MX-Rückblick 2016-8: Ken Roczen sagt MXoN erneut ab

Von Thoralf Abgarjan
Im August kehrt die WM nach 15 Jahren in die Schweiz zurück. Tim Gajser steht vor seinem Titelgewinn und muss die für Assen geplante Meisterfeier verschieben. Roczen schreibt in den USA Geschichte und sagt das MXoN ab.

August 2016: Nach 15 Jahren Abstinenz kehrt die WM in die Schweiz zurück. In verletzungsbedingter Abwesenheit von Jeffrey Herlings begeistert Lokalmatador Jeremy Seewer die Fans mit dem Gewinn der Pole-Position. In den Rennen läuft es für den Schweizer nicht ganz so gut, er muss sich Max Anstie geschlagen geben. Doch auch mit Rang 2 sind die Fans völlig aus dem Häuschen!

Die Stürze von Tim Gajser hat in dieser Saison niemand wirklich gezählt. Aber es sind viele. Auch in Frauenfeld wird der Slowene im ersten Lauf auf den Boden katapultiert und muss mit verbogenem Motorrad erneut das Feld von ganz hinten aufrollen. Er erreicht das Ziel auf Platz 9, während Antonio Cairoli gewinnt. Im zweiten Lauf revanchiert sich der Slowene und bezwingt Cairoli nach einem packenden Duell. Der Italiener gewinnt den Schweiz-Grand-Prix vor Tim Gajser und Romain Febvre.

Max Nagl (Husqvarna) startet im Qualifikationsrennen ohne Handprotektoren. Doch ein Stein fliegt gegen seine linke Hand und bricht seinen Mittelfinger. Der Weilheimer wird an diesem Wochenende 29 Jahre alt, muss unter starken Schmerzen mit getaptem Finger antreten und beendet das Rennen auf Rang 13. Damit verteidigt er immerhin WM-Rang 3, aber Antonio Cairoli kann sich auf Platz 2 wieder etwas absetzen. Doch Nagls dritter WM-Rang ist in akuter Gefahr. Romain Febvre hat bei noch 3 verbleibenden Rennen nur 10 Punkte Rückstand auf Nagl!

Sandkastenspiele in Assen
Ende August findet das letzte WM-Rennen auf europäischem Boden in Assen statt. Wobei 'Boden' eine grobe Verharmlosung der Situation ist, denn am Vormittag geht ein Gewitterguss über dem 'Assen TT Circuit' nieder und verwandelt den künstlich angelegten Sandkasten in einen Extrem-Enduro-Parcours. Selbst Sandspezialist und Rückkehrer Jeffrey Herlings paddelt, strauchelt und muss im ersten MX2-Lauf mehrfach zu Boden.

Allein beim Zuschauen schaudert es einem beim Anblick eines unübersichtlich rauchenden Schlachtfeldes. Viele Piloten geben verzweifelt und erschöpft auf. Das MX2-Feld wird komplett durcheinander geworfen: Führungsarbeit des 15-jährigen Youngsters und Polesetters Jorge Garcia Prado, es folgt Adam Sterry an der Spitze, alles Namen, die bislang in einem WM-Rennen noch nie in Erscheinung getreten waren. Aber auch sie straucheln und fallen zurück. Thomas Covington bleibt cool und gewinnt den ersten Lauf. Ein denkwürdiger Moment, denn es ist tatsächlich das erste Mal, dass Jeffrey Herlings im Sand bezwungen wird. Herlings ist sauer, denn im Qualifikationsrennen ist er mit technischem Defekt ausgefallen und er muss die Rennen folglich von einer schlechten Startposition angehen. Wird sich das Schicksal erneut gegen ihn wenden?

Vor dem zweiten Lauf trocknet die Strecke ab. Unter regulären Bedingungen rückt Herlings das Bild wieder gerade. Doch Youngster Prado zeigt keinen Respekt und kann kontern. Das gefällt Herlings ganz und gar nicht. Er schiebt sich energisch am Spanier vorbei und stellt die Hackordnung mit einer Portion Wut im Bauch wieder her. Mit dem Gesamtsieg von Assen ist am Ende des Tages für 'The Bullet' die Welt wieder in Ordnung. Er ist nach seiner Verletzungspause wieder auf WM-Kurs. Aber von den 'jungen Wilden', Jorge Prado und Bas Vaessen, wird man künftig sicher noch mehr hören. Sie haben in Assen die MX2-Welt gehörig aufgemischt.

Gajsers Meisterfeier vertagt
Schon in Assen könnte Tim Gajser vorzeitig Weltmeister werden. Der Slowene braucht nur noch ein winziges Pünktchen gegen Verfolger Cairoli, um den Sack zuzumachen.

Doch daraus wird nichts.

Auch er wird Opfer der katastrophalen Streckenbedingungen. Im ersten Lauf stürzt er gleich zu Beginn des Rennens, fällt auf Platz 24 zurück und fährt noch auf Platz 12 nach vorne.

