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Reinhold Joest ist 85: Perfektion und Zuverlässigkeit

Kolumne von Rainer Braun
Am 24. April feiert Reinhold Joest seinen 85. Geburtstag. Der Chef des berühmten Porsche- und Audi-Rennstalls «Joest Racing» war immer ein Verfechter von Perfektion und absoluter Zuverlässigkeit.

Porsche und Audi waren die Hersteller, mit denen Reinhold Joest und sein Team die größten Siege erreichten. Im Mittelpunkt stehen da vor allem die 24 Stunden von Le Mans. Mit 16 Gesamtsiegen gelang der Mannschaft um Reinhold Joest ein absoluter Rekord. Zur stolzen Le Mans-Bilanz mit Porsche und Audi kommen noch zehn Gesamtsiege bei den 12 Stunden von Sebring, sechs Erfolge bei den ALMS-Läufen über je 10 Stunden sowie zwei WM- und 4 ALMS-Titel. Und auch der mutige Ausflug mit Opel und dem schwierigen Patienten Calibra in die DTM/ITC wurde 1996 wurde mit der Meisterkrone belohnt.

Was immer Reinhold Joest und seine tüchtigen Team-Manager Domingos Piedade, Jo Matheis und Ralf Jüttner (in dieser zeitlichen Abfolge) angepackt haben, das war immer geprägt von Routine und Perfektion. Das galt auch alle Team-Mitglieder vom begnadeten Techniker bis hin zum einfachen Schrauber. Nur mit dem letzten Vertragspartner Mazda (2017-2020) fielen die Erfolge etwas weniger üppig aus. Ralf Jüttner (65), zugleich auch rechte Hand des Chefs, war seit 1992 ununterbrochen an Bord und hat sich mit seiner ebenfalls für das Team arbeitenden Frau Sigrun Ende 2019 in den Ruhestand verabschiedet. Beide sind aber auf Beraterbasis noch immer mit Joest Racing verbunden.

Aktuell kümmert sich «Joest Racing Classic» in Waldmichelbach im Odenwald um den boomenden Oldtimer-Geschäftszweig und bietet einen Rundum-Service für Vorbereitung und Einsatzbetreuung. Erst vor ein paar Wochen hat die Classic-Mannschaft zwei Porsche 962 neu aufgebaut und mit Testfahrten in Paul Ricard rennfertig gemacht. Überdies berät Joest mit seiner ganzen Erfahrung seit 2021 das Team des US-Amerikaners James Glickenhaus beim Einsatz ihres Sport-Prototypen in Le Mans und in der Sportwagen-WM.

Ein Blick zurück in die Anfangsjahre: Der Name Reinhold Joest taucht ab 1962 regelmäßig in den Ergebnislisten auf. Zunächst als Pilot eines blitzsauberen, roten 356 B-Porsche Carrera 1600 bei den großen Bergrennen der damaligen Zeit wie Eberbach, Schauinsland, Wallberg, Spessart, Rossfeld oder Bad Neuenahr.

In den ersten Jahren saß Joest immer selbst im Cockpit, mit dem Wechsel hin zu den Rundstrecken- und 1000-km-Rennen kamen zweite Fahrer hinzu. Zwischen 1966 und 1968 fuhr Joest ein Mischprogramm aus Rundstrecke und Berg mit Porsche und Abarth. In diese Zeit fiel auch die Gründung der «Scuderia Lufthansa», deren Emblem den Joest-Porsche 908 zierte.

Eher gemischte Gefühle überkommen Reinhold Joest, wenn er an die Saison 1969 mit dem Seitensprung zum Ford GT 40 des Kölner IGFA-Teams denkt. Zusammen mit Helmut Kelleners startete er in der Sportwagen-WM. Die Saison gestaltete sich durchwachsen und an deren Ende floh er schnell wieder zurück ins Porsche-Cockpit.

Danach drehte Reinhold fast nur noch an Porsche-Lenkrädern. Da war alles dabei, vom 908 über den 935 bis hin zum 936. Mit einem letzten Start zusammen mit Jochen Mass beim 9h-Rennen im Porsche 908 in Kyalami beendete Reinhold 1981 seine eigene Fahrer-Karriere und ging fortan in der Rolle des Team-Eigners völlig auf.

In den Jahren als eigenständiger Porsche-Rennstall genoss Joest die Sympathie, Vertrauen und Unterstützung der Vorstände des Stuttgarter Unternehmens. Ob zu Porsche-Zeiten von 1982-1998 oder als Einsatz-Team von Audi Sport ab 1999 bis 2016 – stets saßen die besten Sportwagen-Piloten im Cockpit.

Sogar der unvergessene Ayrton Senna erlebte seine Sportwagen-Premiere 1984 in einem Joest-Porsche 956 beim 1000 km am Nürburgring an der Seite von Henri Pescarolo und Stefan Johansson – es war sein erster und auch einziger Start im Sportwagen.

Zu den treuesten Piloten im Joest-Porsche gehörten Bob Wollek, Klaus Ludwig und Jochen Mass. In den 18 Audi-Jahren waren es dann vor allem die Dauersieger Tom Kristensen, Emanuele Pirro, Frank Biela, Rinaldo Capello oder auch Marco Werner.

Aktuell zeigt sich Reinhold nicht mehr allzu oft an der Rennstrecke. Stattdessen genießt er vermehrt das ruhige Leben des fortgeschrittenen Alters. Mit 85 sollte man sich das nach so einer langen, erfolgreichen und umtriebigen Zeit auch zugestehen.

Wenn allerdings ein runder Geburtstag bei ihm ansteht, wird es für Gratulanten stets schwierig, zu ihm vorzudringen. Dann nimmt er jedes Mal einfach Reißaus und lässt alle ratlos zurück. Das war schon immer so und wird sich wohl auch nicht mehr ändern. Dazu gibt es eine typische Geschichte rund um seinen 60. Geburtstag.

Wohlmeinende Freunde hatten sich 1997 in Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Reifenpartner Dunlop eine besondere Aktion ausgedacht: Der große Dunlop-Renndienstbus sollte bei Reinhold auf dem Betriebsgelände in Wald-Michelbach mit rund 30 ehemaligen Konkurrenten und Wegbegleitern aus seiner langen Porsche-Zeit vorfahren. Alles war mit seiner Frau und einer Assistentin unter strengster Geheimhaltung besprochen, beide hatten ausdrücklich für seine Anwesenheit garantiert. Die Idee fand großen Anklang, spontan gab es über 30 Zusagen. Ein paar Tage vor dem 24. April meldete sich die Assistentin kleinlaut: «Sorry, der Chef hat von der Sache blöderweise Wind gekriegt und ist leider an dem Tag nicht da.» So musste die ganze Aktion In Windeseile abgeblasen werden.

Und wo, wie und mit wem feiert Reinhold nun seinen 85.? «Das kann ich ihnen nicht sagen», so seine Assistentin auf Nachfrage, «Herr Joest ist auf Reisen und kommt erst nach seinem Geburtstag wieder zurück.» Seine langjährigere rechte Hand Ralf Jüttner sagt dazu nur dies: «Warum wundert mich das nicht?» Same procedure as every year.

Happy Birthday, Reinhold!


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