Das finnische Mächtigkeitsspringen
Sébastien Ogier bei seinem Finnland.Sieg 2013
Die Finnen sind trotz ihrer nördlichen Heimat ein sehr emotionales Volk. Und sie fast alle sportbegeistert. Die Wintersportarten, allen voran das Skispringen und Eishockey, stehen ihrem Naturell gemäß in der Gunst der Finnen ganz oben. Doch auch der Motorsport hat eine sehr große Fangemeinde. Formel 1 steht im Wettstreit zum Rallyesport. Finnland brachte bislang zwei Formel 1-Champions hervor: 1982 Keke Rosberg sowie 1998 und 1999 Mika Häkkinen. Im Rallyesport aber sind die Finnen noch erfolgreicher und stellten zwölf Mal den Titelgewinner: 1981 Ari Vatanen, 1983 Hannu Mikkola, 1985 Timo Salonen, 1986, 1987, 1991, 1993 Juha Kankkunen, 1996 bis 1999 Tommi Mäkinen und 2002 Marcus Grönholm.
Was aber den motorsportbegeisterten Finnen fehlt ist ein großes Rennen im eigenen Land. Eine Formel 1-taugliche Rennstrecke gibt es nicht. Das bislang größte internationale Rennen war 1995 und 1996 der Helsinki Thunder auf einem Stadtkurs im Hafen mit der ITC (International Tourenwagen Challenge, Nachfolge der damaligen DTM).
Ihre Motorsportbegeisterung leben die Finnen daher bei ihrem Lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft aus. In Anspielung an eine fehlende Formel 1-Strecke wird die Rallye gerne auch als Schotter-Grand Prix bezeichnet. Die Buckelpisten, einem Waschbrett ähnlich, auf den Schotterwegen in den Wäldern rund um die mittelfinnische Universitätsstadt Jyväskylä sind für viele die ultimative Rallye-Herausforderung. Das Mächtigkeitsspringen über die unzähligen Kuppen für viele der Rallye-Olymp.
Die bekannteste Wertungsprüfung der Rallye ist Ouninpohja, hauptsächlich aufgrund ihrer spektakulären und weiten Sprünge. 2003 stellte Markko Märtin mit seinem Ford Focus WRC auf dieser Prüfung den Rekord von 57 Metern Sprungweite bei einer Geschwindigkeit von 171 km/h auf. Den absoluten Weitsprungrekord der Finnland-Rallye hält allerdings bereits seit 1975 der Finne und ehemalige Rallycross-Pilot Jussi Kynsilehto, der mit seinem Beifahrer, dem englischen Rallye-Journalisten Martin Holmes, in der damaligen Prüfung «Raikuu» mit einem Ford Escort RS1600 72 Meter weit flog – worauf sich das Auto viermal überschlug und beide Insassen aus dem zerstörten Fahrzeug befreit werden mussten. Holmes hatte sich im Streckenaufschrieb verlesen und mit «full over crest» eine Kuppe angekündigt, die erst 300 Meter weiter kommen sollte. Ouninpohja und Raikku stehen aber diesmal nicht im diesjährigen Programm der Rallye Finnland.
Bis 1990 galt die Rallye als eine nicht einzunehmende Bastion der Wikinger. Dann brach 1990 Carlos Sainz als erster Nicht-Skandinavier im Toyota Celica 4WD in diese Festung ein. 1992 folgte Didier Auriol im Lancia HF integrale, 2003 der Ostseenachbar Marko Märtin im Ford Focus WRC, 2008, 2011 und 2012 Sébastien Loeb im Citroën C4 WRC und 2013 Sébastien Ogier im VW Polo R WRC. Ein Weltmeister aber ist nie in Finnland gestartet, das war Walter Röhrl, der offen bekannte, dass er sich ungern von den Finnen verblasen lassen möchte und daher auf einen Start in den finnischen Wäldern verzichtet hatte.
Die Rallye ist der Schotterklassiker im WM-Kalender schlechthin. Der Sieg dort ist für jeden Rallyepiloten ein Ritterschlag. Die Rallye hat zwar schon mehrmals ihr Format geändert, die Drehscheibe aber war immer Jyväskylä. Die Stadt mit ihren 130.000 Einwohnern liegt 270 km nördlich von Helsinki. Nachdem die Rallye, auch auf Wunsch seitens kirchlicher Organisationen, am Samstagnachmittag endete, führt sie in diesem Jahr wieder über vier Tage und endet am Sonntag, wohl auf Betrieben des WM-Promoters. Zwischen dem Start am Donnerstag, 31. Juli 2014, um 15:00 Uhr (14:00 Uhr MESZ) und dem Zieleinlauf am Sonntag, 3. August, um 15:00 Uhr (14:00 Uhr MESZ) liegen diesmal 1.625 Gesamtkilometer und 26 Prüfungen mit einem Streckenanteil von 360,94 km.