Im zweiten Lauf verliert Gajser in einer Rhythmussektion komplett die Kontrolle, reitet wie ein Rodeo auf bzw. neben seiner Honda und trennt sich von seiner Maschine, die unkontrolliert in einen Zaun der Streckenbegrenzung kracht. Der Kupplungshebel ist abgebrochen, der Lenker total verbogen. Gajser muss das Rennen aufgeben, die Meisterschaftsfeier muss verschoben werden. Clement Desalle gewinnt mit einem 2-2-Ergebnis den Grand-Prix. Max Nagl kommt mit den schweren Bedingungen gut zurecht. Der Deutsche erreicht vor Verfolger Romain Febvre das Ziel und kann damit Tabellenrang 3 verteidigen. Vor den beiden letzten Rennen in den USA hat er nun ein Polster von 20 Punkten, das es zu verteidigen gilt.

Ken Roczen und Eli Tomac sagen MXoN ab
«Wir haben keine reale Chance», lässt Ken Roczen aus den USA ausrichten und wird dem Motocross der Nationen zum dritten Mal in Folge fernbleiben. Der Thüringer plant seinen Wechsel von Suzuki zu Honda, was zu diesem Zeitpunkt nur Spekulation, heute aber Gewissheit ist.

Das MXoN gerät so für ihn zur Nebensache.

Eine bittere Pille für den neuen DMSB-Teamchef Wolfgang Thomas, der sich daran messen lassen wollte, den Superstar wieder in die deutsche Nationalmannschaft zu holen, die 2012 in Lommel unter Hubert Nagl so erfolgreich war.

Es ist die Ironie des Schicksals, dass der DMSB-Teamchef die Absage Roczens in Gaildorf genau an jenem Tag verkünden muss, an dem die Lichtgestalt des deutschen Motocross-Sports zum zweiten Mal die US-Nationals für sich entscheidet und sich als erster Nicht-Amerikaner, der diese Meisterschaft mehrmals gewinnt, in die Geschichtsbücher einträgt.

Aber auch das US-Team unter der Leitung von Roger DeCoster muss einen hinnehmen: Sein derzeit bester Mann, Eli Tomac, erteilt dem US-Team ebenfalls eine Absage, wenn auch etwas stilvoller als Roczen. Ryan Dungey fällt wegen seiner Wirbelfraktur ebenfalls für das US-Team aus. Trotzdem haben die Amerikaner im Gegensatz zu den Deutschen genügend Alternativen. Mit Cooper Webb, Jason Anderson und Alex Martin können sie in Italien eine konkurrenzfähige Mannschaft aufstellen, die, wie wir heute wissen, den Titelgewinn äußerst knapp und unglücklich verpassen wird.

Roczen schreibt Geschichte und wird vorzeitig Champion
«Ken Roczen siegt und hat in den USA keine Gegner mehr», titelt SPEEDWEEK.com nach Roczens ungefährdetem Sieg in Unadilla.

Die US-Outdoors verlieren an Spannung. Roczen scheint nur noch im 'cruise mode' unterwegs zu sein, wirkt in der US-Liga völlig unterfordert und fährt von Sieg zu Sieg.

Bereits in Budds Creek gewinnt Ken Roczen zum zweiten Mal nach 2014 die Lucas Oil Pro Motocross Championship und ist damit der erste Nicht-Amerikaner, der diese Meisterschaft mehrmals für sich entscheidet!

Das Saisonfinale in Crawfordsville (Indiana) wird zum Schaulaufen des neuen Champions aus Deutschland. Er gewinnt auch dieses Rennen mit einem klaren 1-1-Ergebnis. Am Ende nimmt er Vizemeister Eli Tomac 86 Punkte in der Meisterschaft ab. Marvin Musquin wird Gesamt-Dritter. Der Franzose wundert sich, dass er als Titelverteidiger von der französischen Föderation nicht für das MXoN nominiert wird. Doch diese hat genügend Auswahl, auch ohne Musquin eine schlagkräftige Mannschaft aufzustellen.

Drama für Jessy Nelson
Der zweite Lauf der 250er-US-Meisterschaft von Unadilla muss nach einem Crash von Jessy Nelson abgebrochen werden. Der Sturz in einer Linkskehre sieht völlig unspektakulär aus, doch er hat fatale Folgen. Nelsons KTM kracht ihm in den Rücken und verletzt Wirbel und Rückenmark. Anfangs besteht noch Hoffnung auf Genesung, doch nach einigen Tagen ist klar: Jessy Nelson bleibt für den Rest seines Lebens querschnittsgelähmt und an den Rollstuhl gefesselt.

Ausreichend krankenversichert ist Nelson nicht. Freunde sammeln mit Charity-Aktionen 'ride for Jessy' Geld, um seine Rehabilitation sowie die Kosten für den behindertengerechten Umbau seiner Lebensumgebung zu finanzieren. 500.000 $ ist das Ziel. Bis zum Jahresende kommen immerhin 234.388 $ zusammen, das sind aber nur knapp 47% des erklärten Ziels.

In Budds Creek gewinnt Cooper Webb vorzeitig die 250er-US-Meisterschaft vor Alex Martin und Joey Savatgy. Austin Forkner gewinnt das Saisonfinale von Crawfordsville und unterstreicht sein enormes Talent. Erst in diesem Jahr ist er aus der Amateurliga ins Profilager gewechselt.


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