Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Winglets in der MotoGP: KTM wettert gegen Auswüchse

Von Günther Wiesinger
Nach der MotoGP-Saison 2016 wurden die aussen angebrachten Winglets verboten. Aber die aerodynamischen Auswüchse nahmen bald wieder überhand. Jetzt regt sich Widerstand – auch bei KTM.

Unter den Herstellern in der MotoGP-Weltmeisterschaft regt sich längst Widerstand gegen die aerodynamischen Auswüchse an den 1000-ccm-Vierzylinder-Raketen.

Red Bull-KTM-Teammanager Mike Leitner zählt zu den kritischen Betrachtern der neuen Situation.

Nach der Saison 2016 wurden bekanntlich die aussen liegenden Winglets verboten. Vor einem Jahr tauchten beim Sepang-Test Ende Januar alle renommierten Hersteller mit den neuen Downforce-Verkleidungen mit innen liegenden Winglets auf.

Das neue Reglement hatte also nur dafür gesorgt, dass die einfallsreichen Aerodynamiker der Werke mehr Geld und Manpower investierten, um kreative neue Lösungen mit identischem Abtrieb an die Strecke zu bringen. Nur lagen die Winglets jetzt an der Innenseite der Verkleidung.

Für jeden Fahrer konnten 2017 zwei unterschiedliche «Aero Bodys» homologiert werden, auch die 2016-Verkleidungen ohne äußere Flügel waren erlaubt.

Nur KTM durfte als Neueinsteiger beliebig viele Aero-Updates bringen.

«Die Aerodynamik spielte bisher eigentlich nur im Automobilsport eine Rolle», sagt Mike Leitner. «Im Motorradsport war sie nie von großer Bedeutung. Im Seitenwagensport hat das Interesse auch gelitten, als vor 40 Jahren Rolf Biland mit dem BEO kam.»

Zur Erinnerung: Dieses Fahrzeug sah wie ein zweisitziger Sportwagen aus, der Beifahrer musste die Kiste nur anschieben und sprang dann hurtig auf seinen Sitz.

«Wir sind der Meinung, dass der Trend in die falsche Richtung geht. Wir finden es interessant, dass Marc Márquez 2017 ohne Downforce-Aerodynamik Weltmeister geworden ist, auch Dovizioso hat sie nicht verwendet, Dani Pedrosa hat schon 2016 einen Grand Prix ohne außen liegende Winglets gewonnen», gibt Leitner zu bedenken, der zehn Jahre für HRC tätig war.

Und Doviziso war am Wochenende beim Jerez-GP im Training ohne Winglets genau so schnell wie der beflügelte Lorenzo.

Rossi hat die neuen Verkleidungen vor einem Jahr als «hässlich» abgetan. Jetzt fährt er trotzdem meistens damit. Eigentlich sind sie ein Hobby und eine Idee von Ducati-Konstrukteur Gigi Dall’Igna, der die Winglets an der Desmosedici einführte und die Japaner damit überrumpelte.

Der Vorteil der Winglets, egal ob innen oder aussen angebracht: Sie erzeugen Abtrieb am Vorderrad, pressen es auf den Boden, also passieren weniger Wheelies, das Vorderrad rutscht beim Einbiegen nicht so leicht weg. Das diene der Sicherheit, lautet das durchaus stichhaltige Argument der Befürworter.

«Ducati und andere Hersteller haben die Winglets vor einem Jahr nach innen verlegt, das mussten wir akzeptieren, no problem», lautet die Aussage von Danny Aldridge gegenüber SPEEDWEEK.com. «Die Aero-Vorschriften treten nicht bei den Wintertests in Kraft, sondern wurden erst beim ersten offiziellen GP-Training am Freitag in Katar wiksam. Bis dahin mussten die Motorräder und die Motoren homologiert sein, auch die Aerodynamik. Erst dann bin ich zuständig gewesen.»

Aldridge räumt aber ein: «Die neue Aerodynamik entspricht überall dem Reglement.»

Tatsächlich könnten die Werke und Teams bei den Wintertests sogar noch mit außen montierten Winglets antreten, sie können auch so viel Sprit verheizen wie sie wollen, eine beliebige Anzahl von Motorversionen testen und so weiter.

Das Aerodynamik-Reglement erlaubt den Teams pro Fahrer ein Update pro Saison beim vorderen Kotflügel und bei der Verkleidung, wobei diese Updates nicht gleichzeitig getauscht werden müssen.

Aldridge: «Die Aero-Updates gelten nicht pro Hersteller oder pro Team, sondern pro Fahrer. Ducati kann also theoretisch für die acht Fahrer acht unterschiedliche Versionen homologieren lassen und sie dann in der Saison einmal erneuern. Ein Team konnte zum Beispiel im Vorjahr auch einen 2017er Kotflügel und eine 2016er Verschalung mixen, das ist alles erlaubt. Man kann aber zum Beispiel bei der Verkleidung, die normal aus drei Teilen besteht, nicht oben ein 2018-Modell nehmen und in der Mitte oder unten ein 2017-Modell.»

KTM hat im Vorjahr von der Grand Prix Commission (GPC) eine Ausnahmebewilligung erhalten. «Jedes Werk kann im ersten MotoGP-Jahr so viele ‚Aero Body Evolutions’ bringen wie es will», erläutert Danny Aldridge. «KTM war 2017 als einziger Hersteller das erste Jahr dabei. In diesem Jahr haben sie dieses Privileg nicht mehr.»

Die Japaner (Honda, Yamaha, Suzuki) opponierten 2016 gegen die Winglets, sodass sie für 2017 «aus Sicherheitsgründen» abgeschafft wurden. Dabei hatte es deswegen nier Verletzungen gegeben.

Seither sind dem Einfallsreichtum der Ingenieure keine Grenzen gesetzt. Und jetzt bekommt die japanische Allianz auch Unterstützung von einem europäischen Werk – aus Österreich. Es wird deshalb an einem neuen Aerodynamik-Reglement für 2019 getüftelt.

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