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Gary Paffett: «Ich hätte ihn abdrängen können...»

Von Andreas Reiners
Für immer Mercedes: Gary Paffett

Für immer Mercedes: Gary Paffett

Im zweiten Teil des großen SPEEDWEEK.com-Interviews spricht der Mercedes-Pilot über verpasste Chancen, die Formel 1 und Gedanken über die Zeit nach seiner Karriere.
Gary, bereust Du etwas in deiner Karriere?

Paffett: Nein! Es gab natürlich Fehler, die ich gemacht habe. Aber ich glaube, man sollte das nicht bereuen. Ich hätte mehr gewinnen können. Es gibt einige Situationen, in denen ich vielleicht gewonnen hätte, wenn ich ein anderer Mensch wäre. Zwei Ereignisse gab es da. Das erste ist lang her, 1995, als ich Kart gefahren bin. Ich bin gegen einen dänischen Jungen gefahren und in der letzten Runde hat er mich geschlagen. Ich war Zweiter in der Europäischen Meisterschaft. Ich war mehr als glücklich. Ich glaube André Lotterer hat damals zu mir gesagt: ‚Wenn Du ihn rausgeschmissen hättest, wärst Du jetzt Europameister‘. Und ich dachte: ‚Ja, das könnte ich sein‘. Ich hätte ihn von der Strecke drängen können. Dann wäre ich Europameister geworden. Aber ich habe das nicht gemacht. Und ich bereue das nicht. Wenn ich es gemacht hätte, würde sich heute keiner mehr daran erinnern, wie ich zu dem Erfolg gekommen wäre. Aber ich würde es noch wissen.

2012 im Titelkampf mit Bruno (Spengler) gab es viele Momente, in denen ich auch Bruno hätte rausdrängen können. Und am Ende hat er die Meisterschaft gewonnen und ich nicht. Aber bereue ich das? Nicht wirklich. Wenn ich gewonnen hätte, indem ich ihn aus dem Rennen genommen hätte, hätte ich immer gewusst, dass ich das so gemacht habe. Vielleicht wäre ich trotzdem glücklich gewesen, wenn ich die Meisterschaft gewonnen hätte, aber ich hätte immer gewusst, dass ich es auf eine Art und Weise geschafft habe, an die ich selbst nicht glauben möchte.

Momente, in denen die Gegner dann wohl sagen würden «Arschloch»…

Paffett: Ja, vielleicht. Andere Fahrer machen sowas. Sie sind dann immer noch A…, aber sie haben Rennen gewonnen. Und ich habe das nicht. Ich bin sicher, dass es auf jeden Fall Dinge gab, für die andere DTM-Fahrer mich nicht leiden können. Aber ich im Großen und Ganzen würde ich sagen, dass 99 Prozent der Leute, die in der DTM fahren, mich mögen. Ich denke, ich bin ein angesehener Fahrer und ich denke nicht, dass allzu viele Personen mal ein echtes Problem mit mir hatten. Natürlich gab es Momente nach bestimmten Rennen, wo ich auch mal aggressiv war und manche Dinge vorgefallen sind, aber im Allgemeinen würde ich sagen, dass ich mit allen Fahrern klar komme. Aber ich weiß natürlich, dass es andere Fahrer in der Serie gibt, die so ihren Ruf weg haben und die viele nicht mögen. Aber ich möchte nicht so werden.

Wer sind diese Fahrer?

Paffett (lacht): Das verrate ich dir nicht.

Soll ich mal raten?

Paffett: (lacht) Ja, versuch’s mal. Im Ernst: Ich bereue nichts. Es gibt immer Sachen, die du hättest anders machen können. Du kannst aber nicht zurück und du kannst nicht immer rumlaufen und sagen, ich wünschte, ich hätte dies und das getan.

Wie ist es mit der Formel 1? Bist Du enttäuscht, dass Du deinen Traum von der Formel 1 nicht erfüllen konntest?

Paffett: Ja, absolut. Ich denke, dass ich früh in meiner Karriere eine ziemlich gute Chance hatte, dahin zu kommen. Vielleicht haben die Leute, die sich damals um mich gekümmert haben, die falschen Entscheidungen getroffen. Aber ich bin sehr zufrieden damit, was ich erreicht habe. Um in die Formel 1 zu kommen, musst du talentiert, aber auch die richtige Person im richtigen Moment sein. Offenbar war ich nie die richtige Person. Ich denke, dass es keine Frage meiner Fähigkeiten ist. Es ist eine Frage der richtigen Möglichkeit im richtigen Moment. So ist das nun mal im Motorsport.

Wie denkst Du über die Formel 1 im Allgemeinen mit den ganzen Paydrivern?

Paffett: Ich mag es nicht. Es gibt zu viele von ihnen. Die Spitze des Sports sollte dort sein, wo alle Topfahrer sind. Und zwar weil sie Topfahrer sind und nicht, weil sie viel Geld haben. In der Hinsicht ist die DTM so viel besser. Denn alle Fahrer sind hier, weil sie talentiert sind. Und nicht weil sie Geld haben. So sollte es auch sein. Und das ist das frustrierende an der Formel 1. Wie soll sich das ändern? Ich weiß es nicht.

Glaubst Du, dass die meisten DTM-Fahrer auch in der Formel 1 konkurrenzfähig wären?

Paffett: Ja, das glaube ich. Die Fahrer, die in der Formel 1 vorne mitfahren, gehören zu den besten Piloten der Welt. Aber ich glaube auch, dass einige der Jungs in der DTM dort vorne mitfahren könnten.

