Formel 1 in Brasilien: Inspiration aus der Schweiz
Interlagos vor 50 Jahren: Emerson Fittipaldi gewinnt 1973 im Lotus
Die Formel 1 zieht vom Grand Prix der USA über den WM-Lauf von Mexiko also weiter zum Traditions-GP von Brasilien, nicht wahr? Nein, eigentlich nicht wahr. Denn, von den meisten Fans und Fachleuten ignoriert, handelt es sich beim kommenden Grand Prix um den Grossen Preis von São Paulo.
Vor gut drei Jahren, am 13. November 2020, wurde eine Vertragsverlängerung bestätigt zwischen dem damaligen Formel-1-Geschäftsleiter Chase Carey und den Organisatoren des Traditions-GP im Stadtteil Interlagos. Aufgrund der finanziellen Unterstützung der Stadt und des Bundesstaates São Paulo wurde damals beschlossen, dass der Grand Prix nicht mehr nach Brasilien benannt wird. Das neue Abkommen gilt bis einschliesslich 2026.
Die Beteiligung der Stadt für einen neuen Fünfjahresvertrag betrug umgerechnet 19 Millionen Euro, die Beteiligung des Bundesstaates ist nie kommuniziert worden.
Der Grosse Preis von Brasilien findet im Rahmen der Formel-1-WM seit 1973 statt, die ersten fünf WM-Läufe sowie die Rennen von 1979 und 1980 gingen auf dem «Autódromo José Carlos Pace» von Interlagos in São Paulo über die Bühne; 1978 sowie von 1981 bis 1989 war das «Autódromo Internacional Nelson Piquet» in Rio de Janeiro Austragungsort. Von 1990 bis 2019 kehrte die Königsklasse nach Interlagos zurück. 2020 konnte das Rennen wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden.
Offiziell heisst die Rennstrecke «Autódromo José Carlos Pace», sie trägt den Namen des 1977 mit dem Flugzeug abgestürzten Brabham-Piloten. Damit ist die brasilianische Bahn eine von drei Strecken im WM-Programm 2023, die nach Rennfahrern benannt sind (die anderen sind das Autódromo Hermanos Rodríguez in Mexiko-Stadt, nach Pedro und Ricardo Rodríguez, und der Circuit Gilles Villeneuve in Montreal).
Immer wieder fragen Leser: Wieso wird der Rundkurs in Brasilien gemeinhin als «Interlagos» bezeichnet?
Die Antwort ist verblüffend, denn die Wurzeln reichen in die Schweiz! Im Jahre 1926 wollte der in Venezuela geborene Brite Louis Romero Sanson, Besitzer eines Bau-Unternehmens, das Gebiet im Sinne einer Stadterweiterung nutzen. Geplant war «Balneário Satélite da Capital», eine Satellitenstadt mit Wohnhäusern, enormen Sportstadien, das Ganze eingebettet zwischen zwei Wasser-Reservoirs.
Romero Sanson verpflichtete den Franzosen Alfred Agache mit der Architektonik, der schon in Rio de Janeiro neue Stadtviertel entworfen hatte. Agache sah sich das Gelände an und fand, es erinnere ihn an die Region von Interlaken in der Schweiz. Aus Interlaken (zwischen den Seen) wurde in portugiesischer Sprache Interlagos.
Die meisten Pläne von Romero Sanson und Agache wurden von der Weltwirtschaftskrise beendet. Heute liegt die Rennstrecke auch nicht mehr ausserhalb der Stadt, sondern ist längst Teil der 12,33-Millionen-Metropole geworden.
Eine weitere Eigenheit von Interlagos: Das Autodrom ist einer von sieben WM-Kursen 2023, die im Gegenuhrzeigersinn befahren werden (neben Baku, Miami, Austin, Dschidda, Las Vegas und Yas Marina).