Spurensuche: «Targa Florio»

Von Guido Quirmbach
Mit 250km/h durchs Dorf: Vaccarella/Bandini 1966 im Ferrari

Mit 250km/h durchs Dorf: Vaccarella/Bandini 1966 im Ferrari

Es war das letzte reine Strassenrennen in der Sportwagen-Geschichte, die «Targa Florio» auf Sizilien. Ein zweiteiliger Blick zurück und in die Gegenwart.

Ehefrauen von Rennsport-Journalisten, die den Beruf auch noch mit Freude betreiben, haben es nicht unbedingt einfach. Denn wenn einmal ein Urlaub ansteht, wird immer wieder gerne versucht, etwas zu finden, was in irgendeiner Form mit Rennsport zu tun hat und sei es nur ein kleines Museum. So auch geschehen im letzten Spätsommer, als der Autor eine Woche Urlaub auf Sizilien einlegte. Sizilien, da klingelt es sofort bei dem historisch bewanderten Sportwagen-Fan. «Targa Florio» heisst das Zauberwort.

Die «Targa Florio» wurde gegründet von dem Unternehmer Vincenzo Florio und fand erstmals 1906 statt. Das Rennen war somit eines der ältesten der Welt und noch vor dem Indy 500 das erste, das regelmässig ausgetragen wurde. Regelmässig bedeutet in dem Fall abgesehen von den Kriegsjahren bis 1977. Von 1955 bis 1973 war die Targa ein Sportwagen-WM-Lauf.

Das besondere an der «Targa Florio» ist die Strecke. Es ist ein Rundkurs auf bergischen Landstrassen in Sizilien. Landstrassen, die den Namen «Strasse» nicht verdienen und zum Teil eher asphaltierten Feldwegen gleichen, nur nicht ganz so breit, wie wir es gewohnt sind.

Der erste Kurs war noch 148km lang, die am meisten gefahrene Variante war der
von 1932 an genutzte Madonie-Kurs, der sich von der Küste über 72km durch die Berge des Landkreises Madonie windet. Es ging durch die Berge, aber auch durch Ortschaften. Absperrungen für die Zuschauer gab es nicht. Sie sassen am Strassenrand und nicht wenige Einwohner schauten sich das Spektakel vom Klappstuhl vor der Haustür an. Wo die Rennwagen mit mehr als 200km/h Zentimeter vor dessen Zehenspitzen vorbei rasten.

Zehn oder später elf Runden standen für die WM-Prüfung auf dem Programm. Sieht man vom Start ab, wo die Fahrzeuge einzeln auf die Strecke gelassen wurden, war es ein ganz normales Rennen, zwei Fahrer teilten sich einen Wagen, wie heute noch bei den Sportwagen üblich.

Das Problem war die Strecke. 72km sind kaum zu lernen, schon gar nicht an einem Trainingstag. Also gab es freie Testfahrten. Doch dafür sind 72km Landstrasse und Ortsdurchfahrten natürlich nicht zu sperren. Deshalb gab es bei diesen «Tests» oft haarsträubende Szenen, ein hinter einer Kurve stehender Viehwagen war noch die harmloseste Variante.

Die Bevölkerung wurde während des Rennens aufgefordert, die Türen und Fenster geschlossen zu halten sowie die Haustiere und Kinder wegzusperren. Es gelang zumindest teilweise. Das Publikum war fanatisch: während der Test lackierte Porsche gerne die Autos in rot, so wurden von vielen angenommen, es handelte sich um einen Ferrari oder Alfa Romeo. Das erleichterte die Arbeit und war sicherer.

Denn der aus Palermo stammende Nino Vaccarella war der Nationalheld und man half gerne etwas nach, um ihm zum Sieg zu verhelfen. Hans Dieter Dechent, 1971 als Chef des Martini-Racing-Teams vor Ort erinnert sich: «Mein Fahrer Larrousse hatte in Führung liegend einen Reifenschaden, doch es gab in dem 908 ein Ersatzrad. Als er versuchte, den Reifen zu wechseln, wurde er von den Zuschauern mit Steinen beworfen. So fuhr er mit plattem Reifen bis an die Box, dort war dann aber die Aufhängung kaputt.» Ach ja, Vaccarella gewann.

Nino «Nazionale» konnte sich dreimal in die Siegerliste eintragen. Dort stehen Namen wie Tazio Nuvolari, Achille Varzi oder Stirling Moss. Die deutschsprachigen Sieger sind Huschke von Hanstein, Wolfgang Graf Berghe von Trips, Edgar Barth, Wolfgang Seidel, Hans Herrmann, Rolf Stommelen, Gerhard Mitter, Udo Schütz, Jo Siffert und «Stumpen Herbie» Herbert Müller, der mit seinem zweiten Sieg 1973 auch den letzten WM-Lauf auf der «Targa Florio» gewann.

Für 1974 entzog die FIA dem Lauf den WM-Status, es wurde einfach zu gefährlich. das letzte grosse Strassenrennen war Geschichte. Aber natürlich war der Kurs schon lange zuvor nicht mehr zeitgemäss, nicht nur, weil die Autos immer schneller wurden und manche am Ende noch nicht einmal mehr 34 Minuten für die Runde benötigten. Dass in all den Jahren «nur» zwei Fahrer und ein Zuschauer dort starben, darf getrost als Wunder bezeichnet werden. 1977 fand dann die letzte Ausgabe der «Targa Florio» als Rennen statt, seitdem gibt es auf dem Kurs noch teilweise Rallyes.

Morgen lesen Sie hier bei SPEEDWEEK, wie es um die Strecke heute bestellt ist

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