Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Pit Beirer (KTM): «Wollen keine Prozessionen sehen»

Von Günther Wiesinger
Die neuen Concessions-Vorschriften stossen nur bei Honda und Yamaha auf ungeteilte Begeisterung. KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer nennt die Nachteile und spricht über seine Bedenken wegen des aktuellen Reglements.

Mehr als ein halbes Jahr lang haben die Teamprinzipals, Techniker und Motorsport-Direktoren von Honda, Yamaha, Ducati, KTM und Aprilia mit den Technikern und Managern der Dorna und IRTA heftig über neue Concessions-Vorschriften diskutiert, die von Seiten des WM-Promoters Dorna das klare Ziel hatten, die japanischen Hersteller wieder näher an die Spitze zu bringen, die Gefahr von weiteren Rückzügen (wie bei Suzuki Ende 2022) zu vermeiden und womöglich sogar Marc Márquez als Aushängeschild bei Honda zu halten.

Es wurden unzählige Vorschläge auf den Tisch gelegt und wieder verworfen, denn besonders die Verantwortlichen bei Aprilia und der Pierer Mobility AG (KTM, GASGAS und Husqvarna) wollten, dass auch die überwältigende Vorherrschaft von Ducati beschnitten wird.

«Denn der Punkteunterschied in der Marken-WM zwischen Ducati und KTM sowie Aprilia ist grösser als die Differenz zwischen diesen beiden Werken und den Japanern», stellte Pierer-Mobility-Motorsport-Direktor Pit Beirer schon Anfang September in Misano fest und untermauerte diese Behauptung mit einer entsprechenden Grafik mit dem Stand in der aktuellen Konstrukteurs-WM.

Während Aprilia-Racing-CEO Massimo Rivola schon bei der Dutch-TT in Assen im Juni im Interview mit SPEEDWEEK.com vorschlug, jedes Werk solle maximal zwei Kundenteams beliefern können (Ducati hat seit 2022 wieder drei), verwies Pit Beirer immer wieder auf den Sieg von Honda 2023 in Texas durch Alex Rins und auf den zweiten WM-Rang und die drei Siege von Yamaha-Star Fabio Quartararo 2022. «KTM hingegen hat 2023 keinen MotoGP-Sieg errungen und bekommt keine neuen Concessions», wunderte sich Pit Beirer.

Beirer wies darauf hin, dass das gültige Reglement bei den Japanern wegen zu häufiger Podestplätze in den letzten zwei Jahren keine neuen Concessions erlaubte. 

Beirers Argumente fielen bei der Dorna schließlich auf fruchtbaren Boden, als er im Herbst zusätzlich vorrechnete: «Wir sind zwischen Japan und Malaysia bei vier Rennen am Sonntag dreimal von Yamaha besiegt worden.»

Dazu forderte der 250-ccm-Motocross-Vizeweltmeister von 1999: «Die neuen Concessions-Vorschriften müssen für alle Beteiligten klar verständlich bleiben, auch für die Zuschauer; nur dann kannst du coolen Rennsport gewährleisten. Denn ich finde Rennklassen sehr verwirrend, bei denen von aussen in den Leistungsstand des Materials eingegriffen wird.»

Beirers Nachsatz: «Man sollte lieber darüber diskutieren, wie man die überzogene Aero-Entwicklung wieder wegkriegt und die Devices wegbekommt, um das Werkzeug wieder den Fahrern in die Hand zu geben. Damit auch der Fahrer wieder mehr den Unterschied machen kann und nicht in erster Linie das Material. Man sollte sich eher auf diese Diskussion fokussieren statt die technischen Fortschritte, vor denen wir lautstark gewarnt haben, jetzt mit einem neuen Reglement wieder zum Funktionieren zu bringen.»

Beim Valencia-GP kam schliesslich ein neuer Kompromiss zustande, dem die Werke wegen der Zeitknappheit (die Prototypen für die 2024-Wintertests waren bereits startklar oder im Bau) mit leichtem Murren zustimmten.

Ducati darf 2024 zum Beispiel keine Wildcard-Fahrer mehr einsetzen und muss weniger Testreifen verwenden als 2023. «Aber sie haben schon in der vergangenen Saison nicht alle Testreifen verbraucht, also wird sie diese Vorschrift 2024 nicht hart treffen», hielt Pit Beirer fest.

Und die Japaner haben im Grunde alle Zugeständnisse bekommen, die sich sich gewünscht haben.

Immerhin: Bei mitreissenden Erfolgen werden Honda und Yamaha die neuen Concessions genau so schnell verlieren, wie sie sie bekommen haben.

Irgendwann müsste allerdings nicht nur in der MotoGP-WM die Diskussion angestossen werden, welches System ideal für die Erstellung des Technischen Reglements wäre.

Denn die Verbände verfügen nicht über die Ingenieure und Konstrukteure oder Aerdymik-Spezialisten vom Kaliber der Top-Teams in der Formel 1, Rallye-WM, DTM, Sportwagen-WM, MotoGP, Superbike-WM oder sonstwo. Und die Serien-Promoter verfolgen in erster Linie kommerzielle Interessen, die Hersteller hingegen haben individuelle Vorlieben, je nach Innovationskraft ihrer Konstrukteure, die nicht unter einen Hut zu bringen sind.