Würdest Du sagen, dass 2014 Dein härtestes Jahr in deiner Karriere gewesen ist?

Paffett: Nein. Ich denke, 2011 war mein härtestes Jahr. 2011 war für mich einfach schrecklich. Es war auch ein bisschen mysteriös, das Fehlen der Geschwindigkeit und warum ich nicht genauso gut war wie meine Teamkollegen. Denn sie waren recht erfolgreich und ich hatte Probleme und ich wusste nicht warum. 2014 ist für uns alle schwer gewesen. Wir müssen das Team erst einmal neu aufbauen und viele Veränderungen verarbeiten.

Offensichtlich hatten meine Teamkollegen auch in diesem Jahr mehr Erfolg als ich, aber ich sehe all die Gründe, an denen das liegt. Wir haben einfach ein paar Chancen verpasst. Wenn Du kämpfen musst und du weißt nicht warum nichts funktioniert, dann ist das hart. Dieses Jahr kennen wir die Gründe und daher gibt es keinen Grund, warum wir nicht in die Erfolgsspur zurückkommen sollten.

Was war dein härtester Moment und was war dein Highlight?

Paffett: Der härteste Moment war ohne Zweifel Hockenheim 2012, im letzten Rennen die Meisterschaft zu verlieren. Leider deutete sich das Mitte der Saison schon an. Wir waren fantastisch in das Jahr gestartet und dann fiel alles auseinander. BMW hatte in den letzten drei Rennen einfach das bessere Auto. In den letzten beiden Rennen habe ich gekämpft und versucht Bruno zu schlagen, während noch drei andere BMW um mich herum waren und ohne viel Unterstützung durch meine Teamkollegen. Ich habe Bruno auf dem Hockenheimring so hart gejagt. Ich habe ihn verfolgt, verfolgt, verfolgt. Ohne Erfolg. Das war schwer. Das war hart. Das hat mir sehr wehgetan.

Highlights gab es viele. Wirklich viele. Selbstverständlich war es unglaublich, 2005 die Meisterschaft zu gewinnen. Es war auch ein unglaubliches Gefühl, mein erstes Rennen für Mercedes zu gewinnen. Und 2012 in Brands Hatch: Es ist ein großes Highlight, wenn du dein Heimrennen gewinnst, wenn du deine ganze Familie und deine Freunde da hast. Das war wahrscheinlich in der letzten Zeit mein bester Moment.

Denkst Du mit 33 Jahren über deine eigene Zukunft als Fahrer nach?

Paffett: Im Moment liegt mein Fokus darauf, dem Team zu helfen. Damit wir wieder eine Position erreichen, in der wir anfangen können, konstant Rennen zu gewinnen und wieder wettbewerbsfähig zu werden. Aber ich bin auf jeden Fall noch wettbewerbsfähig. Und ich habe immer noch den Eindruck, dass ich für das Team eine Hilfe bin und dass ich Rennen gewinnen kann. Also denke ich noch gar nicht darüber nach, wo es hingehen würde, wenn ich mit der DTM aufhöre.

Wann würdest Du mit der DTM aufhören? Wenn Du die Meisterschaft noch mal gewinnst?

Paffett: Nach einer weiteren Meisterschaft würde ich nicht aufhören. Dann würde ich eher fahren wollen, bis es nicht mehr geht. Wenn Du nicht mehr wettbewerbsfähig bist, hast du auch keinen Grund mehr, weiterzumachen. Aber ich denke, solange du mithalten kannst, solltest du auch dabei bleiben.

Wirst Du deine Karriere als Mercedes-Fahrer beenden? Oder kannst Du Dir vorstellen, mal in einem Audi oder BMW zu sitzen?

Paffett: Nein, niemals. Ich bin hier so lange dabei. Ich mag die Leute hier wirklich und ich liebe es, mit den Leuten zu arbeiten. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen bei einem anderen Team zu sein. Das wird nie passieren.

Wie wäre es nach deiner aktiven Karriere mit einem Job als Offizieller in der DTM, um die Serie besser zu machen?

Paffett: Nein. Wenn ich aufhöre, weiß ich noch nicht, was ich machen kann. Es wird definitiv etwas im Motorsport sein. Ich bin jetzt schon so lange dabei. Ich kenne mich so gut aus im Motorsport, also werde ich da definitiv etwas machen, aber was, das weiß ich noch nicht. Ich würde es bevorzugen, weiter mit Mercedes zu arbeiten. Viel eher als im DMSB mit der Serie beschäftigt zu sein. Auch wenn ich dort noch etwas Einfluss hätte, wie es weitergeht, aber sie haben einen Haufen Leute, die das machen können. Aber ich bin zu ehrgeizig, um niemanden zu haben, gegen den ich antreten kann. Nein, einfach die Serie mit zu organisieren, das ist nicht genug Wettbewerb für jemanden wie mich.

Hast Du noch einen Traum?

Paffett: Man muss immer welche haben. Ich habe aber bereits viele von meinen Träumen erfüllt. Ich möchte einfach noch mehr gewinnen, mehr Rennen und Titel. Aber es gibt Dinge, die ich noch gerne tun würde. Im Motorsport gibt es so viele Möglichkeiten. Ich hätte Interesse an Langstreckenrennen, das habe ich noch nie gemacht und würde es versuchen wollen. Aber es sollte auf jeden Fall etwas mit vier Rädern sein. Motorräder sind nicht mein Ding.

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