Dakar für Anfänger

Kolumne von Aaron Burkart
Action vor, während und nach der Türkei-Rallye für Aaron Burkart

Action vor, während und nach der Türkei-Rallye für Aaron Burkart

Junior-Sieger Aaron Burkart über seine Erlebnisse vor, während und nach der Türkei-Rallye.

Liebe Rallye-Freunde,

jetzt stehe ich vor der Aufgabe, euch von meinem Abenteuer-Ausflug in die Türkei zu berichten. Doch wo soll ich beginnen..? Am Anfang vielleicht? Das scheint mir eine gute Idee zu sein.

Istanbul – Zentrum für Kultur, Handel, Finanzen, Medien und....Verkehr. Aha. Das Verkehrsaufkommen der 12-Millionen-Einwohnerstadt ist - gelinde ausgedrückt - chaotisch. Doch ich hatte auch Glück: Ich musste nur über eine der zwei Brücken, die die europäische mit der asiatischen Kontinentalplatte verbinden. Eine Erfahrung für sich: Erst stauten wir uns über dieses berühmte Bauwerk, dann staunten wir über die Bewegung desselben. Schon beachtlich welchen Pendelhub solch eine Brücke aushalten kann. Nur nicht zu lange darüber nachdenken...!

Aber da war ja noch etwas, über das ich eigentlich berichten wollte. Eine Rallye. Der erste Tag verlief gut für uns. André und ich fanden auf Anhieb einen guten Rhythmus, trafen nur wenige der Felsbrocken, die die WRC-Fahrer ausgegraben hatten und lagen am Ende der ersten Etappe mit 7,4 Sekunden an der Spitze. Die Strecken waren überraschend schnell. Deutlich schneller als ich erwartet hatte. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit lag teilweise sogar über der Geschwindigkeit der Rallye Finnland.

Die Samstagsprüfungen waren durch den Wechsel von Asphalt auf sehr groben Schotter gekennzeichnet: Sehr alter, «zugefahrener» Asphalt der richtig schön in der Sonne glänzt. Also spiegelglatt, wenn er nass ist. Hier war es sehr wichtig die Kanten des Schotterreifens auf den Asphaltstücken nicht rund zu fahren, sonst ist man auf diesem Asphalt hoffnungslos verloren.
Die Schotterstrecken hingegen waren das genaue Gegenteil: Der Veranstalter hatte sie mit noch gröberem Bahnschotter aufgefüllt. Soll heißen: honigmelonengrosse und sehr scharfkantige Felsstücke, die von den vor uns fahrenden WRC auch noch aufgewühlt worden sind. Äusserste Vorsicht war geboten. Wer Übertragungen von der diesjährigen Rallye Dakar gesehen hat, weiß ungefähr wie es dort auf den türkischen Strecken aussah. Vermutlich hätte man mit einem Buggy oder einem Race Touareg auch sehr gute Zeiten fahren können…

Unser Glück war, dass wir im ersten Durchgang nur einen schleichenden Plattfuss hatten, wohingegen Kevin Abbring sich bereits zwei richtige Platten eingefangen hatte, was uns einen wichtigen Vorsprung und somit auch einen Vorteil bescherte: Wir mussten nicht attackieren und konnten an den fiesen Stellen ein wenig Zeit liegen lassen. Am Ende des Tages hatten wir beruhigende 4 Minuten Vorsprung auf den Zweitplazierten Broccoli.

Die Sonntagsprüfungen waren durch den Regen, der über Nacht gefallen war, sehr tief und matschig. Alles voller rotem Schotter, der - sobald Regen fällt - extrem weich wird. Bei mir kamen Erinnerungen an die Türkei Rallye vor vier Jahren hoch, als die Teilnehmer teilweise auf der Strecke einfach stecken blieben. Auch in diesem Jahr galt es steile Berghänge zu bezwingen und genau deshalb machte sich ein sehr mulmiges Gefühl in mir breit. Schließlich waren wir das erste zweiradgetriebene Auto, das auf die Strecken musste. Als wir dann an der ersten Prüfung standen, kam die Erlösung: Ein FIA-Auto kam trotz Allradantrieb nicht durch, sodass die ersten beiden Prüfungen neutralisiert wurden. Die dritte WP, von der Charakteristik her eher wie der erste Tag, wurde aber regulär gefahren.

