Gute Basis mit Verbesserungspotential
40 Autos von 13 Herstellern in der ersten Kurve in Oschersleben
Vieles war neu beim Saisonauftakt zum ADAC GT Masters in Oschersleben. Nach der erfolgreichen Saison 2011 gab es für diese Saison eine neue Organisationstruktur, neue «Balance of Performance», neuer Reifenpartner, neue Zeitnahme, neue Presseagentur, neuer Internet-Auftritt, teilweise neues Reglement. Das Meiste funktionierte, doch nicht selten hatte man den Eindruck, es sind einige Änderungen zu viel auf einen Schlag.
44 Autos waren angekündigt, 41 sind in Oschersleben erschienen. Ein normaler Schwund, solange es überwiegend die Piloten sind, die den Einsatz finanzieren. Bedenklich allerdings, dass rund zehn Tage vor dem Saisonstart so viele Cockpits noch nicht besetzt waren, sie dann aber doch fuhren. Erfahrungsgemäss riecht das nach stark gefallenen Preisen der Teams zu Saisonbeginn oder nach einer noch nicht durchfinanzierten Saison.
Als Erwin Stückle seinen McLaren am Freitag im freien Training in den Leitplanken versenkt hatte, blieben 40 Fahrzeuge übrig. Immer noch ein gigantisches Feld und mit Sicherheit die zumindest qualitativ beste GT3-Serie weltweit, auch im Vergleich mit der Weltmeisterschaft. Und mehr Autos gibt es laut derzeitiger Nennliste nur bei der Blancpain-Endurance-Series, die in zwei Wochen in Monza startet.
Apropos Blancpain, das erinnert an Uhren und damit an die Zeitnahme, die in diesem Jahr von Swiss-Timing durchgeführt wird. Und da gab es doch jede Menge Probleme. Es ist nett angedacht, wenn auf dem Monitor der Name des Fahrers beim Pflichtboxenstopp umspringt. Allerdings springt er bei jedem Boxenstopp um, was dann in der Sache nicht mehr hilfreich ist. Dass die Zeitnahme während beider Rennen mehrfach ausfiel und für viel Verwirrung bei Streckensprecher und TV-Kommentator sorgte, sei nur am Rande erwähnt, das hat eh jeder mitbekommen. Allerdings: Man sollte nicht sofort nach der Vergangenheit schreien, auch der alte Partner hatte durchaus seine schwachen Momente. Das erleichterte der neuen Presseagentur die Arbeit auch nicht, allerdings ist es auch äusserst unglücklich, auf die neue Website ausgerechnet im Verlauf des ersten Rennwochenendes umzustellen. Die dort entstandenen Probleme waren vorhersehbar, sind aber sicher bis zum zweiten Lauf behoben.
Der neue Reifenpartner Yokohama erhielt Lob und Tadel gleichermassen, manche beklagten Holzreifen, die nicht auf Temperatur kommen. Manche beklagten abbauende Reifen, und eine Box weiter lobte man die Konstanz. Das Wichtigste aber: Rennentscheidend waren die Reifen nicht, damit hat Yokohama die erste Feuertaufe bestanden. Ein genaueres Bild dürfte erst am Sachsenring im Juni entstehen, wo in der Vergangenheit im ADAC GT Masters die Reifen am meisten beansprucht wurden. Vielleicht hat Yokohama dann auch eine ausreichende Anzahl an eigenen Trucks zur Verfügung und muss nicht auf geliehene Speditionsauflieger zurückgreifen, die nicht in den sonst ordentlichen Auftritt der Japaner und des Fahrerlagers insgesamt passten.
Das Fahrerlager war sauber und geordnet wie überall, auf der einen Seite stehen LKW, auf der anderen Seite Hospitalities. Und damit war es genauso langweilig wie überall. Wo steht eigentlich geschrieben, dass die Autos des vermeintlichen Hauptevents unbedingt in den Boxen stehen und sich damit den Augen der Fans entziehen müssen? Der nach einem Jahr Unterbrechung wieder eingeführte Pitwalk hat mehr eine Alibi-Funktion: Bei wenigen Besuchern, wie wetterbedingt in Oschersleben, dann ist er sicher eine schöne Sache. Sind mehr Zuschauer vor Ort, erinnert er mehr an einen Viehtrieb. Kaum sind die letzten am einen Ende in der Boxenstrasse angekommen, beginnen die Ordner von der anderen Seite, die Besucher mit Seilen wieder hinauszutreiben, denn bei Ablauf der Zeit, meist 20 der 30 Minuten, muss die Boxengasse wieder menschenleer sein. Ok, besser als gar nichts, aber mehr nicht.
