Matthias Dolderer: «Ich fliege lieber über Land»

Von Günther Wiesinger
Matthias Dolderer ist der einzige deutsche Pilot im Aufgebot für die Red Bull Air Race-WM 2014. Er spricht über den Reiz und die Gefahren dieses Sports.

Matthias Dolderer hat bisher ibei den Red Bull Air Races einen Podestplatz (Barcelona) erreicht. Er betreibt in Tannheim bei Memmingen einen eigenen Flugplatz und zählt zu den besten Kunstfliegern der Welt.

Matthias, bei den Red Bull Air Races kam es äusserst selten zu Zwischenfällen. Du hast die Sicherheitsmassnahmen als vorbildlich bezeichnet. Der Brasilianer Adelson Kindelmann ist in Perth/Australien 2010 mit dem Flügel ins Wasser getaucht.

Ja, das war mit Ansage. Kindelmann ist damals in Abu Dhabi sein erstes Rennen geflogen. Er hat insgesamt recht wenig Kunstflugerfahrung gehabt. Fast jeder von den aktiven Piloten war in Abu Dhabi beim Race Director und hat gesagt: Nehmt den raus aus dem Feld, das hat keinen Wert.
Dann kamen wir nach Perth. Dort haben wir ein «Unterwasser Survival Training» gehabt; wir wurden festgeschnallt, dann wurden wir untergetaucht, wir mussten uns losschnallen. Dabei muss man die Ruhe bewahren. Das war ein richtig geiles Training.
Wer hat durchgedreht? Der Brasilianer!
Am Abend vor seinem Zwischenfall bin ich wieder zum Race Director gegangen. Ich habe ihm gesagt: Pass auf, da passiert was mit dem. Am nächsten Tag ist er ins Wasser gefallen. Das hat jeder geahnt. Aber man hat nicht auf uns gehört. Das war natürlich schade. Das war der einzige schwerwiegende Vorfall.
Dazu hat Matt Hall in Kanada auf dem Wasser einen Touch-and-Go gemacht. Das war überflüssig wie ein Kropf. Solche Vorfälle passieren immer wegen mehreren Umständen. Der Matt Hall war in Windsor/Kanada komplett überlastet. Der war auf 180.
Bei dieser Pylone, wo man so scharf rumfliegen musste, hat man am Tag vorher drüber diskutiert, ob man diese Stelle wegnimmt oder nicht. Sie wurde dann weggenommen. Der Kurs war trotzdem interessant und supergeil zum Fliegen.

Wegen Hannes Arch gab es in Windsor auch Aufregung?

Hannes hat einen Pylonen-Einschlag gehabt. Da hat er zu viel von sich erwartet. Er hat es übertrieben. Das wäre vermeidbar gewesen.
Manchmal muss man die Piloten am Schopf packen und ihnen sagen: Bis hierher und nicht weiter!
Aber es ist klar: Sobald du in den Flieger einsteigst, ist Rennen. Und jeder will am schnellsten sein. Das ist klar. Sonst braucht man gar nicht loslegen.
Aber wenn ein Pilot auf Grund seines Fehlers das Projekt Air Race gefährdet, ist das ärgerlich.

Beim Air Race in Monument Valley (USA) waren die Athleten wegen Black-outs gefährdet?

Du hast dort eine Wahnsinns-Dichtehöhe. Du fliegst bei dieser Hitze theoretisch auf 6000 oder 7000 Fuss Dichtehöhe. Oder 8000. Da musst du natürlich körperlich gut beieinander sein.
Das wird jetzt entschärft, indem es bei den Air Races kein «Quattro» mehr gibt und kein «knife edge», das ist Messerflug, 90 Grad Schräglage. Wir sind mit diesem «knife edge» durch die roten Pylonen durchgeflogen. Das wird es nicht mehr geben. Es wird wichtig sein, dass das Track-Design tadellos funktioniert. Einzelheiten dazu bekommen wir demnächst zu hören.

Und das neue Limit mit 10 statt 12 G – müssen das die Track-Designer berechnen?

Mit dem Kursbau hat die Fliehkraft nichts zu tun. Wie viele G du ziehst, für das ist alleine der Pilot verantwortlich.
Aber wegen des höheren Gewichts und der wesentlich geringeren Leistung wird sich das so einpendeln, dass du gar nicht mehr als 10 G ziehen kannst, weil sonst der Flieger «stallt».
Wir werden voraussichtlich die Geschwindigkeiten, die wir 2010 hatten, nicht mehr erreichen. Zudem wird ja die Propeller-Drehzahl auf 2750/min limitiert. Die war bisher offen.
Wenn du 2880/min drehst, drehen die Blattspitzen Überschall und der Wirkungsgrad sinkt; der Propeller wirkt also dann nicht mehr effektiv. Und Motorenhersteller Lycoming sagt: Wenn ihr eine Garantie auf die Motoren haben wollt, dann beschränkt euch auf 2750/min.
Als Hannes Arch diesen Einschlag in Windsor hatte, konnte er sich nur retten, weil er so eine brutale Motorleistung zur Verfügung hatte.
2014 müssen die Piloten mit weniger Leistung und einem schwereren Flugzeug klarkommen.
Man muss seinen Flugstil darauf anpassen. Theoretisch muss man auch mit 200 PS klarkommen.
Und wie gesagt: Ich habe mich beim Red Bull Air Race noch nie unsicher oder gefährdet gefühlt.

