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Johannes Orasche: «Waldi muss nicht Gottschalk sein»

Von Günther Wiesinger
Eurosport-TV-Kommentator Johannes Orasche über die Beliebtheit von Ralf Waldmann, Pay-TV, die oft heftige Kritik der Fans und den Heim-GP in Spielberg.

Der Kärntner Johannes Orasche (41) war in seiner Heimat für das ORF-Studio Kärnten tätig, machte sich dann als Berichterstatter in der Superbike-WM einen Namen und verstärkt seit Mai 2015 die MotoGP-Mannschaft von Eurosport.

2016 bildete er dort mit Harry Weber und Stefan Nebel das Team in der Kabine, Ralf Waldmann und Jan Stecker berichteten aus der Boxengasse. So wird es auch 2017 ablaufen.

SPEEDWEEK.com hat sich mit Johannes Orasche über Vergangenheit und Zukunft und die Kritik der Fans unterhalten.

Wenn man die Kommentare in den Internet-Foren stöbert: Johannes Orasche erhält viel Zustimmung. Andere Kommentatoren bekommen mehr Kritik ab. Woran liegt das?

Das kann man sicher nicht pauschalisieren. Jeder hat seine Fans und auch Kritiker. Es ist aber klar, dass jeder am Anfang so eines Projekts und dann auch laufend lernen muss. Beim einen ist es vielleicht das TV-Geschäft, beim anderen das MotoGP-Business an sich mit allen seinen Protagonisten.

Ralf Waldmann wird nachgesagt, er habe sich nach anfänglichen Schwierigkeiten gesteigert. Er ist ein Publikumsliebling, er verstellt sich nicht, er ist mit Leidenschaft dabei, seine treuen Fans haben seine vielen starken Rennen und 20 GP-Siege nicht vergessen?

Ja, das ist genau so. Er muss ja nicht moderieren, sondern das Geschehen bewerten – er muss weder Gottschalk noch Claus Kleber sein.

Fakt ist: Die Fans vergessen seine Erfolge und legendären Siege nicht, Gottseidank ist das so. Der Hype zu seinem 50er auf dem Sachsenring war legendär.

Ein anderes Beispiel: Mit Waldi haben wir im heißen Misano im Paddock hinter dem Truck mit den Beinen im Planschbecken schon mal ein Obinger Spezial-Bierchen getrunken, als er bei Reiterberger in der Superstock-Serie als Mechaniker dabei war. Er hat sich sehr gefreut, als wir in Doha über WhatsApp Kontakt mit seinem alten Kumpel Max Biaggi aufgenommen haben.

Er bemüht sich wie Stefan sehr um die deutschsprachigen Talente und grübelt lange, wenn die Jungs mal auslassen.

Warum stehen viele Fans im Motorradsport den TV-Kommentatoren so kritisch und emotional gegenüber? In anderen Sportarten ist das nicht so stark zu spüren. Liegt es an der teilweise mangelhaften Qualität der Motorrad-TV-Berichterstatter?

Ein Grund könnte sein, dass die Motorrad-Racing-Gemeinde im Verhältnis zum Fußball eine eher kleine Gruppe ist. Die meisten Fans würden wohl auch zu Fuß zum Sachsenring pilgern. Es ist oft ein Fan-Kult unter dem Motto: «Das hier ist unser Sport und wir wollen Top-Fachleute vor dem Mikro.»

Im Fußball gibt es hunderte Kommentatoren in Radio und im Fernsehen. Im MotoGP- oder im Motorradsport ist der Pool an Fachleuten wohl an ein paar Händen abzuzählen. Anderseits ist MotoGP auch schon extrem groß, was den Zuspruch weltweit betrifft.

Ich würde das Spektrum in Interessierte und echte, zum Teil fanatische Anhänger einteilen. Es ist ein guter Mix, der aber eben auch fachgerecht bedient werden will. Ich fühle mich geehrt, hier arbeiten zu dürfen und versuche immer alles zu geben.

Wie bereitet man sich auf einen langen Tag in der TV-Kabine vor? Es bleibt ja nicht viel Zeit, um alle Pressemitteilungen zu lesen, mit Fahrern zu sprechen und Pressekonferenzen zu besuchen?

Wichtig ist für mich der direkte Kontakt, auch mit den Leuten im Hintergrund, das ist mitunter wegen vieler Faktoren nicht einfach. Es gibt ja auch manchmal bei uns im Eursport-Team Meetings, die Zeit in Anspruch nehmen. Der Tag will definitiv gut geplant sein. Oft bleibt nur Zeit für einen hastigen Kaffee und ein Brötchen.

Wie sehen Sie die Zukunft von MotoGP im Fernsehen?

Ich will auch neue Fans für unseren Sport begeistern. Daher muss manchmal etwas Boulevard rein, auch lustige oder kuriose Details zu Fahrern, damit die Jungs für die Zuschauer greifbarer werden. Viele GP-Fahrer sind auch privat ein Naturereignis.

