Stefan Bradl: «Márquez hat uns alle entzaubert»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl wurde spätestens beim Katar-GP 2011 bewusst, dass Marc Márquez ein besonderes Kaliber ist. Trotzdem hat ihn dessen Performance 2013 überrascht.

Stefan Bradl fliegt heute von München nach Marseille, um dann eine Woche lang beim dreifachen MX3-Weltmeister Yves Demaria Motocross, Supermoto und Flat-Track zu fahren. «Die Rennradklamotten habe ich auch eingepackt», erklärte der LCR-Honda-Pilot, der bisher im Winter immer auf Offroad-Training verzichtet hat.

Aber nach einem achten und einem siebten WM-Rang in der MotoGP-Klasse will sich der 24-jährige Bayer unbedingt deutlich steigern. Für 2015 laufen alle Verträge aus, es wird ein grosses Sesselrutschen geben.

Rossi hört vielleicht auf, Pedrosa dürfte Repsol-Honda nach neun Jahren verlassen, Suzuki sucht zwei Fahrer für das Comeback, auch bei Ducati werden ein bis zwei Plätze frei.

Und Talente wie Bradley Smith und Pol Espargaró drängen nach, Aleix Espargaró sitzt auf einer M1-Yamaha, Ducati wird irgendwann stärker werden. Stefan Bradl muss also seine Schwachstellen ausmerzen, wenn er Pedrosa und Rossi näher rücken und in der WM einen Platz zwischen 3 und 5 anstreben will.

Stefan, Kevin Schwantz hatte einst den grossartigen Wayne Rainey zu bekämpfen, deshalb gewann er nur einen 500-ccm-WM-Titel. Du hast mit Márquez und Lorenzo zumindest zwei Gegner, die 2014 unantastbar bleiben werden. Wäre Weltmeister Marc Márquez jetzt nicht in der MotoGP, wärst du der beste Fahrer der neuen Generation! Crutchlow, Bautista und Co. sind alle älter als 27.

Ja, das kann man sich halt nicht aussuchen, in welcher Zeit man fährt. Das muss man nehmen, wie es ist. Ich habe es ja schon oft erwähnt: Márquez hat nicht nur mich entzaubert, sondern alle, die jetzt vorne mitfahren. Rossi, Pedrosa, Lorenzo... Er hat auch die langjährigen Dominierer aus dem eigenen Land in dieser Szene besiegt.
Márquez hat in der MotoGP eingeschlagen wie eine Bombe. Er wird mit Sicherheit auch über die nächsten Jahr das Mass der Dinge sein.

Solche Überflieger hat man auch in anderen Sportarten erlebt. Hermann Maier im Skisport, Lance Armstrong im Radsport, Tiger Woods im Golf. Aber irgendwann werden ihre Methoden kopiert, die Gegner rücken näher. Was zeichnet Márquez aus? Was kann man sich abschauen?

Das ist schwierig. Denn jeder MotoGP-Fahrer trainiert alleine und kocht sein eigenes Süppchen. Daher weiss ich nicht genau, was er anders macht. Intuitiv würde ich sagen, dass er ein unheimliches Gefühl für das Motorrad hat und beim Speed von Null weg mit jedem Gerät zurechtkommt.

Bei Márquez wirkt alles spielerisch. Er handhabt das 260-PS-MotoGP-Honda-Bike genau so respektlos wie ein Pocketbike. Márquez scheint angstfrei zu sein, er fliegt mit 340 km/h runter und steigt zwei Stunden später quietschvergnügt wieder auf. Nur wenn er – wie in Silverstone – im Warm-up eine Schulterluxation erleidet, gibt er sich widerwillig mit Platz 2 zufrieden.

Ja, sicher hat er das eine oder andere Mal eine ordentliche Portion Glück gehabt. Aber im Nachhinein hat er das alles durch seine Leistung wieder bestätigt. Er ist ein unglaubliches Talent. Bei ihm passt alles zusammen.

Die Risikobereitschaft hat Marc auch in neue Sphären hochgeschraubt. Feindberührungen gehören jetzt zum MotoGP-Alltag. Auch wenn sie den Teamkollegen betreffen.

Die Fahrweise von Márquez sieht spektakulärer aus als bei anderen Fahrern. Das hat mit dem Fahrstil zu tun, mit der Ellbogenschleiferei. Er sitzt anders auf dem Motorrad drauf. Es wackelt mehr. Das ist bei jedem Fahrer unterschiedlich.
Beim Stoner hat es auch oft stark gewackelt, er hat es durchgezogen. Bei Rossi und Lorenzo sieht das alles sehr smooth und weich aus, ist aber fast genau so schnell. Da hat jeder seinen eigenen Stil.
Dem einen macht es nichts aus, wenn es ein bisserl wackelt. Der andere möchte es lieber smooth und weich.

Dein Papa Helmut hat dir empfohlen, den Márquez-Fahrstil teilweise zu kopieren. Márquez fährt mit den abgefahrenen Reifen weniger Schräglage, er ändert dann die Linien.

Es ist nicht so einfach, so einen Fahrstil zu kopieren. Ich kann mich jetzt nicht auf das Motorrad setzen und sagen: Jetzt fahr ich so wie der Márquez. Das geht nicht, weil ich einen komplett anderen Fahrstil habe, so wie jeder Mensch einen anderen Charakter hat.
Was mich fasziniert hat: Ich bin nach zwei Jahren noch nicht so gut wie er bei den ersten zwei, drei Rennen. Im letzten Renndrittel hat er mit den abgefahrenen Reifen oft noch sehr gute Rundenzeiten erreicht. Das ist bewundernswert. Dass er sich da so rasch auf eine neue Fahrsituation eingestellt hat. Das ist beeindruckend. Denn Rossi, Pedrosa und Lorenzo haben mit diesen Reifen mindestens fünf Jahre mehr Erfahrung. Dann kommt Márquez – und stellt die Erfahrung dieser Spitzenleute komplett auf Null. Als würde diese Erfahrung gar nicht zählen.

Im Nachhinein wertet diese Situation aber deinen Moto2-Titelgewinn 2011 auf. Denn Márquez war 2010 (125 ccm), 2012 (Moto2) und 2013 (MotoGP) Weltmeister. Du bist der einzige, der ihm eine WM-Niederlage zugefügt hat?

Ja, wenn man Marc in den letzten Jahren beobachtet hat, dann fällt auf: Als er von der 125er in die Moto2 aufgestiegen ist, war er vom ersten Meter an mit der Suter extrem schnell.
Er war 2011 im ersten Qualifying beim Saisonauftakt in Katar Zweiter. Ich habe mir die Zähne ausgebissen, um ihn im Quali zu besiegen. Ich habe mir damals gedacht: Das kann ja nicht sein, dass ein Rookie, der von der 125er-Klasse hochkommt, gleich im ersten Moto2-Rennen Pole-Position fährt. Also habe ich mich ordentlich angestrengt. Ich glaube, meine Bestzeit von damals besteht heute noch.
Er ist dann im ersten Rennen mehrmals runtergefallen. Auch in Katar. Er hat bei den ersten Rennen noch Fehler gemacht. Da war er einfach noch jünger... Er hat aber sehr viel daraus gelernt. In der MotoGP hat Marc kaum Fehler gemacht.
Wie gesagt: Er war in der Moto2 auch von Anfang an brutal schnell. Er hat Siege errungen und Pole-Positions.

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