Ducati: Die Motorräder sind besser als das Management

Von Günther Wiesinger
Jetzt hat Ducati die Bescherung. Weltmeister Marc Márquez hat null Punkte, doch statt mit Dovizioso herrliche Erfolge zu feiern, hat sich Ducati mit einem dilettantischen Vertragspoker lächerlich gemacht.

Andrea Dovizioso hat sich im vergangenen Winter von seinem langjährigen Künstlernamen «Desmo Dovi» verabschiedet. Jetzt steht «Dovi Undaunted» auf dem Allerwertesten seiner Lederkombi, so lautet auch der Titel einer eindrucksvollen TV-Dokumentation über den Ducati-Star.

Gut möglich, dass «Dovi» für die MotoGP-Maschine Ducati Desmosedici nicht mehr die Werbetrommel rühren wollte, weil er schon im Winter ahnte, dass er sich das unwürdigen Schauspiel bei den Roten aus Borgo Panigale nicht mehr ewig antun werde.

Ducati Corse hat im Frühjahr die Beförderung von Jack Miller ins Werksteam 2021 bekannt gegeben und Spielberg-Moto2-Sieger Jorge Martin für Pramac als dessen Nachfolger verpflichtet. Dann wurde der Werksvertrag mit Pecco Bagnaia (bisher Platz 7 als bestes MotoGP-Resultat) verlängert. Nur Dovizioso wurde hingehalten. Ducati-CEO Claudio Domenicali nannte Jorge Lorenzo schon vor zwei, drei Monaten als möglichen Joker, obwohl der Mallorquiner seit zwei Jahren nichts gewonnen hat. Auch Zarco und Crutchlow machten sich Hoffnungen, also eine Handvoll Fahrer, die «Dovi» seit Jahren nicht das Wasser reichen können.

Ausgerechnet Dovizioso aber sollte sein Können bei den ersten fünf Rennen beweisen, dann werde man sich an einen Tisch setzen. So lautete der Plan der Roten. Eventuell habe er dann ein paar Siege in der Tasche und sei besserer Laune, war die Meinung bei Ducati.

Bessere Laune, das sollte heißen: Er nimmt eine Gagenkürzung gegenüber 2020 um ca. 50 Prozent in Kauf.

Denn bis Ende August, so die Überlegung der Ducati-Manager, werde kein anderes Sieger-Motorrad mehr verfügbar sein.

Diese Überlegung war richtig. Aber Domenicali, Dall’Igna, Ciabatti und Tardozzi haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn Dovizioso schmiss ihnen am Samstag in Österreich den Krempel hin.

«Es waren seit Monaten keine Verhandlungen mehr im Gange», versicherte Dovi-Manager Simone Battistella gegenüber SPEEDWEEK.com. «Jetzt hat der Fahrer einfach entschieden, die Geschichte mit Ducati per Saisonende abzuschließen, ohne Rücksicht darauf, ob noch ein Angebot kommt oder nicht.»

Dovizioso bezeichnete seinen Entschluss auch nach dem dritten Spielberg-Triumph in vier Jahren als unumstößlich. «An diesem Entschluss ändert sich nichts mehr», versicherte der 34-jährige Italiener, der schon wieder WM-Zweiter ist.

Jetzt haben die Roten den Salat.

Das Ducati-Werksteam wird wohl künftig aus Miller/Bagnaia, Miller/Zarco oder Miller/Lorenzo bestehen. Mit so einer Formation können die Roten gleich daheim bleiben gegen die Fahrerduos Marc Márquez/Pol Espargaró (Honda), Viñales/Quartararo (Yamaha), Rins/Mir (Suzuki) und Binder/Oliveira (KTM).

Da schätze ich sogar das neue Petronas-Yamaha-Kundenteam mit Morbidelli und Rossi stärker ein!
«Dovi» wurde schon oft brüskiert

Andrea Dovizioso hat in den letzten acht Jahren bei Ducati viel in Kauf genommen und sich aufgeopfert. In den ersten Jahren rackerte er sich mit den nicht konkurrenzfähigen Maschinen ab, ohne pausenlos zu schimpfen wie sein erster Teamkollege Cal Crutchlow 2013. Die Desmosedici mit ihrer brachialen Power hatte vorher schon Rossi 2011 und 2012 zur Verzweiflung getrieben.

Aber Andrea lebte in der Hoffnung, der im Oktober 2013 von Aprilia weggelockte Zauberer Gigi Dall’Igna werde irgendwann eine Siegermaschine bauen. Tatsächlich gelang Andrea Iannone beim GP von Österreich 2016 der ersten GP-Sieg seit Casey Stoner 2010. Dovizioso gewann 2016 in Malaysia erstmals auf der roten Göttin aus Bologna.