In der Formel 1 fehlt das mittlerweile sehr, dabei ist es wichtig für alle Beteiligten und auch für die Sponsoren. Mich fragen auch oft junge Burschen, wie sie in den Rennsport kommen können. Red Bull macht große Arbeit mit dem Rookies-Cup, auch die ADAC-Cups sind wichtig, genauso wie die IDM. Aber es braucht halt schon viel Glück und meist auch Geld, um mal überhaupt dorthin zu kommen.

Gibt es Ansätze für Verbesserungen am Produkt MotoGP?

Dorna macht es nahezu perfekt – Kompliment. Es sind sehr professionelle und enthusiastische Leute. Auch Carmelo Ezpeleta merkt man jedes Mal die Freude und den Stolz an, wenn er neue Deals verkünden kann, zum Beispiel den MotoGP-Einstieg von KTM.

Eine Idee wäre aber eventuell eine Fahrerparade vor den Rennen, wie in der Formel 1. Das wäre für Fans ohne Paddock-Tickets die Chance, Rossi & Co. mal aus der Nähe und ohne Helm zu sehen. Aber der Zeitplan könnte ein Problem sein, weil man dafür am Sonntag wohl mindestens 30 Minuten benötigt.

Welche Rennstrecken sind für die TV-Reporter besonders mühsam? Das sind wohl jene, bei denen sich die Kabinen auf der Tribüne gegenüber der Box befinden? Phillip Island ist wohl ein Gräuel? Welche Pisten verlangen noch weite Fußmärsche zur Box?

Ein echtes Gräuel ist für uns Silverstone. Die Anlage ist geil, aber leider müssen wir außen rum einen unglaublichen Umweg laufen, um vom Fahrerlager in die Kabine bei der Zielkurve zu kommen. Angenehm sind Doha und Austin.

War der Österreich-GP 2016 ein Highlight für den Österreicher Orasche? Dieser Grand Prix bekam ja viel Zustimmung.

Ja, es war Gänsehaut pur. Ich war schon beim KTM-Rollout im Herbst 2015 mit der ganzen Familie an der Piste. Dann auch beim Moto2- und beim MotoGP-Tests im Juli 2016. Es macht einfach Spaß.

Es war auch schön zu sehen, wie viele sich dann doch für MotoGP interessieren. Für meinen Freundeskreis hätte ich am Ring wohl 200 Tickets benötigt. (Er lacht).

Ich hatte es schon geahnt, bin daher auf Nummer sicher gegangen und habe für meinen Vater, Onkel und die Schwiegereltern Tickets unter den Weihnachtsbaum gelegt. Obwohl sie schon Rennen gesehen haben, war es für sie ein besonderes Erlebnis.

Die MotoGP-Fans haben sich jahrelang an Free-TV gewöhnt. Bei Eurosport muss für die Hälfte der Rennen bezahlt werden. Haben Sie Verständnis für den Ärger der Zuschauer? Wie lange wird es noch Free-TV geben für MotoGP?

Klar ist es eine neue Situation. In Großbritannien, Spanien, Italien und Frankreich läuft seit Jahren jedes Rennen im Pay-TV. Man muss sich mal den Aufwand ansehen, mit dem Dorna vor Ort die Bilder produziert. Irgendwo muss das Geld ja hereinkommen. Sponsoren alleine reichen für die Dorna längst nicht mehr, alleine wegen der Mega-Beträge, die die Dorna an die Teams bezahlt. Klar, es wäre besser alles gratis anzubieten, aber dann wäre so eine weltweite Show wie jetzt nicht möglich. Punkt!

Wenn die Akzeptanz dafür steigt, wäre allen geholfen. Die Angebote müssen logischerweise klar und einfach zu erwerben sein. Ich finde zum Beispiel Daily-Pay-per-View interessant. Es gibt Sportsender, die für ein paar Euro sogenannte Tickets (Freischalt-Codes, Anm.) für ein Top-Fußballspiel pro Tag anbieten. Das wäre eventuell für Fans der MotoGP auch eine Option. Anderseits fährt man mit dem derzeitigen Preis für den Eurosport-Player pro Monat definitiv günstiger.

Was erwarten Sie von der Saison 2017? Wie sieht ein WM-Tipp für alle Klassen des Experten aus? Was können die deutschen Fahrer erreichen? Und Tom Lüthi?

Tom ist in der Moto2-WM ein Top-Favorit, da wird er mir selbst wohl nicht widersprechen. Aber man darf die jungen VR46-Leute nicht vergessen. In den vergangenen Jahren hatten Fahrer wie Zarco und Rabat einen Lauf.

Aber Tom hat im Herbst 2016 auch gezeigt, wie er abräumen kann. In der MotoGP wird es ein unheimlich spannendes Jahr. Neue Paarungen, neue Technik ohne Winglets und vieles mehr. Ich hoffe für den Sport, dass Ducati voll dabei ist und es drei Hersteller sind, die um die MotoGP-WM fighten.

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