Vor 25 Jahren in Berlin: So entstand die neue DTM
Großer Aufmarsch an Journalisten, Fotografen, Rennfahrern und Fans. Im Atrium der Deutschen Bahn in Berlin wurde die neue DTM vorgestellt. Obwohl klar war, dass Berlin wegen der inzwischen für Rennen geschlossenen Avus keinen DTM-Lauf mehr bekommt, wurde die Hauptstadt nicht zuletzt wegen ihrer seit 1984 ununterbrochenen DTM-Tradition als Präsentationsort ausgewählt.
Wie und warum es überhaupt nach dem Ende der DTM 1996 zu einer Neugeburt der attraktiven und beim Publikum so beliebten Rennserie kam, schildert diese Geschichte mit den wichtigsten Hintergründen in verkürzter Form.
Nachdem astronomisch hohe Kosten die DTM/ITC Ende 1996 nach 13 Jahren gekillt hatten, trat die bereits existente STW-Serie an deren Stelle. Aber die 2-Liter-Autos kamen bei den Fans nicht so recht an. Deshalb begann eine Art Schattenkabinett insgeheim schon ab 1997 an einer Wiedergeburt der DTM zu arbeiten.
«Die Autos sind nicht spektakulär genug, da kommt nix rüber», lautete der Tenor der DTM-verwöhnten Fans auf den Tribünen und auch ein großer Teil der TV-Konsumenten war nicht glücklich damit.
Christian Danner, der das Fahrvergnügen der alten DTM mit einem 500 PS-Alfa 155 kenngelernt hatte und in der STW-Serie gelegentlich selbst am Start war, empfand für frontgetriebene Autos sowieso nur tiefe Verachtung («die Dinger sind eine fahrphysikalische Katastrophe»).
Auch der DTM-verwöhnte TV-Regisseur Bernd Krämer beklagte weitere Defizite: «Da brummt, kracht, driftet und bewegt sich zu wenig, außerdem kommen die Autos viel zu brav über den Bildschirm.»
So verfestigte sich der Wunsch nach einer Rückkehr von «attraktiveren, schnelleren und bulligeren Autos» immer mehr. Zunächst diskutierten die Verfechter einer neuen DTM nur diskret in Hinterzimmern, denn dass ausgerechnet Personen aus dem engeren Präsenter-Zirkel der STW-Serie im Hintergrund Lobby-Arbeit gegen das eigene Produkt betrieben, kam bei den STW-Organisatoren gar nicht gut an.
Das Ziel war klar, es sollten wieder attraktive Tourenwagen her im DTM-Stil, mit robusten Motoren, viel Hubraum, reichlich Leistung und Heckantrieb. Vor allem aber keine Kostenexplosion, an der die alte DTM letztlich zerbrochen war.
So nahmen die Bemühungen ab April 1998 richtig Fahrt auf, auch dank der Unterstützung durch Opel-Sportchef Volker Strycek. Im «Bierhaus West» in Stuttgart kam es Anfang Mai 1998 zu einem ersten Treffen der Aktivisten mit Mercedes-Sportchef Norbert Haug.
Man tauschte sich aus, Haug zeigte sich interessiert, blieb aber erst mal skeptisch. Immerhin wollte er weiter auf dem Laufenden gehalten werden. Zumindest hatte man neben Volker Strycek einen zweiten, wichtigen Fürsprecher ins Boot.
In der Folgezeit wurden die technischen Eckdaten skizziert: 4-Liter-V8-Motoren, Coupés, Heckantrieb obligatorisch. Erste privat gefertigte Zeichnungen der Silhouetten eines Opel und eines Mercedes machten die Runde.
Die Aktivisten bemühten sich, auch BMW, Audi und weitere Hersteller zu begeistern. BMW-Sportboss Kalbfell hörte sich alles an und wollte zumindest mal «darüber nachdenken», machte uns aber wegen eines alten immer noch schwelenden Zerwürfnissen mit der früheren ITR-Führung keine großen Hoffnungen.
Audi-Sportchef Dr. Ullrich ließ die Delegation schon nach wenigen Minuten wissen: «Solange ich Sportchef bei Audi bin, wird es keinen Renn-Tourenwagen mit Heckantrieb geben.» Wie wir heute wissen, gab es ihn dann doch.
