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Japan-GP: Nichts ist unmöglich – im Land des Lächelns

Kolumne von Sharleena Wirsing
«Nichts ist unmöglich» ist nicht nur der Werbeslogan eines großen japanischen Autoherstellers, sondern auch ein Sinnbild für den meist positiven Kulturschock, den ein Europäer dort erfährt.

Schon als ich nach einem 15-Stunden-Flug mit Stopp in Istanbul am Flughafen Narita in Tokio eintraf, wies mich ein Kollege darauf hin: «Japan ist anders.» Und Japan ist tatsächlich anders: kalter Fisch und eingelegter Brokkoli zum Frühstück, Toiletten, die Geräusche machen, um die des Körpers zu übertönen und Schulmädchen in Rock und Kniestrümpfen mit Schleifen im Haar. Und nicht zu vergessen: der oft getragene Mundschutz. Für einen Japan-Rookie wie mich war dies Klischee und Abenteuer zugleich.

Vor meiner ersten Überseereise als MotoGP-Redakteurin gingen mir natürlich viele Dinge durch den Kopf. Wenn man nach Motegi reist, ist die Atomkatastrophe von Fukushima natürlich besonders beunruhigend. Die Nuklearkatastrophe liegt erst drei Jahre zurück und der havarierte Meiler ist nur 100 Kilometer Luftlinie von Motegi entfernt. Da es keine wirklich vertrauenswürdigen Daten zur Intensität der Strahlung gibt, muss man es wie die Fahrer und Teammitglieder machen: den schmalen Grat zwischen Vorsicht und Verdrängung beschreiten.

Dies fällt einem bei den vielen neuen Eindrücken und Erfahrung erstaunlich leicht. Die Japaner sind freundlich und sehr hilfsbereit, wenn man beispielsweise seit 60 Minuten das Hotel sucht und das Navigationsystem nur zu programmieren ist, wenn man die japanischen Schriftzeichen versteht. Europäer wie ich leben oft in dem Irrglauben, dass Japan sich als Global Player versteht und daher Navis mit mehr als einer Spracheinstellung produziert. Es führen vielleicht alle Wege nach Rom, aber sicher nicht in das richtige Hotel.

Prominenz und Feueralarm

Die meisten Journalisten und Teammitglieder mieten sich während ihrem Aufenthalt in Japan ein Hotelzimmer in Mito, einer Großstadt 140 Kilometer nordöstlich von Tokio, die eine gut 45-minütige Autofahrt durch das japanische Hinterland vom Twin Ring Motegi entfernt liegt. Eine bessere Wohnlage haben die MotoGP-Teams. Sie nächtigen im Twin Ring Hotel, das nur wenige hundert Meter entfernt auf einem Hügel über der Strecke thront.

In meinem Hotel in Mito checkten Journalistenkollegen, Teammitglieder, aber auch Fahrerlager-Prominenz ein: Livio Suppo und Shuhei Nakamoto von HRC. Ob auch die Honda-Manager in einem winzigen Zimmer – typisch japanisch – mit einer Matratze wie einem Brett schliefen?

Um dieser Frage genauer nachzugehen, blieb keine Zeit, denn bereits in der ersten Nacht in Mito schrillten gegen 5:30 Uhr morgens die Sirenen. Schwarze Rauchschwaden stiegen neben dem Hotel auf. Obwohl kein Feueralarm ausgelöst wurde, hatten viele verängstigte Hotelbewohner bereits die nötigsten Sachen gepackt und standen in der Lobby. Doch es gab Entwarnung. Der Wohnungsbrand im Nebengebäude konnte schnell unter Kontrolle gebracht werden. Um 7:30 Uhr ging es nun Richtung Rennstrecke.

Japan-GP: Keine Hospitalitys, aber eifrige Fans

Der Japan-GP ist anders. Alle Übersee-Rennen der MotoGP-WM sind anders, denn die pompösen Hospitalitys der Teams und Hersteller fehlen dort aus Kostengründen. Die Teams arbeiten in Zelten hinter der jeweiligen Box und erhalten je nach Teamgröße und Wichtigkeit einen bis vier Container für die Organisation und den Aufenthalt der Fahrer zwischen den Sitzungen.

