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Essen Motor Show: Publikums-Magnet wird 55

Kolumne von Rainer Braun
Im Jahre 1968 hatten drei motorsportbegeisterte Männer die Idee, in Essen eine Rennwagen-Ausstellung zu veranstalten. Daraus entstand ein Spektakel, das Millionen fasziniert.

Wenn die «Essen Motor Show» am 2. Dezember dieses Jahres ihre Tore öffnet, feiert sie gleichzeitig ihr 55. Jubiläum. Schon erstaunlich, was aus der Biertisch-Idee von drei rennbegeisterten Herren geworden ist. In den ersten Monaten des Jahres 1968 hatten der Sport-Manager Wolfgang Schöller, der Rennfahrer Dieter Fröhlich und der Sport-Journalist Thomas Kommer beschlossen, der Messe Essen eine Rennwagen-Ausstellung schmackhaft zu machen.

Sie trugen ihre Idee dem damals amtierenden Direktor Walter Bruckmann vor – und der entschied kurz und knapp: «Gut, Schöller, dann machen Sie und Ihre Freunde das mal.»

Die Aufgaben waren schnell verteilt. Schöller übernahm die Organisation, Fröhlich Beschaffung und Transport der Rennautos und Kommer die Pressearbeit sowie die Rekrutierung prominenter Rennfahrer.

Am 2. November 1968 wurde die «1. Internationale Sport- und Rennwagen-Ausstellung Essen» durch Bergkönig Hans Stuck sen. und Porsche-Werksfahrer Rolf Stommelen eröffnet.

An den folgenden acht Tagen strömten knapp 60.000 Zuschauer in die Essener Gruga-Hallen 3 und 4. Auf 7.000 qm waren rund 60 Rennautos aller Kategorien zu bestaunen. Am Schlusstag erschien durch Vermittlung von Thomas Kommer sogar der frischgekürte Formel-1-Weltmeister Graham Hill direkt vom WM-Finale in Mexiko zur Autogrammsitzung. Seine Gage betrug 4.000 D-Mark.

40 Jahre später wehte gagenmäßig da übrigens ein ganz anderer Wind – Niki Lauda beispielsweise forderte 2008 für die Teilnahme an der Jubiläums-Pressekonferenz «40 Jahre Motorshow» 60.000 Euro inklusive Kosten für seinen Flieger – Wolfgang Schöller lehnte dankend ab. Ansonsten bewegten sich die Honorare für prominente Eröffnungsgäste und F1-Weltmeister im Schnitt umgerechnet zwischen 10.000 und 20.000 Euro.

Schon im zweiten Jahr vereinbarte Schöller mit Jochen Rindt und seiner Wiener Rennwagen-Ausstellung eine Partnerschaft, die für beide Seiten zu einer Minimierung der Kosten für Leihgebühren und Transport der Ausstellungsstücke führen sollte.

Nach Jochens Tod 1970 trug die Essener Ausstellung noch einige Jahre seinen Namen und firmierte unter «Jochen Rindt Show». Jochens Gattin Nina blieb der EMS noch über 30 Jahre als Beraterin erhalten.

Wolfgang Schöller wurde im Laufe der Jahre zum Dreh- und Angelpunkt und hat aus der «Essen Motor Show», wie sie seit Jahren offiziell heißt, ein Mega-Event gemacht.

Zwischen 300.000 und 400.000 Zuschauer strömten ab 1988 jeweils gegen Ende November/Anfang Dezember neun Tage lang nach Essen, um die Ausstellungsstücke der inzwischen größten Motorshow der Welt zu bestaunen. Vor allem aus den Niederlanden reisten tausende Fans und Tuning-Freunde regelmäßig an.

Über mehrere Jahrzehnte erlebt die Essen Motor Show beständige Wachstumsraten und einen Zuschauerrekord nach dem anderen. Die Hallen waren oft beängstigend voll, um nicht zu sagen restlos überfüllt. Für die Messe Essen entwickelte sich die Motor Show schon wenige Jahre nach der Premiere zur Goldgrube und wurde dauerhaft zum größten und ertragsreichsten Event.

Leider ist das hohe sportliche Niveau der Ausstellung in den letzten Jahren im Gleichschritt mit Schöllers Rückzug auf Raten und seinem endgültigen Ausscheiden mehr und mehr verloren gegangen.

Ohne Schöller lief bis dahin fast nichts, er galt als der uneingeschränkte Herrscher und Macher der EMS. Im August 2017 starb er nach längerer Krankheit.

Auch die zwei anderen Partner der ersten Stunde sind heute nicht mehr an Bord – Dieter Fröhlich schied schon 1970 wieder aus dem Gremium aus und starb im August 2013.

