Morddrohungen wegen Alonso-Strafe

Sebastian Vettel: Schlechter Verlierer ohne Manieren?

Von Andreas Reiners
Sebastian Vettel

Sebastian Vettel

Sebastian Vettel hat nach dem Mexiko-GP für kontroverse Diskussionen gesorgt. Mit Manövern auf der Strecke und seinen verbalen Giftpfeilen. Zum Glück.

Sebastian Vettel ist Gold wert. Für die Formel 1. Für die Journalisten. Und nicht zuletzt für die Fans. Zumindest für die, die, überspitzt gesagt, beim Mexiko-GP gegen 21.30 Uhr noch wach waren. Denn bis dahin war es bei aller Spannung im Titelkampf der gewohnte Einheitsbrei. Lewis Hamilton führte, mit komfortablem Vorsprung vor Nico Rosberg. WM-Entscheidung vertagt also. Bis schließlich Max Verstappen und Vettel ihre «Show» ablieferten.

Vettel hat einmal beschrieben, was für ein unfassbar schlechter Verlierer er ist. «Sogar beim Monopoly werde ich wütend, wenn es nicht so läuft. Ich schimpfe und fuchtele dann mit den Armen. Manchmal würde ich am liebsten das Spielbrett durchbrechen, so sauer bin ich.»

Vor einigen Jahren erklärte er zudem einmal, wie bizarr es mit dem Ehrgeiz werden kann. «Ich bin nun mal so gepolt, dass ich immer und überall der Erste sein will. Ob das morgens beim Hotellift das Bedürfnis ist, dass ich als Erster von allen Fahrgästen den Liftknopf drücke, oder bei jeder Art von Sport - egal, ich will der Erste sein. Manchmal muss ich mich dabei selbst zur Ordnung rufen, weil es mir komisch oder bizarr vorkommt. Aber es ist nun mal so.»

Kombiniert mit dem unüberhörbaren sportlichen Frust bei Ferrari führt das offenbar dazu, dass Vettel inzwischen über jeden schimpft, der ihm gerade querkommt. Red-Bull-Teamchef Christian Horner hatte in Mexiko erzählt, dass das jetzige Verhalten eines ist, dass er in seiner Zeit bei Red Bull Racing nicht an den Tag gelegt hatte. Was bei vier WM-Titeln in Folge aber auch nicht weiter verwunderlich ist. Intern sah das sowieso anders aus. Fragen Sie mal Mark Webber. «Er macht offenbar seiner Frustration Luft. Das kann jeder hören», so Horner über den heutigen Vettel.

Denn bei Ferrari läuft in dieser Saison wenig von dem zusammen, was man sich vorgenommen hat. Der Druck steigt, auch auf Vettel. Vor allem auf Vettel, von dem man anderes erwartet, als um die Plätze fünf und sechs zu fahren. Vor allem er erwartet anderes von sich. Gepaart mit seinem Ehrgeiz und kombiniert mit gefühlten Ungerechtigkeiten kam es zuletzt immer häufiger zu verbalen Entgleisungen. Was mit Nörgeleien über Blaue Flaggen anfing, gipfelte nun in Mexiko in eine regelrechte Schimpftirade.

So hat er zum Beispiel Fernando Alonso im Training als «Idioten» tituliert. Kurz vor Ende des Rennens teilte er FIA-Rennleiter Charlie Whiting mit, er könne sich zum Teufel scheren. Freundlich übersetzt. Was er Verstappen an den Kopf geworfen hat, ging in der Zensur des Funkspruchs unter.

«Im Auto sind die Emotionen groß. Man sagt Sachen, die man in einer normalen Situation nicht sagen würde. Ihr sitzt da draußen in klimatisierten Räumen, aber im Auto sieht das ganze etwas anders aus. Ich denke, es ist nicht fair, einen Fahrer nur nach den Äußerungen im Auto zu beurteilen», wehrte sich Vettel. Wohl wissend, dass seine Aussagen nicht überall gut ankommen. Vor allem nicht in der Häufung wie zuletzt.

Auch von mangelndem Respekt wollte er nichts hören. «Fernando Alonso ist einer der besten Fahrer, den wir im Feld haben. Natürlich kommt man mit einigen Fahrern besser aus als mit anderen. Aber der Respekt steht außer Frage. Wenn ich eine Niederlage hinnehme, dann gab es Fahrer die eine bessere Leistung abgeliefert haben. Ich suche nicht nach Ausreden. Ich ärgere mich auch über mich selbst», sagte er.

Und was ist mit der oft angeführten Vorbildfunktion für Kinder? «Ich denke natürlich während des Rennens nicht über Kinder nach, die uns zuschauen. Denkt Ihr, kleine Kinder denken über mich nach, wenn sie Rennen fahren? Nein. Es ist ein Sport, den wir alle lieben. Wenn man in engen Kämpfen ist, dann steigt der Adrenalinspiegel. Aber das ist es doch, was wir lieben. Manchmal überschreitet man eine Linie. Aber das gehört dazu», so Vettel weiter.

Und das stimmt. Emotionen gehören dazu. Sie sind essentiell in diesem Sport. In einem Sport, der in den vergangenen Jahren immer glattgebügelter wurde. In einem Sport, in dem jedes Wort inzwischen abgewogen wird und sich die Fahrer kaum mehr trauen, das zu sagen, was sie denken.

In Zeiten, in denen nach den Typen, den Kontroversen, der Unterhaltung geschrien wird, ist jemand wie Vettel Gold wert, auch wenn er in den vergangenen Wochen manchmal wie ein plärrendes Kind daherkam. Und natürlich ist in diesem Zusammenhang auch ein Verstappen ein Geschenk für die Formel 1, nicht nur fahrerisch, sondern auch menschlich. Ein Rotzlöffel, der ebenfalls Emotionen zeigt und im Fall von Vettel auch weckt.

Und wo Emotionen sind, da werden auch schon mal Grenzen überschritten, da wird die Wortwahl eben nicht abgewogen. Keine Frage: Vettel ist vor allem mit den Worten an Whiting über das Ziel hinausgeschossen, für diese Art von Beleidigung des Schiedsrichters gäbe es im Fußball mehrere Spiele Sperre. Vettel hat sich entschuldigt, und vielleicht gibt es auch noch ein Nachspiel. Was dann aber kein Grund dafür sein darf, beim nächsten Mal dann doch abzuwägen.

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