Bernd Schneider: «Typen fallen nicht vom Himmel»

Von Andreas Reiners
DTM-Legende Bernd Schneider

DTM-Legende Bernd Schneider

Die DTM-Legende im SPEEDWEEK.com-Interview über die Unterschiede in der DTM zwischen früher und heute, die Typen-Diskussion und den Ekström-Skandal.
Bernd Schneider, was sind denn die markantesten Unterschiede zwischen der DTM damals und heute?

Der markanteste Punkt ist die Kompaktheit des Feldes. 22 Fahrer mit einem Unterschied von nur acht Zehnteln habe ich noch nie gesehen. Früher war es auch eng, aber das waren die ersten sieben Positionen, heute ist es das gesamte Feld. Das ist ein gigantischer Druck, der auf jedem einzelnen Fahrer herrscht. Außerdem ist alles viel professioneller geworden, dazu auch internationaler. Früher hatten wir die deutschsprachigen Pressevertreter, die wir fast alle gekannt haben. Heute ist es internationaler, was aber auch gut ist für die DTM.

Die DTM musste in dieser Saison auch einiges an Kritik einstecken. Zurecht?

Wenn man Dinge bewegt und verändert, dann gibt es auch Dinge, die negativ bewertet werden. Nichtstun ist Stillstand. Und Stillstand will man auch nicht. Deswegen finde ich es absolut richtig, dass man bei der ITR neue Wege geht und ausprobiert. Solch eine Serie lebt, sie verändert sich und auch das Publikum verändert sich. Auf die Fans muss man es zuschneiden. Man ist auf einem guten Weg, die Verantwortlichen machen viele positive Dinge. DRS zum Beispiel war richtig wichtig für die DTM, da die 22 Fahrer so eng beieinander liegen. Dann fällt das Überholen schwer. Dadurch haben wir in diesem Jahr einige schöne Rennen und Überholmanöver gesehen. Und die Spannung war nicht schon nach dem Qualifying vorbei. Ich bin immer dafür, dass man Sachen ausprobiert, auch wenn man sich nicht immer hundertprozentig sicher ist. Und wenn es nicht funktioniert, muss man es eben wieder ändern.

Was glauben Sie, was man noch machen müsste?

Das ist immer schwer zu sagen, weil die Interessen der einzelnen Hersteller unterschiedlich sind. Jeder hält an dem fest, was für ihn gut ist. Für die Fans muss die DTM sehen, dass sie den Weg weiter verfolgt und die Rennen spannend bleiben. Ich glaube, es gibt noch mehr Möglichkeiten, auch bei den Rennstrecken. Da sollte man sich orientieren, wo man am besten überholen und eine gute Show liefern kann.

Am Norisring gab es in dieser Saison den Wasserflaschen-Skandal. Hat sich die DTM da richtig verhalten?

Letztendlich war die Strafe natürlich extrem hart. Wir haben alle nicht damit gerechnet, dass man deswegen disqualifiziert wird. Denn das Kilogramm hat im Endeffekt bei Mattias Ekström keinerlei Rolle gespielt. Aber den DMSB verstehe ich auf der anderen Seite, denn es steht in den Statuten ganz klar drin: Wer die Parc-fermé-Bestimmungen verletzt, wird disqualifiziert. Von daher haben sie im Sinne des Reglements gehandelt, wenn auch vielleicht nicht ganz im Sinne des Sports. Manchmal muss ein Schiedsrichter die Rote Karte ziehen. Auch wenn er denkt, dass es der Spieler nicht verdient hat.

Es ist jedes Jahr das Gleiche: Die Kritik, dass der DTM die Typen fehlen würden…

Das wird oft gesagt. Aber Typen fallen nicht vom Himmel, die wachsen heran. Wenn man Bruno Spengler sieht, der bei uns bei Mercedes angefangen hat: Der ist ein Typ geworden. Warum sollte Daniel Juncadella nicht irgendwann ein Klaus Ludwig oder Hans-Joachim Stuck sein? Das waren Typen, die die Massen bewegt haben. Und Potenzial ist heute in der DTM vorhanden. Mike Rockenfeller ist zum Beispiel ein Typ, der Charakter und Ausstrahlung hat. Er hat seinen ersten Meistertitel eingefahren und wird damit viel Selbstvertrauen tanken. Ich bin mir sicher, dass da ein Charakter heranwächst. Deshalb sollte man sich nicht die Gedanken machen: ‚Welchen Typen hole ich mir?‘, sondern ‚Wie baue ich ihn auf?‘.