Im zweiten Durchgang hatten Wind und Sonne den Strecken soviel Wasser entzogen, dass alle drei Prüfungen gestartet werden konnten. Wie unberechenbar die Stecken dennoch waren, zeigt, dass alle top WRC-Fahrer denselben Baum touchiert hatten. Nachdem sich Dani Sordo an der Stelle festgefahren hatte, fuhren dem Armen auch noch alle weiteren Autos in seinen havarierten WRC.

Aber damit nicht genug – auch unser Swift hatte noch eine kleine Überraschung parat: Die Servolenkung quittierte den Dienst! So wurden die letzten, eigentlich läppischen, 40 Kilometer noch zu einer durchaus ernstzunehmenden Herausforderung, trotz der 4 Minuten Vorsprung. Mit der Achsgeometrie sowie des aggressiven Differentials, das in den Fronttrieblern verbaut ist, war das eine recht schweißtreibende Angelegenheit und ich war sehr froh als ich endlich das Etappenziel erreichte. Den wartenden Gratulanten konnte ich dann leider nur noch halbherzig die Hand drücken. Mehr Kraft war meinen Armen nicht mehr zu entnehmen. Ich hoffe, sie haben es mir nicht übel genommen...!

 
So, was hatten wir erreicht? Einen ersten Platz in der Junior Weltmeisterschaft sowie einen «richtigen»WM Punkt! Rallyeherz was willst du mehr, sollte man meinen...!

Naja, ich bin da praktisch veranlagt und dachte mir: Ein Rückflug nach Deutschland? Das wäre doch was. Und so waren plötzlich nicht mehr Rallye Staubwolken sondern Vulkan -Aschewolken das große Thema. Flug annulliert, nächster möglicher Flug am Samstag, 2500 Kilometer bis nach Hause. Wow. Dem Rallyefahrer blieb nur eine Möglichkeit: Schnapp dir ein Auto und „rock the road“! Während ich das Glück hatte, mein Recceauto nehmen zu können, mussten viele andere den langen Heimweg im Reisebus mit türkischem Fahrer wählen (für mich an sich gar kein Problem - aber im gleichen Bus saßen auch Rallyefahrer, die das gaaaanz anders sahen. Komischerweise wollte das türkische Busunternehmen aber nicht auf die Fahrkünste eines Herrn L. aus Finnland vertrauen....!). Damit war der Punkt erreicht, an dem sich die Wettmafia einschaltete: Nachdem die Rallye an sich nun vorbei war, ging es darum wer nun als erstes Zuhause sein würde. Eine Rallye nach der Rallye. Und die Strecken in Bulgarien und Serbien hatten es teilweise auch in sich! Trotz eines kurzen Resthaltes mit «Über-Nacht-Service» in Belgrad konnten wir uns gegen die Fliegerfraktion (von Istanbul nach Athen, dann nach Mailand und mit dem Nachtbus nach Paris und von dort aus mit dem Leihauto weiter) sowie gegen die Busfraktion (ja, die Story mit dem türkischen Reisebus nebst türkischem Fahrer) durchsetzen und gewannen mit knappen 22 Minuten und 38 Sekunden Vorsprung vor der Busfraktion. Das bedeutet: Bei knapp 1000 Kilometern Recce, 1104,15 Rallyekilometern, sowie 2545,68 Kilometern After Rallye - also einer Gesamtdistanz von 4649,83 Kilometern- und wenn man den Vorsprung von Herr L. aus FIN von 7 Minuten und 22 Sekunden vor mir bei der richtigen Rallye abzieht, ergibt sich insgesamt ein knapper Sieg für uns von 15 Minuten und 12 Sekunden. Danke auch an das türkische Busunternehmen.

Dakar 2011 wir kommen, die Probe haben wir hinter uns!

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