Was passiert eigentlich, wenn am Motor im Flugzeug im Wettkampf ein Defekt auftritt? Dann muss man im Gleitflug zurück zur Pit Lane, zum Ausgangsflughafen?

Ja, normalerweise hast du ja eine relativ hohe Geschwindigkeit, so dass du noch umdrehen oder eine Kurve fliegen kannst. Wenn du mit 180 Knoten im Rennkurs bist, also mit 340 km/h fliegst, oder mit 300, kommst du im Geradeaus-Flug noch 1,5 km, schätze ich.

Es war einmal die Rede davon, dass Formel-1-Konstrukteur Adrian Newey ein Karbon-Monocoque für die Air-Race-Flieger bauen soll. Wäre das wünschenswert?

Schwer zu sagen. Jeder Sicherheitsaspekt ist fordernd. Ein Flugzeug kannst du nicht mit einem Auto vergleichen. Bei einem Flugzeug hast du zum Beispiel Kabel vom Seitenruder, die von vorne nach hinten gehen. Dann hast du eine Stange, die von vorne nach hinten geht, für das Höhenruder. Und du hast Stangen, die nach links und rechts rausgehen, für die Querruder.
Wenn du ein Monocoque baust für ein Flugzeug, musst du eigentlich das Flugzeug um das Monocoque bauen. Wir haben drei bis vier verschiedene Flugzeugtypen im Einsatz. Da müsste man in jedem Flugzeug ein Monocoque integrieren.
Bei uns in der Luftfahrt ist es so, dass du keinen Reifenstapel und kein Kiesbett hast, was Energie wegnimmt, wenn etwas passiert. Es heisst ja: «It is not the speed that kills you, it is the sudden stop.»
Wenn du dich also irgendwo einbohrst, sagen wir mit 300 km/h, und es bremst dich nichts Schritt für Schritt, weil es nichts gibt, was Energie wegnimmt, denn es gibt ja keine Knautschzone... Selbst wenn dein Körper beieinander bleibt, hast du immer noch das Problem, dass es deine Organe nicht aushalten.

Fliegst du lieber über Wasser oder lieber über Land?

Das spielt keine Rolle. Vom «safety aspect» her fliege ich lieber über Land. Weil ich eine Notlandung auf Land wegen Motorproblemen wahrscheinlich eher unbeschadet hinter mich bringe als über Wasser. Wenn du über Wasser fliegst und die Location irgendwo mitten in der Stadt ist, musst du aufs Wasser gehen. Dann hast du keine andere Option.

AirRace Kaender 2014

 


Die Red Bull Air Race Champions

Jahr 1. 2. 3.
'03 Peter Besenyei (H) Klaus Schrodt (D) Kirby Chambliss (USA)
'04 K. Chambliss (USA) Peter Besenyei (H) Steve Jones (GB)
'05 Mike Mangold (USA) Peter Besenyei (H) K. Chambliss (USA)
'06 K. Chambliss (USA) Peter Besenyei (H) Mike Mangold (USA)
'07 Mike Mangold (USA) P. Bonhomme (GB) Peter Besenyei (H)
'08 Hannes Arch (A) P. Bonhomme (GB) K. Chambliss (USA)
'09 P. Bonhomme (GB) Hannes Arch (A) Matt Hall (AUS)
'10 P. Bonhomme (GB) Hannes Arch (A) Nigel Lamb (GB)


Erfolgreichste Red Bull Air Race-Piloten

Pos Pilot Siege
1. Paul Bonhomme (GB) 13
2. Mike Mangold (USA) 9
3. Peter Besenyei (H) 8
Kirby Chambliss (USA) 8
5. Hannes Arch (A) 7
6. Steve Jones (GB) 2
Nicolas Ivanoff (F) 2
8. Michael Goulian (USA) 1


Bisherige Stationen der Red Bull Air Races

Reihenfolge in
Land Ort '03 '04 '05 '06 '07 '08 '09 '10
AUS Perth 9. 12. 9. 2.
A Zeltweg 1. 3.
BRA Rio de Janeiro 2. 3.
CAN Windsor 3. 4.
D Berlin 3.
Eurospeedway 6.
H Budapest 2. 2. 6. 6. 8. 7. 4. 7.
IRL Rock of Cashel 4.
MEX Acapulco 11.
NL Rotterdam 2. 5.
POR Porto 9. 8. 5.
Lissabon 8.
RUS St. Petersburg 4.
E Barcelona 2. 5. 6.
CH Bern 6.
SWE Stockholm 4.
TR Istanbul 5. 4.
ARE Abu Dhabi 1. 1. 1. 1. 1. 1.
GB Longleat 5. 7.
RAF Kemble 1.
London 7. 6.
USA Monument Valley 3.
Reno 3.
San Diego 10. 2. 2.
San Francisco 7. 8.
Detroit 3.
New York 5.

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