Nur PR-Mann Thomas Kommer (heute 78) blieb immerhin mehr als ein halbes Jahrhundert und verabschiedete sich erst im letzten Jahr in den endgültigen Ruhestand. Ein Kompetenz-Team der Messe Essen übernahm vor 15 Jahren die Verantwortung.

So mancher Racing-Freak und Motorsport-Fan, der die EMS in den letzten Jahren besucht hat, zeigte sich nicht selten enttäuscht von dem, was er da zu Gesicht, oder besser gesagt nicht mehr zu sehen bekam.

Immer weniger Rennfahrzeuge und kaum noch große Rennfahrernamen und Live-Interviews mit Piloten der im Rennsport engagierten Hersteller wie Mercedes, Opel, Audi oder Porsche. Auch die Präsenz der motorsportlich orientierten Unternehmen nahm mehr und mehr ab. Selbst die früher zu jeder EMS gehörenden Vertragsgespräche zwischen Fahrern und Teams für die neue Saison finden nur noch selten oder gar nicht mehr statt.

Als weitere Kritikpunkte werden genannt: zu viele Verkaufsstände, Devotionalien-Händler und reichlich Show-Effekte in den Messehallen.

Altgediente Besucher bringen es etwa so auf den Punkt: Das alles gleicht einem riesengroßen Bazar, viele gehen da noch hin, weil sie schon immer hingegangen sind. Aber als echter Fan und Freak hast du da keine große Freude mehr.

Und manch einer ist sogar der Meinung, dass die an gleicher Stelle jeweils im Frühjahr stattfindende «Techno Classica» rein sportlich inzwischen mehr zu bieten hat als der große Bruder EMS.

Trotzdem bleibt die EMS wohl auch weiterhin ein Zuschauer-Magnet, vor allem für die die Fans der Tuning-Szene. Zwar sind die Zeiten mit 400.000 Besuchern und mehr wohl endgültig vorbei, denn Qualitätsschwund und Corona-Pandemie haben ihre Spuren hinterlassen. So musste die EMS 2020 erstmals in ihrer 55-jährigen Geschichte wegen der Pandemie ganz ausfallen. Der Neustart 2021 fiel wegen strenger Hygiene-Auflagen vom Zulauf her eher bescheiden aus, aber 2022 hatte sich die Besucherzahl wieder bei rund 200.000 stabilisiert. Ob bei der Jubiläumsausgabe 2023 eine weitere Steigerung auf das Niveau vor Corona erreicht wird, bleibt abzuwarten.

Jedenfalls hat sich die Messe Essen für ihre Motor Show ein «Happy 55» verdient. Und die Geschichte dazu soll auch eine Erinnerung an die einstigen Gründerväter sein.

Essen Motor Show: Die wichtigsten Stationen

1968 Start in 2 Hallen auf 7000 qm mit knapp 60.000 Besuchern
1969 Partnerschaft mit der Jochen Rindt Show in Wien
1970 Umbenennung in «Jochen Rindt Show Essen»
1971 Die Marke von 100.000 Besuchern wird geknackt
1973 Besuchereinbruch durch Energiekrise und Fahrverbot
1984 Die Marke von 200.000 Besuchern ist erreicht
1988 Das 20-jährige Jubiläum wird gefeiert
1988 Die Marke von 300.000 Besuchern wird überschritten
1995 Die EMS gilt bereits als weltweit konkurrenzlos
1996 Umbenennung in «Essen Motor Show» (EMS)
2001 Fällt die Marke von 400.000 Zuschauern
2002 Alle 18 Messehallen und 110.000 qm sind jetzt belegt
2004 Allzeit-Rekord von 416.500 Besuchern
2005 Schneechaos am 1. Wochenende kostet Zuschauer
2005 Auflösung der Partnerschaft mit Nina Rindt nach 35 Jahren
2006 Der 10.000.000. Besucher wird registriert
2007 Orga-Chef Schöller ist auf eigenen Wunsch nur noch Berater
2008 Feiert die EMS ihr 40-jähriges Jubiläum
2008 Ein neues Kompetenz-Team der Messe übernimmt die Leitung
2013 EMS-Mitgründer Dieter Fröhlich stirbt mit 73 Jahren
2014 Presse und Fans bemängeln Qualitäts-Verluste
2019 Stehen insgesamt ca. 15 Millionen Besucher zu Buche
2017 Ex-Orga-Chef Wolfgang Schöller stirbt mit 74 Jahren
2018 Die EMS feiert ihr 50. Jubiläum mit vielen Stars
2020 Erstmals Absage der EMS wegen der Corona-Pandemie
2021 Fortsetzung mit strengem Hygiene-Konzept, Zuschauerschwund
2022 Thomas Kommer (77) geht als Letzter des Gründer-Trios von Bord
2023 Die EMS feiert ihr 55. Jubiläum

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