Moto3-Ass Brad Binder: Setzt er den Siegeszug fort?
«Ich weiß nicht, warum ich es so liebe, Motorrad zu fahren. Diese Leidenschaft hege ich, seit ich ein Kind bin. Ich habe keine Erinnerung daran, wann es begonnen hat, da ich schon immer auf Motorrädern saß. Seit ich alt genug war, fahre ich Rennen. Es ist einfach das Beste», schwärmt Brad Binder über seine Berufung, die für ihn zum Beruf wurde.
Der ehrgeizige Südafrikaner kämpfte sich mit einer klaren Zielsetzung vor Augen durch den Red Bull Rookies Cup in die Weltmeisterschaft. «Ich will eines Tages MotoGP-Weltmeister sein. Zuerst werde ich aber 110 Prozent im Team Red Bull KTM Ajo geben. Ich will mit allen Mitteln um den WM-Titel kämpfen. Das ist mein Ziel», betonte Binder bereits 2015. Nachdem er 2014 auf der unterlegenen Mahindra bereits zwei Podestplätze erzielt hatte, wollte er 2015 im Ajo-Team mit Siegen auftrumpfen. Dies gelang ihm aber nicht. Nach vier Podestplätzen wurde er WM-Sechster. Erst 2016 schlug seine Stunde.
2016: Wie ein heißes Messer durch die Butter
Die Saison 2016 begann Binder mit starken Leistungen, er stand in den ersten drei Rennen auf dem Podest, doch sein erster GP-Sieg blieb ihm verwehrt.
Binders erster GP-Sieg kam spät, aber dafür gewaltig. Beim Jerez-GP 2016 gelang dem Südafrikaner eine Sensation mit der er endgültig bewies, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Nachdem er wegen eines nicht homologierten Mappings auf den letzten Startplatz versetzt worden war, preschte der 21-Jährige im Rennen unaufhaltsam durch das Feld. Binder umfuhr seine Gegner als wären sie Pylonen auf einem Verkehrsübungsplatz. Als er die Spitzengruppe erreicht hatte, gönnte er sich eine kurze Verschnaufpause, schnappte sich dann auch Bulega, Bagnaia und Navarro. Doch auch das reichte Binder noch nicht, er ging auf Nummer sicher und suchte sein Heil in der Flucht, er überquerte die Ziellinie am Ende 3,3 sec vor Nicolò Bulega.
Eine weltmeisterliche Leistung.
Auch der Rest der Saison 2016 verlief überaus erfolgreich. Binder gewann sechs weitere Rennen und stand 14 Mal in 18 Rennen auf dem Podest. In Aragón bewies Binder Nervenstärke und sicherte sich bei seinem ersten Matchball mit einem zweiten Platz den Titel. Am Ende der Saison lag er grandiose 142 Punkte vor dem WM-Zweiten Enea Bastianini. Kein Vergleich zur Zitterpartie zum Titel von Danny Kent im Jahr zuvor. Der Brite lag am Ende nur sechs Punkte vor Miguel Oliveira, der nach dem Silverstone-GP schon 110 Punkte zurückgelegen war.
Binder beendete 2016 die 36-jährige Durststrecke für Südafrika. Zudem ist er der erste Südafrikaner, der den Titel in der Leichtgewichtsklasse sichern konnte.
Nachdem das Ajo-Team mit den Titelanwärtern Luis Salom, Jack Miller und Miguel Oliveira dreimal knapp am Titelgewinn gescheitert war, löste Binders überlegener Siegeszug eine wahre Flut von Emotionen bei der Truppe um Aki Ajo aus. Selbst der sonst so kühl und gefasst wirkende Ajo war überwältigt, als er zitternd vor Freude die ersten Interviews gab. Binder stellte sich in eine Reihe mit Mike di Meglio (2008), Marc Márquez (2010) und Sandro Cortese (2012), die in der kleinsten Klasse jeweils einen Titel für das Ajo-Team gesichert haben.
Moto2: Die Reifeprüfung für Moto3-Weltmeister
Der Freudentaumel über den Titelgewinn war für Binder nach dem Finale in Valencia jedoch bereits wieder vergessen, denn er hatte sich seit dem Aragón-GP bereits auf seine neue Herausforderung vorbereitet: den Moto2-Aufstieg. Bis zum Valencia-GP hatte er dafür durch intensives Training bereits 2,5 Kilogramm zugelegt.
Binder will seine Erfolgsgeschichte mit KTM und dem Ajo-Team in der mittleren Kategorie in den nächsten beiden Jahren fortsetzen.
Bei seinem zweiten Moto2-Test in Valencia folgte jedoch bereits der erste Rückschlag. Am ersten Testtag hat der Moto3-Weltmeister einen Bruch der Speiche erlitten, als er von seiner Moto2-KTM geschleudert wurde und das Bike auf seinen Arm prallte. Da neben dem Bruch der Speiche auch eine Dislokation der Elle am Handgelenk festgestellt worden war, musste Dr. Xavier Mir den Südafrikaner operieren.
«Leider können solche Verletzungen einem Fahrer bereits das Selbstvertrauen für einen Großteil der nächsten Saison rauben», gab Intact-Teamchef Jürgen Lingg nach Binders Sturz in Valencia zu bedenken.
