Fazit Rallye Kroatien: Kommissare kneifen
Sieg verdient, aber auch höhere Strafe – Sébastien Ogier
Ich will seine sportliche Leistung überhaupt nicht in Frage stellen. Dass Sébastien Ogier die Rallye Kroatien auf der allerletzten Prüfung noch gedreht hat, obwohl er kurz zuvor in einen Verkehrsunfall verwickelt war, zeigt ein weiteres Mal, warum der Franzose der Chef im Ring ist. Ich will auch nicht darüber spekulieren, ob er mit unbeschädigter Aerodynamik seines Toyota, ohne Zugluft im Cockpit – die Beifahrer Julien Ingrassia dazu zwang, eine Skibrille zu tragen – und ohne die psychologische Belastung des Unfalls im Ziel mehr als die 0,6 Sekunden Vorsprung gehabt hätte. Auch interessiert mich wenig, ob Ogier oder der BMW-Fahrer die Schuld an der Kollision auf dem Weg zur WP 17 trägt.
Aber was sich der Weltmeister in der Polizeikontrolle geleistet hat (Video: https://youtu.be/ivP-g-zHxI8?t=29), gehört meiner Meinung nach härter bestraft als mit der Geldstrafe von 5.000 Euro. Ein solches Verhalten erwarte ich vielleicht von einem von der «Sonderkommission Auto-Poser» in der Innenstadt von Berlin Gestellten. Aber nicht von einem Profirennfahrer, der immer auch eine Vorbildfunktion hat.
Der kroatischen Polizei mache ich keinen Vorwurf. Sie haben es mit einem Goodwill-Besuch Ogiers auf der Wache, einem Erinnerungsfoto und ein paar Autogrammen gut sein lassen. So hätte sich wahrscheinlich die Polizei in 90 Prozent aller Länder weltweit verhalten.
Mein Vorwurf geht an die Sportkommissare. Ihr Auftraggeber, der Weltverband FIA, legt sehr viel Wert auf seine Kampagne für «Road Safety», setzt dazu immer wieder auch Motorsportler als Testimonials ein. Und jetzt verhält sich eines der größten Aushängeschilder des Rallyesports unzweifelhaft wie ein Rüpel im Straßenverkehr, und die Kommissare trauen sich zu nichts mehr als 5.000 Euro Geldstrafe?
Und dabei ist es völlig unerheblich, ob er einen Polizisten oder einen «Zivilisten» einfach weggedrängelt hat. Es gibt Länder, in denen hätte Ogier Sekunden später zumindest mit Handschellen gefesselt auf dem Boden gelegen. Weltmeister hin oder her.
Kurz danach ignoriert Ogier eine rote Ampel, was in Zeiten von Handyvideos natürlich auch sofort im Internet landet. Dafür bekommt er noch einmal 2.000 Euro Strafe. Ich kenne zwar die entsprechenden Paragraphen im Sportgesetz der Rallye-WM nicht im Detail. Aber ein kleines bisschen mehr sollte für beide Vergehen drin gewesen sein. Im Internet wurde sarkastisch darüber spekuliert, ob die Sportkommissare Ogier außerdem tröstend über den Kopf gestreichelt haben . . .
Auch ich hätte Ogier/Ingrassia den Sieg nicht genommen, den sie sich mit einer großartigen Leistung erkämpft und zu 100 Prozent verdient haben. Er hat sich auch keinen sportlichen Vorteil verschafft.
Aber wenn ich was zu sagen gehabt hätte, wäre erstens die Geldstrafe wesentlich höher ausgefallen, die ich direkt an die Road-Safety-Kampagne überwiesen hätte. Und zweitens hätte ich Ogier dazu verdonnert, in näherer Zukunft einen großen Teil seiner Freizeit im Dienste dieser Sicherheitsaktion zu verbringen. Das hätte zumindest eine deutlich größere Symbolwirkung gehabt, als die für einen ziemlich gut verdienenden Profi lächerlichen 5.000 Euro.