Künstliche Spannung
David Donohue führt vor Montoya
Bis auf wenige Ausnahmen jubelten alle über das Fast-Foto-Finish. Einige wenige, meist Europäer, sprachen hingegen von künstlicher Show.
Gemeint war der Safety Car-Einsatz. Sage und schreibe 25 Mal starte der Fahrer des Sicherheitsfahrzeuges seine Blinklichter. Die meisten Gründe waren unbedeutend und hätten einem europäischen Rennleiter bestenfalls ein Schulterzucken entlockt. In Daytona sorgte hingegen jeder abgefallene Brocken von Reifengummi auf der Strecke fürs gelbe Licht. Mit dem Resultat, dass das Feld an der Spitze dicht beisammen blieb, auch in der GT-Klasse, denn die wurden immer am Safety-Car vorbeigewunken und stellten sich geschlossen wieder hinter dem DP-Feld an.
Wen zwischen den Gelbphasen kein Übel erwischte, hatte bis zum Ende Siegchancen. So kam es zum knappsten Zieleinlauf der Geschichte, offiziell trennten David Donohue und Juan Pablo Montoya nach 24 Stunden gerade
einmal 0,167 Sekunden. Spannung pur, das ist es, was die Fans von Daytona 09 in Erinnerung behalten.
Rückblende, August 2008, 1000km am Nürburgring. Der Veranstalter hatte sich im Vorfeld viel Mühe gegeben und die Werbetrommel für das Duell zwischen Audi und Peugeot gerührt. Er wurde belohnt, es kamen mehr Zuschauer als bei jedem vorherigen LMS-Auftritt in der Eifel. Was sie zu sehen bekamen, war ein Riesen-Langweiler über sechs Stunden. Zu überlegen war Peugeot an jenem Wochenende, die Audis waren chancenlos und auch in den Klassen kam keine Spannung auf.
Gelbphasen gab es keine einzige. Jeder Zwischenfall wurde unter lokalem «Gelb» behoben, obwohl es teilweise rundenlang dauerte, bis Fahrzeuge aus dem Kies geborgen wurden und es auch dabei zu manch heikler Szene kam. Die Abstände im Feld wurden immer größer. So haben viele Zuschauer bereits lange vor Ende des Rennens den Ring verlassen, nachdem klar war, dass unter normalen Umständen nichts mehr passieren wird. Was nahmen jene Zuschauer mit, die erstmals ein 1000km-Rennen sahen? Wohl, dass sechs Stunden sehr, sehr lange sein können.
Was die Herren Rennleiter in den USA zu viel tun, passiert in Europa zu wenig. Wenn sich ein Wagen in Mitten der Schusslinie einer Kurve tief im Kies eingegraben hat, kann man gerade bei einem solch langen Rennen ruhig einmal das Safety-Car rausschicken. Die Posten können sicher bergen und es hat für den Zuseher den erfreulichen, dramaturgischen Nebeneffekt, dass das Feld wieder enger beisammen liegt. Und wenn man es geschickt anstellt, gibt es dadurch auch in den Klassen keine Wettbewerbsverzerrung. Da haben besonders die Kollegen in Le Mans noch viel Lernbedarf.
Ich will sicher keine amerikanischen Verhältnisse. Wir brauchen nicht wegen jeder Kleinigkeit eine Gelbphase, ein abgefallener Spiegel kann auch mal mit geschwenkter Flagge am Ort des Geschehens geborgen werden. Doch vieles von dessen, was wir nur unter künstlichem Spannungselement sehen, machen die Amis gar nicht schlecht. Und bei der DTM sind die Boxenstopps auch nur ein künstliches Spannungselement.
Wichtig für den Erfolg einer Rennserie oder aber eines Rennens ist aber vor allem, dass der Zuschauer, sowohl an der Strecke oder aber am TV, nach der Flagge zufrieden sind. Und das waren sie nach den 24 Stunden von Daytona ganz sicher.