Zeitsprung ins Jahr 1999 – die inzwischen ganz offiziell installierte Arbeitsgruppe «DTM 2000» traf sich nun regelmäßig, um den Stand der Dinge zu erörtern. Auch Vertreter des DMSB diskutierten schon fleißig mit, als es um Reglements- und Technik-Fragen ging. Die neue DTM nahm langsam Gestalt an.
Zu diesem Zeitpunkt galt die Teilnahme von Opel und Mercedes zu einem hohen Prozentsatz als gesichert. BMW, Audi, Porsche, Volvo, Toyota, Ford und VW Motorsport hatten eine werksseitige Teilnahme trotz intensivster Bemühungen leider endgültig abgesagt.
Zu einem der bedeutsamsten Tage wurde der 9. September 1999, ein Donnerstag, kurz vor Beginn der IAA in Frankfurt, wo Opel und Mercedes bereits die Studien ihrer neuen DTM-Autos zeigten. Im Hotel «Walkershof» in Reilingen bei Hockenheim gab es ein großes Meeting, bei dem der DTM-Neustart endgültig beschlossen werden sollte.
Am langen Tisch saßen die wichtigsten Entscheider des deutschen Motorsports. Wie etwa DMSB-Präsident Winfried Urbinger, die alten ITR-Vorstände Hans-Werner Aufrecht, Thomas Betzler, Walter Mertes, dazu WIGE-Chef Peter Geishecker, Veranstalter-Sprecher Peter Rumpfkeil, die Sportchefs Strycek und Haug.
Im Verlauf des Meetings formierte sich die seit Ende 1996 ruhende, aber nie aufgelöste ITR neu, wobei der alte Vorstand nahezu unverändert blieb. Danach wurden sportrechtliche Fragen, Details des technischen und sportlichen Reglements diskutiert sowie weitere ITR-Posten neu besetzt.
Nach der konstituierenden Sitzung im Walkershof entschieden nur noch der DMSB, die ITR und die beiden Sportchefs von Opel und Mercedes über die weiteren Vorgehensweise. Ab diesem Zeitpunkt war klar – es würde ab 2000 eine Neuauflage der DTM geben.
Über den Winter 1999/2000 wurden dann alle Detail-Fragen abgearbeitet, am neuen Regelwerk gefeilt und der Terminkalender fixiert. Als TV-Partner kamen ZDF und ARD an Bord, beide Sender wollten wechselweise übertragen. Soweit die Vorgeschichte bis zum großen Tag der Präsentation am 11. Mai in Berlin.
Hier begrüßte ITR-Präsident Hans-Werner Aufrecht die Gäste und gab sein Grundsatz-Statement zur neuen DTM ab. Es schlossen sich Grußworte von DMSB-Präsident Winfried Urbinger sowie der beiden Sportchefs Norbert Haug und Volker Strycek an.
Danach stellten alle Beteiligten samt der Piloten Bernd Schneider für Mercedes un Joachim Winkelhock für Opel. Für das auf den letzten Drücker noch mit drei Audi TT-R und vier Fahrern ins Startfeld reingerutschte private Abt Sportsline Team stand Christian Abt Rede und Antwort.
Nach einer knappen Stunde wurden alle ins Freigelände am Gendarmenmarkt zur großen Publikums-Präsentation von Autos und Fahrern gebeten. Demofahrten, Donuts und Interviews ließen bei den Fans keine Wünsche offen.
Offiziell hieß die neue DTM jetzt «Deutsche Tourenwagen Masters». Am letzten Mai-Wochenende 2000 stieg das Premiere-Rennen in Hockenheim. 19 Autos standen am Start, je acht Mercedes CLK und Opel Astra, dazu noch die drei knallgelben Audi TT-R von Abt Sportsline in Kempten.
Die Sieger der beiden ersten Läufe der neuen DTM hießen genauso wie die des Abschiedsrennens vier Jahre zuvor in Suzuka: Bernd Schneider und Mercedes. Und alle waren froh und glücklich, endlich wieder fette Renn-Tourenwagen mit Power und kernigem Sound genießen zu können.
2025 feiert die neue DTM nun schon ihr 25-jähriges Jubiläum. Dass sie solange Bestand haben würde, hätten selbst die größten Optimisten nicht zu prophezeien gewagt. Allerdings – ohne die mutige Rettungs-Tat des ADAC Ende 2022 wäre der zweite DTM-Exitus ein ziemlich realistisches Szenario gewesen.