Vor 55 Jahren: Das Nebelrennen am Ring 1968
Was sich am ersten August-Wochenende 1968 bei Nebel und Sturzregen rund um den Formel-1-GP in der Eifel abgespielt hat, bezeichneten damals selbst hartgesottene Racer als «Ritt auf der Kanonenkugel» (Originalton des Brabham-Piloten Kurt Ahrens).
Schon am Freitag lag fast undurchdringlicher Nebel über der Nürburgring-Nordschleife. Dazu Regen, phasenweise wolkenbruchartig, auch am Samstag und am Sonntag. Trainingssitzungen der Formel 1 fielen aus, ein Rahmenrennen nach dem anderen wurde abgesagt, nur die Formel V durfte noch bleiben. Auch das F1-Training geriet gehörig durcheinander.
Ich war damals einer der Streckensprecher und hatte die Aufgabe, mich um Training und Rennen der Formel V zu kümmern. Aber statt schneller Trainingszeiten musste ich immer neue Verschiebungen und Absagen verkünden. Es ging fast nichts voran.
Erst am Sonntag, ein paar Stunden vor dem Starttermin der Formel 1, ließ die Rennleitung überraschend das rund 60 Wagen starke Formel-V-Feld zum ersten und einzigen Training aufrufen.
Dazu wurde mir dieser Text zur Durchsage vorgelegt: «Wichtige Mitteilung der Rennleitung, Formel V sofort vorziehen zum Training. Bitte fahren Sie mit äußerster Vorsicht, die Fahrbahn ist durch Geröll stellenweise verschmutzt und die Sicht stark eingeschränkt.»
Hinter dem überraschenden Trainingsaufruf für die Formel V bei weiterhin unsäglich schlechten Bedingungen steckte allerdings aus heutiger Sicht eine abstruse und geradezu unverantwortliche Idee (die mir ein Mitglied der Rennleitung später auch verraten hat). Das Rudel der Formel-V-Piloten sollte den Nebel «wegfahren», damit anschließend die Formel 1 wenigstens einigermaßen akzeptable Bedingungen für ihr Rennen vorfindet.
Das Vorhaben gelang insofern nicht, als im Verlauf der wenigen Trainingsrunden erstens gleich mal fast ein Dutzend der rund 60 Formel V-Piloten im Abseits landeten (einer fuhr sogar in der Rechtskurve vor dem Anstieg zum Karussell geradeaus). Und zweitens war der Nebel am Ende noch dichter als vorher. Für das Rennen, von dem keiner wusste ob es je gefahren wird, blieben aber immerhin noch etwa 50 Autos übrig.
Der Start sollte eigentlich noch vor der Formel 1 erfolgen, wurde aber immer weiter nach hinten verschoben. Schließlich entschied man sich dafür, das Feld der Formel V erst nach der Formel 1 gegen 18.00 Uhr mit verkürzter Rundenzahl (fünf statt sechs) starten zu lassen.
Nachdem Jackie Stewart im Matra-Ford seinen denkwürdigen Nebel-Sieg mit einem Rekordvorsprung von über vier Minuten eingefahren hatte, starteten dann gegen Abend tatsächlich auch noch die Formel-V-Fighter zu ihrem EM-Rennen um den «AvD Deutschland Pokal».
Starkregen und dichter Nebel waren auch zu diesem Zeitpunkt unverändert präsent. Kein Wunder, dass noch während der Vorstart-Aufstellung in der Boxengasse einige Teilnehmer angesichts der Situation Unbehagen befiel und sie sich kurzfristig zum Verzicht entschlossen.
Solch ängstliche Reaktionen lagen den schon im kurzen Training dominanten Österreichern Dr. Helmut Marko und Günther Huber (beide Kaimann) fern. Mutig stürzten sie sich gleich nach dem Start auf die vernebelte Nordschleife und setzen sich sofort ab. Huber drehte sich aber unterwegs und verlor alle Siegchancen. Marko gewann die Nebel-Schlacht mit rund fünf Sekunden Vorsprung auf den megastarken Amerikaner Bill Scott (Zink).
Dahinter auf den Plätzen 3 bis 6 mit Gerold Pankl, Werner Riedl (beide Austro V), Günther Huber und Erich Breinsberg (beide Kaimann) nochmal vier Österreicher. Auch die schnellste Runde mit einem Schnitt von 121,2 km/h ging an Marko.
Dass es bei diesen Verhältnissen, die zum Teil noch schlechter waren als zuvor bei der Formel 1, keine schweren Unfälle gab, grenzte schon an ein kleines Wunder. Selbstkritisch erkannte denn auch so mancher Formel V-Pilot hinterher, «dass wir eigentlich alle geschlossen den Start hätten verweigern müssen, aber bring’ mal 60 Mann unter einen Hut ...» (Originalton des deutschen Kaimann-Piloten Helmut Bross).
Monate später habe ich den damaligen AvD-Sportchef Herbert Wilhelm Schmitz nochmals auf das Nebelrennen und die Verantwortlichkeit angesprochen. Er hat mir unumwunden gesagt: «Wenn bei der Formel 1 oder der Formel V was Größeres passiert wäre, etwa ein Unfall mit Zuschauern oder ein toter Fahrer, dann hätte sich die ganze Rennleitung vor Gericht rechtfertigen müssen. Fragen Sie mich nicht, wie das Verfahren ausgegangen wäre. Ich jedenfalls war für eine komplette Absage, habe mich aber nicht durchsetzen können.»