Formel 1: Carlos Sainz zurück zu Ferrari?

Im Rhythmus bleiben

Kolumne von Justin Hynes
Sébastien Loeb

Sébastien Loeb

Loebs Performance war schlicht und einfach verblüffend

Eines der untrüglichen Vorzeichen, die wir als Formel 1-Zuschauer in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts zu deuten gelernt haben, war das folgende: wenn Michael Schumacher in den ersten Runden mal eines seiner seltenen Probleme hatte und weit zurück fiel, dann wussten wir so sicher, wie die Nacht dem Tag folgt, dass er am Ende des Rennens um einen Podestplatz kämpfen würde. Es war einfach klar, dass Schumacher wieder vorne mit fährt, wenn Charlie Whiting den Offiziellen mit der Zielflagge anweist, er möge bitte den Marsch zur Boxenmauer antreten.

Schumachers Fähigkeit, seine Leistung im Rennen auf eine andere, jenseitige Ebene zu heben, war staunenswert. Sein letztes Rennen, 2006 in Brasilien, ist ein perfektes Beispiel. Er war zehnter in der Startaufstellung und fuhr auf Platz sieben vor, fing sich aber beim Versuch, Giancarlo Fisichella zu überholen, einen Plattfuß ein und fiel ans Ende des Feldes zurück. Danach war er einfach meisterhaft und überholte Hinterbänkler, als ob sie Traktoren fahren würden und er ein Raketenauto. Er kam als Vierter ins Ziel. Im letzten Rennen seiner Karriere, als er nichts mehr beweisen musste und die Weltmeisterschaft nach dem Platten längst verloren war, fuhr er trotzdem Kreise um die Konkurrenz. Den Titel mag er an dem Tag zwar verloren haben, aber sein Rennen war das Markenzeichen eines wahren, unglaublich begnadeten Champions.

Nun weiß ich natürlich, dass Sébastien Loeb es hasst, mit Michael Schumacher verglichen zu werden. Aber was erwartet er denn? Allein schon seine fünf WM-Titel in Folge lassen den Vergleich nahe liegen. Und genau wie Schumacher in seinen letzten Jahren muss Loeb nichts mehr unter Beweis stellen. Man könnte meinen, dass der Red Bull Citröen-Fahrer nur noch mit dabei ist, um „den Schmerz der Niederlage zu vermeiden“, wie Ron Dennis es einmal eloquent formuliert hat. Aber wer ihm bei der ersten Etappe der Rallye Irland zugeschaut hat, der wird diese Vermutung schnell fallen lassen.

Loebs Performance war schlicht und einfach verblüffend. Am Morgen hatte er einen Fehler gemacht, was bei ihm genau so selten vorkommt wie früher bei Schumacher: er zog die falschen Reifen auf.

Ehrlich gesagt war das ein Anfängerfehler und Loeb hätte es besser wissen sollen. Schließlich befinden wir uns hier im Nordwesten von Irland. Wenn man den Regen nehmen würde, der hier in einem Jahr fällt, und ihn über der Sahara niedergehen lässt, dann würde sich der ganze Wüstensand innerhalb einer Woche zum größten Parkplatz der Welt verfestigen. Es ist so nass hier, dass man sagt, die Einheimischen hätten mittlerweile eine Gummihaut entwickelt.

Das jetzige Wochenende ist keine Ausnahme. Es schüttet in Strömen. Unablässiger, bitterkalter Regen. Kein Wunder, dass die Iren so freundlich sind. Wenn das Wetter hier im Winter immer so mies ist, dann kommt wohl kaum jemand zu Besuch. Deshalb wird jeder Gast freudig umarmt, als ob er ein lange verschollener Verwandter wäre.

Loeb lag also falsch. Er nahm die normalen Regenreifen, während einige Konkurrenten aus dem Schwimmbecken stiegen, das hier als Service Park fungiert, und nach den Extrem-Regenreifen verlangten, die normalerweise nur bei den verschneiten Bergprüfungen der Rallye Monte Carlo zum Einsatz kommen.
Nach drei Prüfungen war Seb auf einem blassen siebten Rang, 42 Sekunden hinter dem frühen Führenden Jari-Matti Latvala, der mit Winterreifen unterwegs war.