Zum Zeitpunkt seines Sturzes lag Binder mit 1:36,443 min auf dem siebten Rang der Zeitenliste. Damit hatte er 1,682 sec auf die Bestzeit von Takaaki Nakagami eingebüßt. Noch keine überragende Leistung. Teamchef Aki Ajo ist bewusst, dass der Wechsel auch für Binder nicht einfach sein wird. «Bis zu seinem Sturz lief es gar nicht so schlecht, aber natürlich ist der Aufstieg mit Schwierigkeiten verbunden. Natürlich, er hat noch viel Arbeit vor sich. Er muss arbeiten», betonte Ajo.
Die Bilanz der bisherigen Moto3-Weltmeister in der Moto2-Klasse ist enttäuschend. Sandro Cortese, der Moto3-Weltmeister 2012, erreichte in seiner vierten Moto2-Saison nur den 15. WM-Rang mit 61 Punkten. Highlight war ein Podestplatz in Australien. Der 20-jährige Alex Márquez, Moto3-Weltmeister 2014 auf der Estrella Galicia 0,0-Honda, lag nach seiner zweiten Moto2-Saison bei Marc VDS mit 69 Punkten auf dem 13. Gesamtrang. Sein einziges Highlight war der zweite Platz beim Aragón-GP.
Danny Kent, der 2015 den Moto3-Titel auf der Honda des Leopard-Teams gesichert hatte, hat es in den 18 Rennen in seiner zweiten Moto2-Saison, 2013 war er dort bereits für Tech3 unterwegs, nur auf 35 Zähler gebracht und wurde WM-22. mit einem sechsten Platz in Katar als bestes Ergebnis der Saison. Bei Miguel Oliveira, Moto3-WM-Zweiter 2015, sah es in seiner Moto2-Rookie-Saison nicht viel besser aus. Der Portugiese sammelte einen Punkt mehr als Kent und landete damit auf dem 21. Gesamtrang.
Warum manche Stars aus der kleinsten Klasse in der mittleren Kategorie scheitern oder zumindest einige Zeit brauchen, um auch dort die Spitze zu erreichen, hat unterschiedliche Gründe. Die Erwartungen an die Moto3-Stars sind hoch, es kommt zu Stürzen und Verletzungen. Manche Piloten wie Kent oder Cortese brauchten schon in der kleinsten Kategorie Jahre, bis sie sich an die Spitze gearbeitet hatten.
Doch es gibt auch Fahrer, die den Wechsel von der Moto3- in die Moto2-Klasse erfolgreich meisterten. Ihre Namen? Maverick Viñales, Alex Rins und auch Jonas Folger, der in seiner ersten Moto2-Saison zwar nicht gerade mit Konstanz glänzen konnte, aber zwei Podestplätze sicherte und sofort seinen Speed unter Beweis stellte. Bereits beim fünften Saisonlauf in Le Mans hatte er sich die Pole-Position gesichert. 2015 gewann er dann bereits zwei Rennen.
Zu welcher Kategorie Brad Binder gehören wird, bleibt abzuwarten. Doch einiges spricht für den pfiffigen Südafrikaner. Er hat mit der Ajo-Truppe ein erfahrenes Team hinter sich, das Johann Zarco in den letzten beiden Jahren zum Moto2-Titel führte. Binder ist einer der Fahrer, den Aki Ajos strenge, aber ruhige Vorgehensweise beflügelt - anders als Karel Hanika, der im Red Bull Rookies Cup deutlich stärker war als Binder, in der Weltmeisterschaft aber am Druck zerbrach. Wie Binder in Interviews immer wieder betonte, war es die strenge Struktur des Ajo-Teams, die ihm zuvor fehlte, um sein Talent in Erfolge umzumünzen.
Mit KTM kam nun ein weiterer starker Verbündeter in der Moto2-Klasse hinzu. Aki Ajo mahnte zwar, vom KTM-Moto2-Projekt in der ersten Saison nicht zu viel zu erwarten, doch bisher schaffte es KTM noch in jeder Kategorie, der sie sich widmeten, früher oder später an die Spitze.
Dasselbe gilt für Brad Binder. Während er im Red Bull Rookies Cup noch mäßig erfolgreich war (Gesamtrang 7 2011), entwickelte er sich in der Weltmeisterschaft zu einem echten Racer mit unbändigem Kampfgeist, wie nicht nur sein erster GP-Sieg in Jerez bewies. Zudem übt sich Binder in Bescheidenheit: «Wenn ich so weiterarbeite wie bisher, dann werde ich es auch in der Moto2-Klasse schaffen. Ich weiß aber nicht, wie lange es dauern wird.»
Beim Saisonfinale in Valencia 2016 sagte ich zu Brad: «Ich bin richtig stolz auf dich, denn du bist seit unserem ersten Interview damals zu einem echten Champion geworden.» Brad lächelte und antwortete: «Danke. Ich werde alles dafür tun, dass du diesen Satz noch oft wiederholen kannst.»
Ich bin überzeugt, von «Bradical» werden wir noch Großes sehen - auch in der Moto2-Klasse.