Jahresrückblick 2020 (1): Ken Roczen legt vor

Von Thoralf Abgarjan
Ken Roczen übernahm zunächst die Führung in der Supercross-WM

Ken Roczen übernahm zunächst die Führung in der Supercross-WM

Die ersten 10 Läufe der Supercross-WM fanden zu Beginn des Jahres 2020 in den USA statt, doch ab März wird die Welt allein vom Coronavirus beherrscht. Die WM beginnt stürmisch und wird vom Lockdown unterbrochen.

Zu Beginn des zu Ende gehenden Jahres war COVID-19 noch kein Thema. Anfang Januar ahnt noch niemand, dass sich nur wenige Wochen später das Leben der Menschen rund um den Globus grundlegend verändern wird. Die Supercross-WM beginnt ganz regulär am 4. Januar im Angel Stadium von Anaheim vor zehntausenden begeisterten Zuschauern, die den strahlenden Sieger Justin Barcia frenetisch feiern. 450er-Rookie Adam Cianciarulo und Titelverteidiger Cooper Webb komplettieren das Podium.

Der Auftakt von Anaheim sollte für Ken Roczen so etwas wie ein Omen für den Saisonverlauf werden. In der ersten Rennhälfte war der Deutsche voll konkurrenzfähig und auch in Podiumsnähe. In der zweiten Rennhälfte ließ er sichtlich nach und beendete das Rennen am Ende auf Rang 6. Roczens Supercross-Saison wurde schließlich ein Auf und Ab, gekennzeichnet durch zahlreiche gesundheitliche Rückschläge, die eine Folge seiner ungezählten Operationen sind.

Zunächst erlebt der Thüringer aber einen Aufschwung, denn schon in Runde 2 von St. Louis steht er auf dem obersten Treppchen. Er siegt souverän und mit großem Vorsprung. WM-Lauf 3 von Anaheim 2 gewinnt der spätere Champion Eli Tomac, aber Roczen übernimmt an jenem Ort die WM-Führung, wo er am 21. Januar 2017 so folgenschwer stürzte.

Das traumatische Ereignis von Anaheim 2 scheint er dennoch überwunden zu haben. Roczen gewinnt gleich alle 3 Rennen des ersten 'triple crown' events von Glendale (Arizona). Die 3 Siege bringen den Deutschen aber nur wenig voran, denn auch das 'triple crown' Rennen wird als normaler WM-Lauf gewertet. Tomac rangiert zu dem Zeitpunkt auf Rang 2 mit einem Rückstand von 8 WM-Punkten.

In WM-Runde 4 von Oakland kann der Deutsche den späteren Weltmeister Eli Tomac nicht mehr aufhalten. Tomac siegt vor Roczen und verkürzt seinen Rückstand auf 3 Punkte. Roczen wird nervös. Ihm gelingt beim nächsten Rennen in San Diego kein guter Start ins Finale. Zum Glück für Roczen patzt auch Tomac auf P4, so dass der Deutsche seine WM-Führung mit einem Punkt Vorsprung knapp behaupten kann.

In Tampa, WM-Lauf 7, gelingt Roczen erneut kein guter Start. Er stürzt im Finale. Tomac siegt und übernimmt die WM-Führung, die er bis zum Saisonfinale in Salt Lake City nicht mehr aus der Hand geben wird.

Ende Februar geht es zum zweiten 'triple crown' event nach Arlington, bei dem Roczen diesmal aber über die Distanz keinen Rhythmus finden kann. Mit einem 1-7-2-Ergebnis steht er auf Rang 2 der Tageswertung. In der WM ist zu diesem Zeitpunkt aber mit 7 Punkten Rückstand noch alles drin.

Anfang März macht der Tross der Supercross-WM in Atlanta (Georgia) halt. WM-leader Tomac kollidiert mit Webb. Roczen siegt und kann seinen Punkterückstand wieder wettmachen.

Am 7. März gastiert die Supercross-WM auf dem legendären International Daytona Speedway. Niemand ahnt, dass dieses Rennen das letzte sein wird - vor einer monatelangen Pause. Tomac treibt Roczen in einen Fehler, gewinnt und baut seinen WM-Vorsprung wieder auf 3 Punkte aus. Das Coronavirus ist inzwischen längst in den USA angekommen, doch seine Ausbreitung mit exponentiellem Wachstum wird nicht ausreichend ernst genommen. Zunächst herrscht 'business as usual', was sich rückblickend als fataler Fehler erweisen wird. Die Vereinigten Staaten werden das am stärksten von der Pandemie betroffene Land der Erde. Am Ende des Jahres 2020 werden fast 330.000 Amerikaner an oder mit einer COVID-19-Infektion gestorben sein.

