Rast-Ingenieur: Teilweise keine Lust mehr, anzutreten
Felix Fechner mit René Rast
Der dreimalige DTM-Champion Rast liegt in seiner ersten DTM-Saison mit einem GT3-Rennwagen als punktbester Audi-Pilot auf dem dritten Tabellenrang und hat vor den letzten vier Rennen der Saison weiter Titelchancen.
Die beiden Rennen auf dem Red Bull Ring am kommenden Wochenende sind für Rast und das gesamte Team Abt Sportsline daher besonders wichtig.
Wie fällt die Zwischenbilanz nach sechs von acht DTM-Rennwochenenden in diesem Jahr aus?
Die Zwischenbilanz ist gemischt. Wir hatten ziemlich viele Rennen, in denen wir mit Reifenschäden oder Unfällen ausgeschieden sind – aber auch Wochenenden, an denen wir wirklich das Maximum aus dem Auto rausgeholt haben und jeder von uns einen guten Job gemacht hat. Insgesamt ist die Bilanz eine positive.
Haben Sie vor Saisonbeginn damit gerechnet, mit René Rast um den Meistertitel kämpfen zu können?
Genauso wie René nicht gerechnet, aber natürlich gehofft. Nach den ersten zwei Wochenenden habe ich nicht mehr damit gerechnet, denn wie erwartet war es ein schwieriger Einstieg. Auch für mich ist es das erste Jahr mit einem GT3-Auto, wir sind also beide wieder eine Art Rookies. Imola war der Knackpunkt dieser Saison, der quasi alles gedreht und gewendet hat.
Das erste Podium kam aber schon davor am Lausitzring …
Da hat René gemerkt, dass er auf jeden Fall mit Kelvin (van der Linde) und Ricardo (Feller) mithalten und übers Wochenende mit der Arbeit an den Daten und der Verbesserung am Auto sogar seine Stärken ausspielen kann. Da kam auf jeden Fall die Idee oder die Klarheit: Wir sind vorne mit dabei.
Wie groß war die Freude nach dem Sieg in Imola?
Sehr groß! Gerade, da ich ja mit René im letzten Jahr nicht die einfachste Saison in der Formel E hatte. Es war schön, endlich unseren ersten Sieg zusammen feiern zu können.
Wie groß war dann die Enttäuschung 24 Stunden später mit dem Reifenschaden?
Die Enttäuschung war natürlich groß. Aber wir wissen auch, dass wir am Sonntag mit 25 Kilogramm Extra-Ballast gefahren sind und der Audi das Fahrzeug im Feld ist, dem der Ballast am meisten wehtut. Das hat man auch bei Nico (Müller) gesehen, der sich auf Platz acht oder neun verteidigen musste. Realistisch gesehen wäre für uns nicht mehr drin gewesen. Aber klar, jeder verlorene Punkt tut weh.
Warum gibt es in diesem Jahr so viele Reifenprobleme?
Im Endeffekt ist jeder Reifenschaden einzeln zu betrachten. Aber der Trend ist schon da, dass wir speziell bei Audi ziemlich viele Reifenschäden haben. Es wird immer versucht, um das Thema herumzureden, aber es liegt schon mit an der BoP (Balance of Performance). Wir müssen mit dem Audi einfach absolut ans Limit gehen und dann ist die Gefahr auch größer als bei den anderen, die beim Setup nicht so viel riskieren müssen.
Wie sehr hat sich Ihre Arbeit von der Class-1-Ära zur GT3 verändert?
Es ist gar nicht mal so viel anders. Die Vorbereitung war komplexer. Es gab am Auto mehr einzustellen und wir haben jeweils einen Tag im Simulator verbracht. Die Arbeit am Wochenende unterscheidet sich nicht so stark. Wir versuchen immer, das Maximum aus dem Paket, das wir haben, herauszuholen. Der größte Unterschied ist, dass das Testen nicht reglementiert ist. Wobei wir gar nicht darauf angewiesen sind, testen gehen zu müssen. Wir analysieren die Daten, die wir aus den Rennwochenenden haben, um möglichst viel für das nächste Wochenende zu lernen und umzusetzen.
