die Opel-Einsätze für die DTM und Rallye-DM bewerkstelligt. Auch für die Formel 1 hat der Engineering-Betrieb Holzer viel entwickelt und gefertigt – zum Beispiel für Toyota mit Sitz in Köln.

Die Leidenschaft fürs Motorrad

Doch Baumgärtel und Hirsekorn entdeckten ihre Liebe zum Motorradsport. Ihr Fahrkönnen war offenbar nicht sonderlich ausgeprägt, also wandten sie sich dem Motorradbau zu.

Ihr erster Kalex-Moto2-Prototyp wurde beim Valencia-GP 2009 präsentiert und von allen Experten gelobt. Schön, erstklassige Verarbeitung, mit innovativen technischen Lösungen.

Fürs erste Jahr vertraute nur Ex-Weltmeister Sito Pons auf die Produkte aus dem schwäbischen Bobingen. Mit Mittelklassefahrern wie Sergio Gadea und Axel Pons musste die Debütsaison 2010 als Durststrecke betrachtet werden, doch Gadea gelang in Mugello immerhin ein Podestplatz.

Für 2011 drängte Stefan Bradl bei Kiefer Racing auf einen Wechsel von Suter zu Kalex, obwohl der Bayer den vorletzten WM-Lauf 2010 in Portugal auf Suter gewonnen hatte. Das Risiko sollte sich lohnen.

Schon vor den ersten Triumphen (Bradl gewann 2011 sieben Rennen und den Fahrer-WM-Titel) sträubte sich Alex Baumgärtel gegen die Bezeichnung Chassis-Hersteller. «Wir bauen komplette Motorräder. Auch Firmen wie Aprilia rüsten ihre Bikes nachher mit Motoren von Rotax oder Suzuki aus – und gelten trotzdem als Motorradhersteller», hielt er unmissverständlich fest.

Nach dem Titelgewinn von Bradl 2011 konnte sich Kalex vor Aufträgen nicht mehr retten. Doch Kalex legt sich selbst ein Limit auf und sagte den Teams Vertrag zu, für die Saison 2012 maximal zehn Moto2-Fahrer auszustatten. Für die Saison waren es dann zwölf Fahrer, das SAG-Team (Simeon, Schrötter) kam neu dazu. Ausserdem wurde personell aufgerüstet.

«Wir sind inzwischen fünfeinhalb Mann, die Entwicklung, Service und Logistik betreiben», schildert Baumgärtel. «Die Fertigung vom Grossteil der mechanischen Komponenten sowie die gesamte Schweissarbeit von Rahmen, Schwinge und Tanks wird bei Holzer erledigt.K arbonteile fertigen wir bei unserem Partner Composite World, der in der Nähe von Ludwigsburg ansässig ist.»

«Wenn für 2014 nach Idemitsu-AirAsia-Team auch noch das Petronas-Raceline-Team mit Hafizh Syahrin dazu kommt, haben wir 13 Fahrer», ist sich Baumgärtel bewusst. «Aber unsere Teams haben in diese Aufstockung bereits eingewilligt.»

In der Moto2 gelangen Kalex mit Pol Espargaró (6), Redding (3), Rabat (3) und Kallio (1) bereits 13 von 16 Siegen. Dazu wurde erstmals die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft gewonnen! 

Reich geworden sind die Kalex-Macher mit ihrem mutigen Schritt in die Selbstständigkeit bisher nicht. Sie begnügen sich mit 3000 Euro Salär im Monat, dafür leisten sie pausenlos 7-Tage-Wochen, der Urlaub wird vorzugsweise in der Nacht genommen. Nächtelange Autofahrten bis Valencia, Almeria oder Jerez gehören zum Alltag. Immerhin: Der VW Multivan wurde inzwischen gegen einen Mercedes Vito getauscht.

Enthusiasmus und Leidenschaft, das ist der wahre Treibstoff der Kalex engineering-Protagonisten.

Exklusive Partnerschaft mit KTM

Vielleicht kommt ja einmal ein namhafter Partner wie Ducati oder KTM auf die Idee und nützt das schwäbische Know-how in einem grösseren Zusammenhang.

Bisher hat Kalex bei lukrativen Deals gegenüber Suter Racing (Mahindra, Caterham) manchmal den Kürzeren gezogen. Dafür steht es bei den Moto2-Siegen in der Saison 2013 bereits 13 zu 3.

Und die exklusive Partnerschaft mit Moto3-Seriensieger KTM trägt Früchte. Kalex zeigt sich als verlässlicher Partner, Konkurrenz FTR knirscht mit den Zähnen... Er hat vor zwei Jahren auf Honda gesetzt. Ein Fehler.

2012 waren in der Moto3-WM sechs Kalex-KTM zu sehen, 2013 schon acht, an dieser Anzhal wird sich auch 2014 nichts ändern. Im Vorjahr gelangen Luis Salom mit der Kalex-KTM zwei GP-Siege, er wurde Vizeweltmeister. 2013 ist Jonas Folger der schnellste Kalex-KTM-Pilot in der kleinen Klasse – er ist WM-Fünfter mit drei Podestplätzen.

Deutsche Firmen wie NSU, Maico, Zündapp, Kreidler sind untergegangen, BMW will vom Spitzensport nichts wissen.

Doch zwei schwäbische Idealisten haben dem Begriff «Made in Germany» im Motorrad-GP-Sport wieder zur Weltgeltung verholfen.

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