Doch US-Präsident Donald Trump hält auch Anfang März die Pandemie noch für eine harmlose Grippe, die nach seiner Meinung spätestens im April vorbei sein wird. In New York muss aber ein Schiffslazarett vorfahren, weil die Bettenkapazitäten längst nicht mehr ausreichen. Die Toten werden in Massengräbern verscharrt. Trump sieht sich gezwungen, Mitte März den nationalen Notstand auszurufen.

Die Situation eskaliert. Am 14. März soll die Supercross-WM in Indianapolis zu ihrem 11. Lauf starten. Die Strecke ist aufgebaut, doch angesichts tausender täglicher Todesfälle wird in letzter Sekunde die Reißleine gezogen. Es folgt eine monatelange Pause. Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, ob und wann die Supercross-WM fortgesetzt wird. Serienvermarkter Feld Entertainment entlässt 900 Mitarbeiter.

Wie wird das Wetter Anfang März in Matterley Basin sein, wenn in Winchester die WM 2020 startet? In der Nacht zum Samstag bricht Sturmtief 'Jorge' über die Insel und hinterlässt auch auf der Rennstrecke eine Spur der Verwüstung. Die Pitlane bricht durch den Sturm komplett zusammen, doch die Rennen können trotzdem stattfinden. Jeffrey Herlings (KTM) gewinnt mit einem 1-2-Ergebnis. Der spätere Weltmeister Tim Gajser stürzt gleich in der ersten Runde und muss das Feld von hinten aufrollen, doch im zweiten Lauf brilliert er mit einem Laufsieg und erreicht das Podium vor Antonio Cairoli (KTM). In der MX2-Klasse übernimmt Jago Geerts (Yamaha) trotz eines spektakulären Sturzes die Führung vor dem späteren Weltmeister Tom Vialle (KTM), der ebenfalls mit Fehlern hadert. Der österreichische MX2-Rookie René Hofer absolviert seine ersten Führungsrunden in der Weltmeisterschaft.

Nur eine Woche später gastiert die WM im niederländischen Valkenswaard. Zu diesem Zeitpunkt ahnt noch niemand, dass es das letzte WM-Rennen auf dem Traditionskurs sein wird. Es ist kalt, nass und sandig, beste Bedingungen für 'The Bullet', Jeffrey Herlings. Doch im Qualifikationsrennen übernimmt Gajser das Zepter. Der slowenische Hartbodenspezialist hat in den Wintermonaten viel im Sand trainiert. Doch seine Honda versagt ihren Dienst. Gajser fällt aus. Er muss von der letzten Startposition in die Rennen gehen und schafft das Unmögliche: Gajser lässt das Gas stehen, wo alle anderen bereits anbremsen, knallt gegen eine Außenbande als Anlieger und befindet sich nach den ersten Kurven bereits innerhalb der Top-10. Noch bevor die erste Runde zu Ende ist, überholt der slowenische HRC-Pilot sowohl Sandkönig Jeffrey Herlings als auch Jorge Prado, der den 'holeshot' gezogen hatte.

Gajser siegt und düpiert damit Jeffrey Herlings. Der Lokalmatador sucht Revanche, startet mit dem 'holeshot' in den zweiten Lauf und kontrolliert diesmal das Rennen von der Spitze aus. Gajser kann das Tempo des 'fliegenden Holländers' als Einziger mitgehen. Herlings und Gajser deklassierten den Rest des Feldes. Der drittplatzierte Arminas Jasikonis (Husqvarna) hat bereits einen Rückstand von anderthalb Minuten. Bis auf Rang 6 (Jeremy van Horebeek) werden alle Fahrer überrundet.

Wenige Tage nach dem Valkanswaard-Grand-Prix, am 11. März, erklärt die Weltgesundheitsorganisation die COVID-19-Epidemie zur weltweiten Pandemie. In Deutschland kommt es zu Hamsterkäufen. Toilettenpapier ist ausverkauft. Italien erklärt das gesamte Land zur Sperrzone. Tschechien, Polen und Dänemark machen die Grenzen dicht. Die Schulen werden geschlossen. An eine Weiterführung der WM ist vorerst nicht zu denken. WM-Lauf 3 in Argentinien wird abgesagt. David Luongo, CEO von Serienpromoter 'Infront Moto Racing', erklärt, dass es in der Motocross-WM keine 'Geisterrennen' ohne Zuschauer geben kann. Heute wissen wir: Alle weiteren Rennen des Jahres 2020 werden 'Geisterrennen'.

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