«Das sind unmögliche Bedingungen hier», beklagte sich Loeb. Und fuhr die nächsten Prüfungen dann so wild entschlossen, dass es seinen Rivalen, die ihn eigentlich an der Spitze des Rallyesports herausfordern sollten, völlig die Sprache verschlug. «Ich weiß nicht, wie Loeb mit diesen Reifen so gut fahren kann“ sagte Latvala. «Der muss verrückt sein.»Der drittplatzierte Mikko Hirvonen seufzte: «Er hat einen ungeheuren Speed gefunden. Ich hab zur Zeit kein Gefühl. Wir gehen zum Service und werden schauen, was wir tun können. Zumindest sind wir hier mit dabei und werden versuchen, es von jetzt an besser zu machen.»

Loeb heizte in nur 8 Minuten und 31,5 Sekunden durch die zweite Prüfung, zweieinhalb Sekunden schneller als der neue Führende Urmo Aava. Damit war er Zweiter. Auf der folgenden Prüfung ließ er Aava wie einen Amateur aussehen und übernahm die Führung – all dies auf Reifen, von denen jeder Andere sagte, sie seien unfahrbar. Am Nachmittag gewann der Red Bull-Fahrer, der beim Service zwischendurch endlich auf Winterreifen gewechselt hatte, alle drei Prüfungen mit fast peinlicher Leichtigkeit.

Es war die Art von Leistung, die Schumacher regelmäßig ablieferte. Ross Brawn spornte ihn im Boxenfunk an und teilte Schumacher mit, dass er in einer bestimmten Anzahl von Runden so und so viele Sekunden Abstand zum Gegner herausfahren muss. Und genau so kam es dann selbstverständlich.

Heute brauchte Loeb keinen Ansporn von außen. Sein Fehler vom frühen Morgen reichte, um ihn auf den Plan zu rufen. Das Ergebnis war ein deutliches Ausrufezeichen von diesem einmaligen Champion. Danach sprach er so nüchtern darüber, wie sein Pendant aus der Formal 1 es stets zu tun pflegte.

«In der ersten Prüfung wollte ich nicht zu hart pushen – die Bedingungen waren mit unserer falschen Reifenwahl zu heikel» sagte Seb. «Ich hätte höchstens einen Unfall bauen können, und das wollte ich nicht.»

«Ich wollte den Rhythmus aufnehmen und ein Gefühl entwickeln, und jetzt läuft es. Wir haben seit dieser ersten Prüfung gepusht und sind jetzt mit den 'Schneereifen' sehr gut unterwegs.»

Er leistete sich sogar ein kurzes Lächeln, als sich die Meldung verbreitete, dass die Nachtprüfungen wegen dem Regen abgesagt worden waren.

«Ich hoffe, sie teilen das den Zuschauern mit, die an der Strecke stehen» sagte Loeb. «Es ist nicht schön, im Regen zu stehen.»
Genau dort hatte er ja nach dem ersten Tag schon die Konkurrenz stehen gelassen.

Von Justin Hynes, übersetzt von Christoph Stappert

Justin Hynes lebt in Kent/England, ist verheiratet und ist in den Motorsport vernarrt, seit er 1973 Jackie Stewart im elf-Tyrrell auf dem Weg zum dritten WM-Titel bewundert hat. «Die Kombination von Autos, Koteletten und verspiegelten Sonnenbrillen haben in mir den Wunsch entbrennen lassen, selber Rennfahrer zu werden. Oder vielleicht Elvis», erzählt Hynes. «Leider habe ich später herausgefunden, dass ich singe wie Sir Jackie und Auto fahre wie Elvis. So blieb nur der Journalismus.» 1999 berichtete Justin Hynes erstmals von der Formel 1, als Korrespondent der «Irish Times». Er arbeitete auch für The Mail on Sunday, The Financial Times, TalkSport radio, Sunday Tribune, RTE TV, Setanta Sports, Newstalk Radio in Irland und war von 2005 bis 2008 Leitender Redakteur beim Red Bulletin F1. Heute ist der Ire wieder als Freelancer tätig.

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