Aber gegen die überragende Kombination Marc Márquez/Honda war Dovi bei den Titelfights 2017, 2018 und 2019 chancenlos.

Das lag einerseits an der Ducati, die nicht auf allen Strecken (Texas, Jerez, Assen, Sachsenring und Phillip Island blieben Schwachstellen) siegfähig war, anderseits am Fahrer, der wohl nicht zu jeder Zeit in der Liga von Márquez, Viñales oder Lorenzo und Rossi in ihrer besten Zeit spielt.

Ducati engagierte deshalb für 2017 und 2018 den dreifachen MotoGP-Weltmeister Lorenzo, für die Traumgage 12,5 Millionen Euro im Jahr. Das war die erste Misstrauenskundgebung von Ducati Richtung Startnummer 04.

«Dovi» stärkte sich auf mentaler Ebene und etablierte sich nachher über Jahre hinweg als bester Ducati-Werksfahrer.

Ducati offerierte ihm für 2020 erstmals eine ansehnliche Fahrergage von ca. 4 Millionen Euro. Sie wurde aber im April wegen Corona um 40 Prozent reduziert.

Für 2021 sollen im Frühjahr nur 2 Millionen angeboten worden sein, während Marc Márquez bei Honda wohl 15 bis 20 Millionen (so vermutet Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti) im Jahr kassiert. Und Dovi-Manager Battistella, der auch Honda-Superbikie-Star Álvaro Bautista managt, bekam mit: Honda reduzierte die 2020-Gagen um keinen Cent.
Selbst ein WM-Titel wäre jetzt kein wahrer Triumph

Domenicali und Dall’Igna gelten als die treibenden Kräfte für die Vertreibung von «Dovi». Ciabatti und Tardozzi standen eher auf der Seite des Routiniers, der 14 der 50 Ducati-MotoGP-Siege eingeheimst hat.

Ducati hat den Karren in den Dreck gefahren, selbst ein Titelgewinn 2020 mit Dovi wäre ein halbes Trauerspiel, man könnte den Titel nicht richtig ausschlachten, denn Dovi wird nicht mehr für Promotionszwecke zur Verfügung stehen, 2021 würde man keine Nummer 1 im Feld sehen.

Dovi bekam jetzt die Retourkutsche, weil er sich nach dem Deutschland-GP 2019 erstmals erlaubt hatte, sein Fahrzeug öffentlich zu kritisieren.

Es fällt hoffentlich nicht unter Majestätsbeleidigung, wenn wir festhalten: Gigi Dall’Igna führt bei Ducati Corse seit sieben Jahren das Kommando, und selbst mit Lorenzo wurde die WM nicht gewonnen. Dabei ist Ducati seit 2003 dabei.

KTM hat als belächelter Neueinsteiger bereits zu Beginn der vierten Saison einen MotoGP-Sieg gefeiert, und zwar mit einem Gitterrohrstahlrahmen, ein Konzept, das bei Ducati vor mehr als zehn Jahren ins Museum gestellt wurde.

Klar, Dovi-Manager Simone Battistella hat sich beim Vertragspoker augenscheinlich auch verzockt. Er spekulierte zuerst mit einem Deal mit Repsol-Honda, dann hoffte er auf einen Plan B mit Red Bull-KTM. Doch beide Verhandlungen scheiterten an den Geldforderungen.

Jetzt geht Dovi ein Jahr spazieren – oder er zieht sich als Multi-Millionär mit bald 35 Jahren in die Rennfahrer-Pension zurück. Den Abstieg zu Aprilia wird er sich nicht antun, wenn er halbwegs bei Trost ist.

Ob die künftige Ducati-Fahrerpaarung besser sein wird als das aktuelle Duo Dovizioso & Petrucci, der zu KTM abgeschoben wurde, obwohl er womöglich besser ist als die Kandidaten Bagnaia und Zarco, wird sich herausstellen.

Ducati baut prächtige und attraktive Motorräder, für die Serie und für den Rennsport.

Bei der Qualität des Managements und in der Abteilung «Human Resources» bleibt jedoch viel Spielraum für Verbesserungen. Mit Stoner, Lorenzo, Bautista und Dovizioso kamen in zehn Jahren vier Top-Fahrer unter mysteriösen Umständen abhanden.

Jedes Unternehmen muss sich irgendwann von verdienstvollen Mitarbeitern trennen. Aber es ist eine Frage des Stils.

Ein Arbeitsverhältnis mit einem rechtschaffenen Modellathleten kann mit weniger Getöse beendet werden als jetzt bei Ducati.

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