Durch das Fehlen der Hospitalitys wirkt das Fahrerlager mit den beigen Containern zunächst farblos und nicht besonders einladend, doch genau das Gegenteil ist der Fall. Die Nähe zwischen Fahrern und Fans ist viel größer. Es gibt keinen Schnickschnack und die Fahrer schießen nicht nach jeder Sitzung auf Rollern davon. Sie müssen, wie jeder andere auch, ihren Container zu Fuß ansteuern. Lediglich die Stars wie Valentino Rossi, Jorge Lorenzo oder Marc Márquez werden von japanischen Sicherheitsleuten in weißen Handschuhen vor den Menschenmassen abgeschirmt - notwendigerweise.

Die Begeisterung der japanischen Fans ist sensationell. Schon am Freitag war das Fahrerlager voll von ihnen. Nach seiner Bestzeit im dritten freien Training schrieb KTM-Pilot Jack Miller geduldig Autogramme und ließ zahlreiche Fotos schießen. Nach 15 Minuten hatte er sich die 20 Meter von seiner Box zum Container durchgeschrieben- und gelächelt. Du hast ja viele japanische Fans. «Ja, scheint so. Das ist großartig», grinste Miller im darauffolgenden Interview.

Menschenmassen und Geschenke

Wenn man im Fahrerlager also eine riesiger Menschentraube sieht, kann man stets rätseln, wer sich in der Mitte verbirgt. Aspar-Pilot Nicky Hayden, der sich durch seinen Honda-Titel 2006 großer Beliebtheit erfreut, signierte sogar die Wange eines japanischen Fans – nicht ohne Skepsis.

Die Fans bemühen sich in Japan besonders um die Fahrer. Sie nehmen nicht nur, sondern geben auch. Sie verschenken kleine selbstgebastelte Kärtchen mit bunten Figuren und Mustern darauf an die Fahrer. Was hat es mit diesen Kärtchen auf sich? «Da sind Süßigkeiten wie Schokolade oder Gummibärchen drin», verriet der deutsche MotoGP-Pilot Stefan Bradl, der ebenfalls reich beschenkt wurde.

Doch abgesehen vom ganzen Trubel neben der Strecke fanden auch noch drei spannende Rennen statt. Jack Miller führte das Moto3-Rennen in der letzten Runde an, als ihm und Ajo-Teamkollege Danny Kent ein Fehler unterlief. Miller fiel auf Rang 5 zurück und liegt im WM-Kampf nun 25 Punkte hinter Sieger Alex Márquez. In der Moto2-Klasse feierte Tom Lüthi einen fulminanten Sieg. Jorge Lorenzo dominierte in der Königsklasse und holte seinen zweiten Sieg in Folge. Doch der Star des Tages war ein anderer: Marc Márquez. Der Spanier verteidigte mit Platz 2 in Japan erfolgreich seinen Titel. Es ist der vierte Titelgewinn in fünf Jahren. Das Repsol-Honda-Team ließ es daher im Motegi besonders krachen.

Ein Samurai übergab Márquez in der Auslaufrunde symbolisch das WM-Schwert. Zurück im Parc fermé waren die Freudenschreie und -gesänge des Repsol-Teams unüberhörbar. Auch bei der anschließenden Pressekonferenz suhlte sich Márquez in der Begeisterung der Medienvertreter.

Einzigartige Erfahrung

Die Andersartigkeit des Grand Prix von Japan war ein Abenteuer und gleichzeitig eine Herausforderung für die ich sehr dankbar bin. Nicht viele europäische Journalisten durften nach Japan reisen. Auch einige Team-Pressesprecher fehlten. Die Möglichkeit, weitab der europäischen Rennstrecken über diesen Sport berichten zu dürfen, war eine große Freude und eine einzigartige Erfahrung.

Das Rennwochenende im Land der aufgehenden Sonne beschrieb Moto2-Sieger Tom Lüthi wohl am besten. «Wir haben hier einfach eine großartige Zeit zusammen. Ich genieße die Überseerennen, denn es ist viel ruhiger. Außerdem freue ich mich auf die Zeit mit den Jungs und werde richtig Gas geben. Hier in Japan ist alles etwas anders.»

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