Rallye Australien: Was wir daraus gelernt haben
Verdient zum dritten Mal Weltmeister – Sébastien Ogier (rechts) und Beifahrer Julien Ingrassia
«Lex Ogier» greift nicht mal in Australien
Die für 2015 erweiterte Regel, dass der Tabellenführer auch bei der jeweils zweiten Etappe als Erster starten muss, hatte nur ein Ziel: die Überlegenheit von Sébastien Ogier zu beenden. Doch der Weltmeister denkt überhaupt nicht daran, sich von diesem Handicap einbremsen zu lassen. Auch nicht in Australien, wo der Nachteil der Startposition eins größer ist als bei jeder anderen Schotter-Rallye im WM-Kalender.
Straßenfeger hin oder her, am Ende der zweiten Etappe führte Ogier. Zwar nur mit 0,3 Sekunden. Aber dieser Wimpernschlag war nebensächlich. Entscheidend war, dass der VW-Werkspilot am Sonntag als Letzter der Topfahrer losfahren konnte. «Ich hätte einen Vorsprung von 30 Sekunden herausfahren musste», wusste der am Samstag noch Zweitplatzierte, Kris Meeke. Der Citroën-Werksfahrer startete zur letzten Etappe direkt vor Ogier. «Unter identischen Streckenbedingungen sind die VW nicht zu halten.»
Tatsächlich hatte Meeke, wie vorhergesagt, nicht den Hauch einer Chance. Auch nicht gegen Ogiers Teamkollegen Jari-Matti Latvala. Dass nicht auch noch Andreas Mikkelsen im dritten Werks-Polo vorbeizog, hatte Meeke einem Fehler dessen Beifahrers Ola Fløene zu verdanken. Der Norweger hatte aus Versehen den Countdown auf seiner Armbanduhr gestoppt. Das Duo checkte eine Minute zu spät an der nächsten Zeitkontrolle ein und kassierte dafür eine Zehn-Sekunden-Zeitstrafe.
Ogier bezeichnete die ersten beiden Etappen der Rallye Australien «als die vielleicht beste Leistung meiner Karriere». Mag sein. Wenn er nur endlich aufhören würde, sich über die ungerechte Behandlung durch das Reglement zu beklagen.
Der neue Weltmeister hat trotz unbestrittener Benachteiligung sieben der bisher zehn Rallyes im Jahr 2015 gewonnen. «Aber nur, weil ich sehr hohe Risiken eingehe.» Na und? Genau das erwarten die Fans von einem Weltmeister.
Kris Meeke is back
An Kris Meeke lag es nicht alleine, dass ihm das Herausfahren besagter 30 Sekunden Vorsprung im Verlauf der ersten beiden Etappen nicht gelang. «Ich hatte eine perfekte Rallye ohne einen einzigen Fehler», behauptete der Nordire.
Man muss kein Technikgenie wie Polo-Konstrukteur Fran?ois-Xavier Demaison sein, um zu erkennen, dass sein Meisterwerk den WRC-Modellen der Konkurrenz überlegen ist. Drei Dreifach- und ebenso viele Doppelsiege in der bisherigen Saison sind – bei allem Respekt – nicht alleine den Fahrkünsten von Sébastien Ogier, Jari-Matti Latvala und Andreas Mikkelsen zuzuschreiben.
«Ich weiß, wo sie Vorteile haben. Aber ich möchte nicht drüber reden», meinte Meeke sichtlich frustriert. Der dritte Rang kam vielleicht gerade noch rechtzeitig, um sein Cockpit bei Citroën für 2016 zu retten. Trotz zuletzt gemischter Leistungen ist Meeke der Einzige, der mit einer gewissen Regelmäßigkeit in die Phalanx des Volkswagen-Trios einbrechen kann.
Hayden Paddon weiter auf Höhenflug
Mit dem erhofften Podium wurde es wegen eines defekten Differenzials zwar nichts. Aber am Ende war Hayden Paddon wieder bestplatzierter Hyundai-Pilot. Der Schachzug von Teamchef Michel Nandan, den Neuseeländer aus der B-Mannschaft ins Werksteam zu befördern, wurde mit zehn Hersteller-Punkten belohnt.
«Ist mir eigentlich egal, welche Startnummer auf meinem Auto draufsteht», spielte Paddon die ihm gestellte Aufgabe herunter. Mit seiner Unbekümmertheit ist der 28-Jährige eindeutig eine Bereicherung. Gut möglich, dass er in absehbarer Zukunft bei Hyundai sogar zur Nummer eins aufsteigt – wenn der momentane Teamleader Thierry Neuville tatsächlich zu Toyota oder Citroën abwandern sollte.
Stéphane Lefebvre weiß eine Chance zu nutzen
Als sich Mads Östberg bei einem Unfall während des Trainings verletzte, hatte Citroën ein Problem. Wer sollte das frei gewordene Cockpit besetzen? Zufällig war Werks-Junior Stéphane Lefebvre in Australien. Eigentlich nur, um am Training teilzunehmen.
Aber der 23-Jährige ließ sich nicht zweimal bitten. Mit dem Helm von Mads Östberg und einem Overall von Kris Meekes Beifahrer Paul Nagle als Leihgabe übernahm er den DS3 WRC mit der Startnummer 3. Es war seine erste Rallye auf Schotter mit einem World Rally Car. Dafür lieferte der Schützling von Rekord-Weltmeister Sébastien Loeb eine blitzsaubere Leistung ab und holte immerhin einen WM-Punkt in der Hersteller-Wertung für Citroën.
Schon bei der Rallye Deutschland, seiner Asphalt-Premiere im WRC, hatte Lefebvre mit Rang zehn überzeugt. Sollte Citroën der Rallye-WM treu bleiben, dürfte der Franzose eine wichtige Rolle spielen.