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Gigi Dall’Igna: «Fahrer ist der wichtigste Faktor»

Von Manuel Pecino
Gigi Dall'Igna prägte eine ganze Ära bei Ducati. Der charismatische Ingenieur feierte dank Francesco Bagnaia den langersehnten Fahrer-Titel in der MotoGP-Klasse.

Im Fahrerlager der MotoGP-Weltmeisterschaft herrscht Einstimmigkeit darüber, wenn es um die Frage geht, welches Bike das stärkste ist: Die Ducati Desmosedici.

Ein Verdienst, der einem Mann zuzuordnen ist: Gigi Dall’Igna. Ein charismatischer Ingenieur, der die Leitung der Ducati-Rennabteilung («Reparto Corse») in seinen Händen hält.

Dall’Igna verfolgt ein klares Ziel: Siegen. Das ist sein Antrieb, unermüdlich zu arbeiten und dafür schlaflose Nächte in Kauf zu nehmen. Nicht zu gewinnen ist für Dall’Igna nicht akzeptabel.

Mit dem MotoGP-Weltmeistertitel von Pecco Bagnaia in Valencia hat Dall’Igna die fehlende offene Rechnung beglichen. Seine Bikes waren bereits in den Klassen 125 ccm und 250 ccm und der Superbike-WM erfolgreich. Der Kreis hat sich für Dall’Igna, der wie besessen schien, auch in der MotoGP den Titel zu holen, mit Bagnaias Titel nun geschlossen.

Eigentlich hatte sich Dall’Igna bereits mit Jorge Lorenzo das Ziel Titelgewinn gesetzt. Der Ingenieur überzeugte Audi, den Besitzer von Ducati, ein Vermögen für den Spanier auszugeben. Doch das Ergebnis war nicht wie erwartet, es endete im Fiasko.

Aus dem Ducati-Lorenzo-Fiasko ging ein gestärkter Andrea Dovizioso hervor, der Ducati zu drei Vizeweltmeisterschaften in Folge führte, aber immer von Marc Márquez geschlagen wurde. Doch für Dall’Igna ist Zweiter zu werden gleichbedeutend mit verlieren.

Also änderte er seine Herangehensweise, getreu dem Motto: Wenn ich nicht den besten Fahrer habe, dann gleiche ich es mit dem besten Bike aus. Und dieser Satz führt uns zum Anfang zurück.

Der erste Schritt war es, dem Motor des MotoGP-Bikes ordentlich Power zu verleihen und es zum stärksten im ganzen Feld zu machen.

Als das erzielt war, wurde Schritt zwei eingeleitet: Gewichtsreduzierung. Das Ziel war es, das Bike so leicht zu machen, dass es das erlaubte Minimalgewicht erreicht.

«Es war ein langer Weg, seitdem ich mein eigenes Projekt 2015 gestartet habe. Zu keiner Zeit gab es eine echte Revolution», machte Dall’Igna klar, der nicht an zufällige Lösungen, sondern an methodisches und genaues Arbeiten glaubt. «Wir haben die kleinen Fehler ausgemerzt, die zwar einzeln betrachtet nicht von Relevanz waren, aber in der Summe einen großen Unterschied gemacht haben. Das ist meine Philosophie: Jedem Detail die gleiche Aufmerksamkeit schenken, um am Ende ein perfektes Mosaik zu haben.»

Der langersehnte Titel kam schließlich 2022. Allerdings war das Bike bereits in der Lorenzo-Dovizioso-Ära 2017 äußerst konkurrenzfähig. Auf die Frage, ob die Weltmeisterschaft deshalb schon damals hätte gewonnen werden können, überraschte der italienische Ingenieur mit seiner Antwort: «Unsinn. Der Fahrer ist der wichtigste Faktor. Diese Saison hatte Bagnaia 189 Führungsrunden, Quartararo 76. Die anderen Ducati-Fahrer hatten noch weniger. Das zeigt die Qualität von Bagnaia.»

Bagnaias Titel schloss eine Lücke in der Casa Ducati. Nur einen einzigen MotoGP-Titel hatten die Roten aus Borgo Panigale vorher gewonnen, nämlich 2007 mit Casey Stoner. Valentino Rossi, Jorge Lorenzo und Andrea Dovizioso scheiterten am zweiten Ducati-Fahrer-Titel. Mit einem weniger renommierten Fahrer haben sie jetzt den idealen Mann gefunden, Dall’Igna will aber nichts von Sentimentalität wissen.

«Es gibt keinen idealen Fahrer für Ducati. Mein Ziel war es immer, ein komplettes Bike zu entwickeln, das verschiedene Fahrstile zulässt. Das war dieses Jahr der Fall.»