René Rast ist bekannt dafür, dass er sehr datenorientiert ist und hart arbeitet. Welche Stärken hat er noch?
Neben seiner harten Arbeit ist es vor allem die Fähigkeit, seine Leistung auf den Punkt zu bringen – so wie am Sonntag im Qualifying in Spa.
Wenn er im Auto sitzt, kann René Rast auch sehr emotional werden, was man dann an seinen Funksprüchen erkennt. Wie bringen Sie ihn da wieder runter?
Im Runterbringen sehe ich eine der Hauptaufgaben des Ingenieurs, wenn ein Fahrer im Auto so emotional ist wie René. Erst einmal versuche ich, mir an der Stimme nicht anmerken zu lassen, dass es sich auf mich überträgt oder ich nervös bin. Darauf lege ich großes Augenmerk. Für den Fahrer ist es einfach wichtig zu wissen, dass wir es an der Box einigermaßen unter Kontrolle haben.
René hat zuletzt die Driving Standards in der DTM scharf kritisiert. Sind die Standards wirklich so schlecht oder liegt es auch daran, dass das Feld so groß und dicht zusammen ist?
Die Anzahl der Autos vereinfacht es nicht, den Überblick zu behalten. Wenn 27 Autos in die erste Runde fahren, dann ist das schon richtig eng und eine Herausforderung – das kann man auch gut sehen, wenn man sich die Onboards vom Start anschaut. Aber es ist auch Fakt, dass nicht mehr nur Top-Profifahrer in der DTM sind und teilweise lassen sie die Standards schon vermissen. In Spa hat die Rennleitung das erste Mal durchgegriffen und dabei vielleicht sogar etwas überreagiert. Meines Erachtens kommt es zu spät und nun zu hart.
Gefühlt fahren alle Audi-Piloten in diesem Jahr in den Rennen nur im Verteidigungsmodus, obschon konstante Rennspeed eigentlich eine Stärke des Audi R8 LMS ist. Liegt es nur an der Balance of Performance?
Die BoP hat meines Erachtens einen großen Anteil daran. In Spa hat man gesehen, dass ein Audi bei einem normalen Rennverlauf so gut wie kein anderes Fahrzeug überholen kann.
Wie frustrierend ist das, wenn man immer nur im defensiven Modus ist?
Total frustrierend! Aber auch hier ist es meine Aufgabe, das nicht zu zeigen. Wenn ich nicht trotzdem versuche, das Auto schneller zu machen, beginnt eine Abwärtsspirale. Aber natürlich ist es für uns alle total frustrierend, immer Angst haben zu müssen, dass auf den Geraden ein anderes Auto ans uns vorbeifährt. Fakt ist aber auch, dass wir noch immer in der Meisterschaft mit dabei sind. Auch wenn man teilweise keine Lust mehr hat, anzutreten, weil man keine Chance hat, vernünftig um den Sieg mitzufahren, wie es auch am Sonntag in Spa der Fall war, ist es trotzdem wichtig, die Motivation aufrecht zu erhalten und alle Punkte zu sammeln, die man mitnehmen kann. Das hätte in Spa ohne den Reifenschaden auch am Sonntag ganz gut funktioniert. Aber wirklich Spaß macht das so nicht.
Nun steht der Red Bull Ring an – eine Strecke, die für den Audi als besonders schwierig gilt. Warum ist das so?
Unsere größte Schwäche ist die Beschleunigung aus den langsamen Kurven heraus – das hat man in Spa vor allem am Start gesehen. Am Red Bull Ring gibt es mit der ersten Kurve und Kurve drei gleich zwei Kurven, in denen die Rundenzeit sehr sensitiv auf die Beschleunigung und die Leistung reagiert. Dort müssen wir schauen, wie das mit der neuen Einstufung für uns funktioniert.
Der Rückstand in der Meisterschaft ist nach dem Sonntagsrennen in Spa sehr groß geworden. Rechnen Sie sich noch Chancen auf die Meisterschaft aus?
Wenn Sheldon (van der Linde) das gut managt, dann wird es ganz schwierig, ihn einzuholen. Aber man kann in der DTM ganz schnell ein Wochenende ohne Punkte haben. Solange es mathematisch möglich ist, werden wir Gas geben.