Martin (Aprilia): Deshalb stürzte er in Spielberg

Jorge Martin wollte in Österreich zu viel, in Ungarn will er es anders machen
In Spielberg erlebte Weltmeister Jorge Martin ein turbulentes Rennwochenende. Zunächst hatten er und Aprilia-Teamkollege Marco Bezzecchi einen schwierigen Trainingsfreitag. Mit der RS-GP waren die beiden Werksfahrer auf dem Red Bull Ring nicht konkurrenzfähig. In der Nacht auf Samstag schufteten die Ingenieure und Mechaniker des italienischen Herstellers, um das Bike besser abzustimmen. Die Arbeit machte sich bezahlt, Bezzecchi holte sich die Pole-Position.
Für Martin war nur Startplatz 14 drin, im Sprintrennen wurde er Zehnter. Im Grand Prix erlebte der «Martinator» dann eine Schrecksekunde, als er zur Rennhälfte in Kurve 7 stürzte – sein schmerzverzerrtes Gesicht ließ zunächst Böses erahnen, kurz danach kam dann die Entwarnung aus dem Medical Center. Es war sein zweiter Crash in Spielberg nach dem Zeittraining am Freitag.
Waren die Stürze in Spielberg eine Warnung, dass er vorsichtiger sein muss? «Es liegt an mir selbst – ich weiß, dass ich ruhiger sein muss. Aber Stürze sind wichtig, um das Limit des Bikes zu verstehen. Das ist Teil des Prozesses», meinte Martin vor dem Rennwochenende auf dem neuen Balaton Park Circuit in Ungarn.
Martin meinte beim Österreich-GP, dass er mit der Aprilia immer besser zurechtkommt, ihm aber wichtige Rennstreckenkilometer fehlen, um mehr Vertrauen in das Motorrad zu kommen. In den Rennen in Spielberg konnte man sehen, dass er viel von seinem guten Gefühl für ein MotoGP-Bike zurückerlangt hatte. «Ich habe das Vertrauen, muss aber das Motorrad noch besser kennenlernen – vor allem, was den Vorderreifen anbelangt», musste sich der 27-Jährige eingestehen. «Am Sonntag (in Spielberg) war es sehr schwer, das Motorrad auf der Geraden abzubremsen und ich konnte nicht überholen. Am Ende wollte ich aber zu viel. Am Samstag hatte ich hingegen keine Erwartungen und ich konnte viele Fahrer überholen. Dass Rennen war für mich sehr kurz, ich wollte mehr Runden fahren. Ich dachte mir, dass ich die Pace für die Top-6 habe. Ich spekulierte damit, dass wenn ich mich am Sonntag nach dem Start in der ersten Runde auf Platz 8 vorarbeiten und dann noch einige überholen könnte, ich das Rennen in den Top-5 beenden würde. Das war meine Einstellung. Ich war sehr erwartungsvoll und übermotiviert für das Rennen. Dann schaukelte sich alles auf, die anderen überholten mich und das war ein großes Problem. Das zweite Problem war, dass ich 14. war. Ich habe in den letzten vier Jahren Rennen gewonnen und Podestplätze erzielt – dann ist es schwierig zu sagen: ‘Ich versuche, einfach das Rennen zu beenden.’ In so einer Situation möchte ich die Fahrer vor mir einholen – das war der Grund für meinen Crash.»
«Es ist jetzt an der Zeit, das zu verstehen. Ich muss zu mir sagen: ‘Jorge, es ist dein drittes Rennen mit Aprilia und du fährst Rennen gegen die Besten der Welt, die bislang die gesamte Saison gefahren sind.’ Ich benötige Zeit, das Ganze ist Teil des Prozesses», war Martin nachdenklich. «Ich muss mich auf mich selbst konzentrieren, und nicht darüber denken, ob ich Vierzehnter, Fünfter oder Sechster werde. Ich will nicht auf das Ergebnis schauen und darauf den Fokus legen, wo ich schnell sein muss. So kann ich mich auf die nächste Saison vorbereiten – um dann zu gewinnen.»
An diesem Wochenende findet die MotoGP-Premiere auf der neuen Rennstrecke am Plattensee statt. Alle Fahrer beginnen dort bei null – eine Chance? «Hier ist es wichtig, dass ich keinen Vergleich mit einem anderen Motorrad habe. In Österreich bin ich im FP1 wie mit der Ducati gefahren, aber ich habe keine Ducati. Ich muss die stärksten und auch die schwächsten Punkte des Bikes zuerst verstehen – aus diesem Wissen muss ich profitieren», erklärte der Spanier. «Ich möchte hier zuerst einfach nur fahren und verstehen, was ich brauche, um mit der Aprilia schnell zu sein. Das wird mir helfen, um die Lücke zu den Top-Jungs zu schließen.»
Teamkollege Marco Bezzecchi konnte in den letzten Rennen konstant Top-Ergebnisse einfahren. In Spielberg startete er von der Pole-Position und erzielte die Ränge 4 und 3. Was kann sich Martin vom Italiener abschauen. «In Österreich war es eigentlich nur das Qualifying. In den Daten konnte man sehen, dass er in ein, zwei Kurven eine halbe Zehntelsekunde schneller war als ich. Laut den Daten sind wir aber sehr ähnlich – das gibt mir Zuversicht, ich bin dabei», gab Martin zu verstehen. «Was er besser macht, ist, das Wochenende richtig anzugehen und zu verstehen, wo man pushen kann und wo nicht. Ich weiß immer noch nicht, wo das Limit des Bikes auf eine Runde ist. Wenn ich versuche zu pushen, bekomme ich Probleme und ich habe Bewegungen im Motorrad. Ich muss mir vielleicht zwei separate Setups für die Zeitenjagd und das Rennen zurechtlegen. Aber wie ich schon sagte, benötigt es Zeit, um all diese kleinen Dinge zu verstehen. Am Ende macht Marco einen fantastischen Job. Es ist gut, dass er vorne mitfährt, denn wenn wir beide um Platz 14 herumfahren würden, wäre es ein Desaster. Mein Ziel ist es, mich zu verbessern und näher an ihn heranzukommen.»