Neben dem Fahrer-Titel mit Bagnaia hat Ducati diese Saison auch den Konstrukteurs-Titel und die Teamwertung gewonnen. Saisonübergreifend gewann Ducati sogar 16 der letzten 26 Rennen.

«Ich denke nicht, dass wir unser Maximum erreicht haben. Mit acht Fahrern auf der Strecke können wir nächste Saison weiter Fortschritte machen. Aber den Einsatz, den wir leisten müssen, damit jeder Fahrer nächstes Jahr so konkurrenzfähig sein kann wie dieses Jahr, ist enorm.»

Die harte Arbeit hat allerdings auch ihre Kehrseite. Denn Ducati wurde zum Teich, in dem die anderen Marken auf der Suche nach Ingenieuren fischen gehen. Die Diaspora der ausgebildeten Techniker und Ingenieure ist bei der Rennabteilung in Borgo Panigale groß und geht stetig weiter.

Die wohl besten Beispiele sind Alberto Giribuola, der drei Vize-Weltmeisterschaften mit Andrea Dovizioso holte und WM-Dritter mit Enea Bastianini wurde, sowie Cristhian Pupulin, Jack Millers Chefingenieur. Beide sind zu Red Bull KTM abgewandert. Dall’Ignas ehemalige rechte Hand, Fabiano Sterlacchini, ist in Mattighofen bereits «Head of Technology MotoGP».

«Wir akzeptieren diesen Preis», erklärte Dall’Igna. «Seit meiner Ankunft halte ich mich an eine klare Linie: Die Informationen mit allen bei Reparto Corse zu teilen. Unsere talentiertesten Ingenieure verlassen uns? Dann bilden wir andere aus. Es ist die Philosophie unseres Projekts: Auf junge Talente zu setzen und sie zu Weltmeistern zu machen, egal ob sie Fahrer oder Ingenieure sind.»

MotoGP-Ergebnis, Valencia (6.11.):

1. Rins, Suzuki, 27 Rdn in 41:22,250 min
2. Brad Binder, KTM, + 0,396 sec
3. Martin, Ducati, + 1,059
4. Quartararo, Yamaha, + 1,911
5. Oliveira, KTM, + 7,122
6. Mir, Suzuki, + 7,735
7. Marini, Ducati, + 8,524
8. Bastianini, Ducati, + 12,038
9. Bagnaia, Ducati, + 14,441
10. Morbidelli, Yamaha, + 14,676
11. Bezzecchi, Ducati, + 17,655
12. Raúl Fernández, KTM, + 24,870
13. Gardner, KTM, + 26,546
14. Nakagami, Honda, + 26,610
15. Di Giannantonio, Ducati, + 31,819
16. Crutchlow, Yamaha, + 1:28,870 min
17. Alex Márquez, Honda, + 1 Runde
– Miller, Ducati, + 5 Runden
– Zarco, Ducati, + 12 Runden
– Viñales, Aprilia, + 12 Runden
– Marc Márquez, Honda, + 18 Runden
– Pol Espargaró, Honda, + 23 Runden
– Darryn Binder, Yamaha, + 23 Runden
– Aleix Espargaró, Aprilia, + 24 Runden

MotoGP-WM-Endstand (nach 20 Rennen):

1.Bagnaia 265. 2. Quartararo 248 Punkte. 3. Bastianini 219. 4. Aleix Espargaró 212. 5. Miller 189. 6. Brad Binder 188. 7. Rins 173. 8. Zarco 166. 9. Martin 152. 10. Oliveira 149. 11. Viñales 122. 12. Marini 120. 13. Marc Márquez 113. 14. Bezzecchi 111. 15. Mir 87. 16. Pol Espargaró 56. 17. Alex Márquez 50. 18. Nakagami 48. 19. Morbidelli 42. 20. Di Giannantonio 24. 21. Dovizioso 15. 22. Raúl Fernández 14. 23. Remy Gardner 13. 24. Darryn Binder 12. 25. Crutchlow 10. 26. Bradl 2.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 448 Punkte. 2. Yamaha 256. 3. Aprilia 248. 4. KTM 240. 5. Suzuki 199. 6. Honda 155.

Team-WM:

1. Ducati Lenovo Team 454 Punkte. 2. Red Bull KTM Factory 337. 3. Aprilia Racing 334. 4. Prima Pramac Racing 318. 5. Monster Energy Yamaha 290. 6. Suzuki Ecstar 260. 7. Gresini Racing 243. 8. Mooney VR46 Racing 231. 9. Repsol Honda 171. 10. LCR Honda 98. 11. WithU Yamaha RNF 37. 12. Tech3 KTM Factory 27.

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