Hans-Joachim Stuck hat kritisiert, Bruno Spengler kenne in Deutschland niemand…

Dann liegt es an Hans-Joachim Stuck, ihn bekannter zu machen. Man muss klar sagen, dass die DTM dort noch Defizite hat. Mit der ARD hat die DTM einen guten und starken Fernsehpartner. Aber man müsste die Jungs viel mehr ins TV-Geschäft einbinden. Und die ARD hat genug Möglichkeiten, die DTM zu präsentieren. Das sollten sie tun. Oder man muss den TV-Partner wechseln. Typen werden nicht geboren, Typen werden gemacht. Wenn man bei RTL sieht, aus was für Typen sie Typen machen, dann haben wir in der DTM 22, aus denen man so etwas machen könnte. Das liegt an den Medien, wie man sie aufbaut.

Liegt es nicht auch an den Herstellern?

Wenn Mike Rockenfeller im TV richtig gefeatured wird, werden die Mädels auch schreien, wenn er um die Ecke kommt. Von Bruno Spengler mal ganz zu schweigen. Die Hersteller wollen natürlich immer Friede, Freude Eierkuchen haben. Was schön ist, für den einen oder anderen aber auch langweilig.

Wie war das bei Ihnen früher?

Es gab bei uns ausgetragene Duelle. Es gab Charaktere wie Ludwig, der als gestandener Le-Mans-Sieger in die DTM gekommen ist, sich dort profiliert und den einen oder anderen Spruch rausgelassen hat, was die Leute fasziniert hat. Man darf aber nicht vergessen, dass wir damals 200.000 oder 300.000 Zuschauer im Fernsehen hatten. Heute sind wir bei einem Vielfachen. Von daher hat man ja vieles richtig gemacht. Deshalb sollte man nicht sagen, dass früher alles besser war. Es gab viele gute Dinge, aber die DTM ist heute auf einem viel besseren Niveau.

Gibt es denn eine Sache, wo Sie sagen: ‚Die müsste heute wieder gemacht werden‘?

Nein, es gab Dinge, die waren besser, aber die gibt es nicht mehr. Ich war damals auch jünger und habe besser ausgesehen, aber das kann ich auch nicht rückgängig machen. Es waren andere Zeiten, und man hat auch immer eine andere Wahrnehmung. Die schlechten Dinge vergisst man, aber an die guten Dinge erinnert man sich. In der Vergangenheit leben ist im Sport völlig verkehrt. Man kann schöne Erinnerungen behalten, aber muss aus dem was heute ist, das Beste machen und nicht darüber nachdenken, was früher besser angekommen ist. Man muss nach vorne schauen.

Wie erklären Sie sich denn den Rückgang der TV-Quote?

Es ist natürlich schwierig, wenn man immer nur das Rennen zeigt. Das Drumherum lebt viel mehr. Die DTM zielt ganz speziell auf den wirklichen Motorsportfan ab. Die haben wir, was die Quote angeht, im Sack. Wenn ich noch die Mama und die Kinder vor dem Fernseher haben will, muss ich dafür etwas bieten. Wenn man sieht, was andere Serien dafür tun um die Leute vor den Fernseher zu locken muss man sagen, dass dort mehr getan wird. Es ist machbar, aber es ist nicht von heute auf morgen machbar. Man muss sich da ein gutes Konzept überlegen und sich etwas einfallen lassen, wie ich die Massen an die Geräte locke. Wenn Spengler und Rockenfeller zum Beispiel bei Wetten, dass…?! Auftritte haben und die Zuschauer sehen, da ist jemand, der Ausstrahlung hat und etwas kann, dann schauen die irgendwann auch mal DTM.

Müsste man die Fans auch mehr einbeziehen?

Ich glaube, dass die Fans gut mit einbezogen werden. Es gibt keine andere Serie, in der der Fan so viel Mitspracherecht hat und mit kreieren kann, weil er so nah dran ist. Ich denke aber auch, dass man den Fan überraschen muss. Dass der Fan denkt: ‚Geil, das habe ich ja gar nicht erwartet.‘ Wenn er weiß, was auf ihn zukommt, will er gar nicht. Der Fan will immer wieder überrascht werden. Vielleicht auch wie in der Formel 1, wo der eine den anderen nicht mag und das inszeniert wird.

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