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Boxenstrategie: Von Fangio zu Patrese zu Norris

Kolumne von Uwe Mahla
​Das gehört zur modernen Formel 1 wie Pole zu Position: taktisch klug angesetzte Reifenwechsel. Ein neuer Rekord von McLaren ruft mir in Erinnerung – das ist seit langem fester Bestandteil der Königklasse.

«Die wechseln die Reifen so fix – das sieht ja aus wie Zauberei», staunte meine kleine Enkelin unlängst, als sie neben mir den Grand Prix von Katar verfolgte. In der Tat war sie Augenzeugin eines unglaublichen Rekords geworden.

Die Wahnsinns-Bestmarke von McLaren für vier gewechselte Reifen in 1,8 Sekunden (tatsächlich häufen sich inzwischen die Reifenservices unter zwei Sekunden) erlaubt mal einen tiefen Griff in die Historie der Formel 1: So selbstverständlich heute die planmäßigen Boxenstopps sind, so ungewöhnlich und überraschend waren sie bisweilen im Laufe der Geschichte. Zwei sehr unterschiedliche Beispiele.

Das Faszinosum und der glamouröse Name Maserati erklären sich ein gutes Stück weit aus der – zeitweise äußerst erfolgreichen – Teilnahme im schillernden Grand Prix-Sport. Die ruhm- und zugleich erfolgreichste Phase waren die Jahre 1954 bis 1957 mit acht von insgesamt elf Siegen, allesamt erzielt mit dem Typ 250 F.

Der Maserati 250 F ist ein über einen ungewöhnlich langen Zeitraum eingesetzter Grand Prix-Rennwagen, der angesichts der vielen weltweiten Formel-1-Rennen, die seinerzeit nicht zur Weltmeisterschaft zählten, und angesichts vieler namhafter Privatfahrer zu einem echten, einmaligen Erfolgstyp wurde.

Die Erfolgsbilanz des 250ers ist untrennbar mit dem Namen des Ausnahmepiloten Juan Manuel Fangio verbunden. Der argentinische Weltmeister von 1951 bescherte Maserati nicht nur, wie erwähnt, den ersten Grand Prix-Sieg, sondern weitere fünf. Davon zwei in jenem Jahr 1954, als er nach dem zweiten Rennen auf Mercedes umstieg, um zum zweiten Mal Weltmeister zu werden.

1955 wiederholte er den WM-Triumph auf Mercedes, wechselte 1956 nach dem Aus der Stuttgarter zu Ferrari und wurde dort wiederum Champion. Fangio fühlte sich dort trotz des Ferrari-Erfolgs nicht glücklich und entschied sich 1957 abermals für Maserati.

Alles andere als eine schlechte Wahl, denn bis zum Großen Preis von Deutschland avancierte er abermals zu einem der Titelaspiranten. Den dramatischsten Sieg in der langen Laufbahn des Maserati 250 F und einen der bemerkenswertesten Erfolge seiner an schier unglaublichen Leistungen reichen Karriere errang Juan Manuel Fangio dann beim Großen Preis von Deutschland 1957 auf der Nordschleife des Nürburgrings.

Dazu sei aber eine ganz andere Geschichte vorweg erzählt: 15. August 1982, Grand Prix Österreich in Zeltweg. Der im Brabham-BMW führende Riccardo Patrese kommt an die Box gerauscht, Reifen werden gewechselt, Sprit nachgefüllt. Weg, wieder in Führung.

Zu jener Zeit waren Boxenstopps nicht vorgeschrieben und eher außerplanmäßig. Die Taktik des sogenannten geplanten Stopps im Stenogramm: Halbvolle Tanks, leichtes Auto, weiche Reifen, weniger Strapazen für Bremsen und Getriebe – die Rechnung ging auf, man war über die Distanz schneller als die Konkurrenz.

Das Debüt dieses Überraschungs-Coups sollte übrigens schon zwei Rennen zuvor stattfinden, fiel aber zunächst aus, weil die Brabham-Piloten bis dahin vor den Boxenstopps ausgefallen waren.

Was das alles mit Fangios Jahrhundert-Rennen am 4. August 1957 in der Eifel zu tun hat?

Dort feierte, freilich aus anderen Gründen, aber mehr oder weniger mit denselben Überlegungen, die später von Brabham so erfolgreich angewandte Strategie bei Maserati Premiere.

Man wusste, so berichten zeitgenössische Quellen, dass Maseratis Pirelli-Reifen weicher waren als die der Konkurrenz. Das war, anders als heute, nicht primär ein Schnelligkeits-Vorteil, sondern ein Nachteil des höheren Verschleißes. Bei Maserati war man sich klar darüber: Die Reifen überleben die Nürburgring-Distanz nicht.

Andere Rennberichte führen aus, man sei unsicher gewesen, ob eine Tankfüllung von 260 Litern für die ganze Distanz von knapp über 500 Kilometern reichen würde.

Fangio traute sich zu, dem Feld um etwa 30 Sekunden davonzufahren. Das Team versprach, ihn in diesem Zeitraum mit neuen Hinterrädern und, da er unter diesen Umständen aus Gewichtsgründen nicht mit vollem Tank starten würde, frisch betankt abzufertigen.

Bis zum Boxenstopp ging alles gut, der dauerte dann allerdings die doppelte Zeit.

Doch da spielten Fangio und der Maserati ihre Überlegenheit aus. Der Argentinier tobte durch die Eifel, feilte Stück für Stück am Rückstand auf die beiden führenden Ferrari-Piloten Peter Collins und Mike Hawthorn weg.

Am Ende war der Maserati mit der gelben Nase vorn: vierter Sieg im sechsten WM-Lauf des Jahres und neuerlicher, fünfter WM-Titel, Formel-1-Weltmeister auf Maserati 250 F.

Dank cleverer Strategie.


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