Stichtag Freitag
Grauzone genutzt: Die Opel-Ohren war 2002
Nicht erst das DTM-Auftaktrennen 2009 am Sonntag, sondern bereits die Technische Abnahme zwei Tage zuvor verspricht einiges an Spannung. Es geht um jenen Massedämpfer, den Mercedes beim ITR-Test in Dijon erstmals vor den Augen der Konkurrenz erprobt und den der DMSB auf Anfrage von Audi am 8. April als nicht dem Reglement entsprechend erklärt hat.
Damit allerdings ist die Sache noch nicht erledigt. Denn Mercedes hält die Komponente sehr wohl für legal und will sie demnach auch in Hockenheim fahren. Wie genau die Schwaben die Regelkonformität des Massedämpfers argumentieren, wissen nur wenige – und die rücken vorläufig nicht damit raus. Als zusätzliche Fahrwerksfeder (verboten) darf er ebensowenig bezeichnet werden wie als Ballast (darf nicht beweglich sein).
Allerdings sind Rennsport-Konstrukteure von Natur aus findig – und mangelnde Cleverness ist sicher das Letzte, das man HWA-Cheftechniker Gerhard Ungar vorwerfen dürfte. Besagter Ungar hatte in der ITC-Saison 1996 ein hydraulisch verstellbares Gewicht am Unterboden der C-Klassen als Teil der hinteren Radaufhängung deklariert. Und diese war damals frei. Opel fuhr 2002 Ohren-artige Auswüchse am Heckflügel, die allerdings direkt mit der – ebenfalls freigestellten – Heckflügelhalterung verbunden waren. Ähnlich verfuhr Mercedes mit ihrer Variante (als Teil der als Gurney bezeichneten oberen Abrisskante). Lediglich die Red-Bull- und Hasseröder-Büchsen an den Heckflügeln der Abt-TT-R waren ganz sicher illegal. Aber sie waren auch nur in der Startaufstellung von Zolder dran ...
Zurück zum Ernst des Lebens. Sollte Mercedes auf ihrem Standpunkt beharren und der DMSB die Massedämpfer nicht ausdrücklich per Bulletin verbieten, droht ein Protest von Audi. In der Aussage von deren Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich verbirgt sich Zündstoff: «Wir gehen davon aus, dass dieses System nicht dem Reglement entspricht. Diese Entscheidung liegt beim DMSB. Sollte dieser die fragliche Komponente genehmigen, wird er der Öffentlichkeit erläutern müssen, weshalb.»
Fakt ist: Der Massedämpfer, dessen Wirkungsweise auf dem Prinzip der Massenträgheit beruht und der, als Ausgleichsgewicht über eine zusätzliche Feder mit dem Federbein verbunden, die vertikalen Bewegungen des Rennautos reduziert, wäre definitiv ein Wettbewerbsvorteil. Vor allem im Bereich der Radlasten, die mit Hilfe des Dämpfers konstanter zu halten sind, was eine gleichmässigere Aufstandsfläche und einen geringeren Verschleiss des Reifens sowie eine insgesamte stabilere Fahrlage des Rennwagens bewirkt. Ausserdem kann man im Einzelfall eine weichere Hauptfeder fahren. Wenn der Massedämpfer denn funktioniert. Dass Positionierung des Gewichtes und Wahl der passenden Feder sowie die Detailabstimmung des Systems knifflig und mit hohem Aufwand verbunden sind, trat bereits in Dijon zu Tage. Dort sprangen die Mercedes teils derart über die Start/Ziel-Gerade, dass kaum von einem Wettbewerbsvorteil gesprochen werden konnte. Und wenn, dann nur von einem sehr kurzfristigen. Irgendwann wird es auch dem härtesten DTM-Piloten schlecht.
Sollte Mercedes tatsächlich eine Lücke oder Grauzone im Reglement aufgestöbert haben, wird der DMSB kaum umhin kommen, das Reglement schnellstmöglich zu präzisieren – so wie es 2002 im Falle der Ohren-Gurneys (die Mercedes in Donington ohnehin nur im Training eingesetzt hatte) nach dem dritten Lauf auch geschehen war. Anderenfalls müsste Audi ebenfalls einen Massedämpfer entwickeln. Und das würde die momentanen Sparmassnahmen in der DTM endgültig konterkarieren.