Für alle Beteiligten wäre es besser, wenn die Teams ihre Zelte im Fahrerlager aufbauen würden. Auch wenn die Teams sicher nicht begeistert sind, genauso wenig waren sie begeistert, zwei Autos in die engen Garagen der Boxengasse von Oschersleben quetschen zu müssen. Und es gibt Rennstrecken, da ist noch weit weniger Platz als in Oschersleben. In eigenen Zelten könnten die Teams vernünftig arbeiten, die Fans wären dichter am Geschehen, und das ADAC GT Masters hätte ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu anderen Rennserien. Für die Gäste der Teams, die im Regelfall das Rennen in der Box verfolgen, müssten andere Lösungen gefunden werden, aber das ist machbar. Die amerikanischen Rennserien machen es vor, wie ein fanfreundliches Fahrerlager aussieht, und auch dort gibt es VIPs. Apropos Fans: Videowände, in der Formel 1 schon Standard, bevor Schumacher seinen ersten GP fuhr, gibt es auch in diesem Jahr nicht. Das ist schade, denn mancher erstmalige Besucher, der beispielsweise bislang nur die DTM kennt, wird sie vermisst haben, denn gerade aufgrund der Pflichtboxenstopps ist es generell schwierig, dem Rennverlauf auf der Tribüne zu folgen. Die Ticketpreise mit 15 € pro Tag sind ok, wobei ein Wochenendticket nach Aussage mehrerer Fans wünschenswert wäre.
Das Reglement blieb im Rennen weitgehend gleich, im Training gab es Neuerungen. Statt bisher 2x 20 Minuten gibt es nun 2x 40 Minuten Qualifying, die Anzahl der gezeiteten Runden ist auf 8 limitiert. Es wurde eingeführt, weil es im letzten Jahr eine oft heftige Verkehrsdichte gab. Okay, kann man ändern, muss man nicht, schliesslich war der Verkehr für alle gleich, und es gab auch 2011 einige, die sich viel beklagten und andere, die sich nie beklagten, weil sie eben den Verkehr beobachteten und praktisch immer die freie Runde fanden. Wenig Sinn macht allerdings die Limitierung auf 8 gezeitete Runden. Wer so viel fährt, gehört vom Teamchef sowieso gestraft, schliesslich muss mit den Reifen des Qualifyings noch jeweils ein ganzes Rennen gefahren werden. Aufgrund der kalten Temperaturen wurde noch relativ viel gefahren in Oschersleben, desto wärmer es wird, desto weniger Runden werden die Piloten für eine gute Zeit brauchen und die Zeitenjagd entsprechend früh beenden. Und sollte es einmal regnen, kann es für alle Beteiligten eine sehr lange Wartezeit ohne Action auf der Strecke geben. Formel 1, DTM, IndyCar usw., alle haben in den letzten Jahren die Qualifyings im Sinne der Spannung gestrafft, das ADAC GT Masters geht den umgekehrten Weg, zieht es künstlich in die Länge. Wohl gut, dass das Quali nicht im TV kommt.
Bleibt noch das immer wieder leidige Thema «Balance of Performance». Leidig, weil es nur selten ausser dem Laufsieger jemand gibt, der die Einstufung richtig findet. Doch sie muss sein, ohne sie ist eine vergleichbare Markenvielfalt nicht möglich! Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Serien mit Hubraum-Limits sich schnell zu Markenpokalen, meist von Porsche, entwickelten. McLaren, Aston Martin und vor allem Lamborghini wurden von der «BoP» zu hart getroffen. Camaro, Ferrari und Nissan sind schwierig einzuordnen. Bei Farnbacher gab es neben der mangelnden Leistung auch gravierende Set-up-Probleme, das Nissan-Team von Schulze-Motorsport fehlt mit dem brandneuen Auto einfach noch Erfahrung in allen Bereichen, dazu sind sie Einzelkämpfer, was die Aufgabe nicht erleichtert. Alpina, Audi, BMW, Corvette, Mercedes und Porsche liegen in der Rundenzeit dicht beieinander, nur knapp dahinter lag der Ford GT. Porsche und Corvette hatten in Oschersleben Vorteile im Top-Speed, in der Rundenzeit waren sie zwar mittendrin bei der Musik, konnten sich aber nicht absetzen. Also müssen die anderen Marken auf der Bremse bzw. in den Kurven
besser sein.
Alle Marken auf allen Streckenabschnitten gleich schnell zu machen ist illusorisch. Dazu sind die Konzepte zu sehr verschieden. Und es macht ja auch mit den Reiz aus, wenn verschiedene Konzepte auf verschiedenen Arten von Rennstrecken ihre Vor- oder Nachteile haben. Meines Erachtens sollte vor allem daran gearbeitet werden, die Hinterherfahrer nach vorne zu holen. Einzelne Fabrikate der Spitze einzubremsen halte ich nach den beiden ersten Rennen für den falschen Weg. Porsche war zum Beispiel in Oschersleben, wo Traktion gefragt ist, immer schnell, das kann in Zandvoort schon ganz anders aussehen.
Fazit des ersten Wochenendes: Das ADAC GT Masters macht sportlich weiter grosse Schritte nach vorn. Das Umfeld der Serie kann dem Tempo des Wachstums allerdings noch nicht ganz folgen. Das muss dauerhaft korrigiert werden, wenn man abgesehen vom Hardcore-Fan neue Zuschauer finden will, die dann auch wiederkommen. Es wäre schön, bei der Live-Übertragung dauerhaft gut gefüllte Ränge im Hintergrund zu sehen.