«Ja, die Werke werden sich nie einig», räumt Pit Beirer ein. «Denn in jeder Diskussion steht immer das Eigeninteresse des Herstellers im Vordergrund. Er will das im Reglement unbedingt drin haben, was er an technischen Neuheiten kurz vor der Fertigstellung hat. Das findet er super und fair. Und die Bereiche, bei denen er im Rückstand ist, die will er weg haben. Die Werke werden sich in diesem Sinne untereinander nicht fair regulieren. Deshalb muss sich ein starkes Gremium zwischen Weltverband und Serien-Promoter darüber Gedanken machen. Wir haben das bis Ende 2023 gültige Concessions-Reglement für gut und sinnvoll gehalten und hätten keine neuen Vorschriften gebraucht. Uns wäre lieber gewesen, darauf zu achten, dass die technische Entwicklung nicht in die falsche Richtung gesteuert wird.»

Nachsatz von Pit Beirer im Interview mit SPEEDWEEK.com: «Das aktuelle Reglement hat bei den letzten Grand Prix bei einigen Fabrikaten und Bikes die Nachteile des 2023-Reglements klar zum Vorschein gebracht. Die Fahrer erzählen inzwischen täglich, dass sie nicht mehr überholen können, dass sie durch die wuchtigen Flügel am Ende der Geraden angesaugt werden und sich verbremsen, dass die Vorderreifen überhitzen und so weiter. Und wir wollen als Werk natürlich nicht erleben, dass diese genialen Motorräder wie bei einer Prozession hintereinander herfahren.»

Das überlassen die MotoGP-Hersteller lieber den Kollegen aus der Formel 1, wo jedes gelungene und unbestrafte Überholmanöver gefeiert wird wie ein völlig unerwartetes Wunder. 

Ergebnisse MotoGP-Rennen Valencia (26.11.):

1. Pecco Bagnaia (I), Ducati, 27 Runden in 40:48,525 min
2. Johann Zarco (F), Ducati, +0,360
3. Brad Binder (ZA), KTM, +2,347
4. Fabio Di Giannantonio* (I), Ducati, +3,176 sec
5. Raúl Fernández (E), Aprilia, +4,363
6. Alex Márquez (E), Ducati, +4,708
7. Franco Morbidelli (I), Yamaha, +4,736
8. Aleix Espargaró (E), Aprilia, +8,014
9. Luca Marini (I), Ducati, +9,486
10. Maverick Viñales (E), Aprilia, +10,556
11. Fabio Quartararo (F), Yamaha, +12,001
12. Takaaki Nakagami (J), Honda, +21,695
13. Lorenzo Savadori (I), Aprilia, +43,297
14. Pol Espargaró (E), KTM
– Alex Rins (E), Honda, 19 Runden zurück
– Jack Miller (AUS), KTM, 18 Runden zurück
– Enea Bastianini (I), Ducati, 9 Runden zurück
– Augusto Fernández (E), KTM, 9 Runden zurück
– Marc Márquez (E), Honda, 5 Runden zurück
– Jorge Martin (E), Ducati, 5 Runden zurück
– Marco Bezzecchi (I), Ducati, erste Runde nicht beendet

*= 3-Sekunden-Strafe (Reifendruck-Vergehen)

Ergebnisse MotoGP-Sprint Valencia (25.11.):

1. Martin, Ducati, 13 Runden in 19:38,827 min
2. Binder, KTM, +0,190 sec
3. Marc Márquez, Honda, +2,122
4. Viñales, Aprilia, +3,106
5. Bagnaia, Ducati, +4,253
6. Di Giannantonio, Ducati, +4,400
7. Bezzecchi, Ducati, +4,502
8. Alex Márquez, Ducati, +5,578
9. Zarco, Ducati, +5,910
10. Augusto Fernández, KTM, +6,095
11. Raúl Fernández, Aprilia, +7,674
12. Miller, KTM, +8,098
13. Aleix Espargaró, Aprilia, +9,513
14. Pol Espargaró, KTM, +12,453
15. Bastianini, Ducati, +12,599
16. Nakagami, Honda, +13,787
17. Marini*, Ducati, +13,887
18. Morbidelli*, Yamaha, +14,943
19. Rins, Honda, +20,378
20. Savadori, Aprilia, +25,017
– Quartararo, Yamaha, 9 Runden zurück

*= 3-Sekunden-Strafe (Reifendruck-Vergehen)

MotoGP-WM-Endstand nach 39 Rennen:

1. Bagnaia, 467 Punkte. 2. Martin 428. 3. Bezzecchi 329. 4. Binder 293. 5. Zarco 225. 6. Aleix Espargaró 206. 7. Viñales 204. 8. Marini 201. 9. Alex Márquez 177. 10. Quartararo 172. 11. Miller 163. 12. Di Giannantonio 151. 13. Morbidelli 102. 14. Marc Márquez 96. 15. Bastianini 84. 16. Oliveira 76. 17. Augusto Fernández 71. 18. Nakagami 56. 19. Rins 54. 20. Raúl Fernández 51. 21. Pedrosa 32. 22. Mir 26. 23. Pol Espargaró 15. 24. Savadori 12. 25. Folger 9. 26. Bradl 8. 27. Pirro 5. 28. Petrucci 5. 29. Crutchlow 3.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati, 700 Punkte. 2. KTM 373. 3. Aprilia 326. 4. Yamaha 196. 5. Honda 185.

Team-WM:

1. Prima Pramac Racing, 653 Punkte. 2. Ducati Lenovo Team 561. 3. Mooney VR46 Racing 530. 4. Red Bull KTM Factory Racing 456 5. Aprilia Racing 410. 6. Gresini Racing 328. 7. Monster Energy Yamaha 274. 8. CryptoDATA RNF 134. 9. Repsol Honda 122. 10. LCR Honda 116. 11. GASGAS Factory Racing Tech3, 95.

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