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Zu Harald Ertls Todestag: Er war ein Profi

Kolumne von Uwe Mahla
Harald Ertl, 31. August 1948 – 7. April 1982.

Harald Ertl, 31. August 1948 – 7. April 1982.

Heute vor 42 Jahren verunglückte der in Österreich geborene, mit deutscher Rennlizenz fahrende Harald Ertl. Rennfahrer, Manager, Konstrukteur, Journalist, Unternehmer: Erinnerungen an einen Menschen mit hoher Drehzahl.

Am 7. April 1982 erreichte mich spät am Abend ein Anruf meines früheren Chefredakteurs Hermann Burnitz: «Harald Ertl ist tot. Können Sie mir ganz schnell einen Nachruf schreiben?» Noch in der Nacht schrieb ich auf, was mir spontan zu dem am 31. August 1948 in Zell am See geborenen Wahl-Mannheimer einfiel. Zu seinem heutigen Todestag liefere ich den Text im Original hier ab.

Solange ich Motorsportjournalist war und über Rennen und Rennfahrer berichtet habe, fürchtete ich mich davor, einmal über einen von ihnen schreiben zu müssen weil es plötzlich nicht mehr geben würde. Es blieb mir bis zum heutigen Tage erspart. An Harald Ertl, der wie ich geraume Zeit als Redakteur bei rallye racing gearbeitet hatte, habe ich dabei aus unerfindlichen Gründen nie gedacht. Auch nicht daran, wie er ums Leben gekommen ist. Seine Familie und die seines Schwagers waren mit einer sechssitzigen Beechcraft auf dem Weg in die Osterferien nach Sylt. Durch einen Defekt am Triebwerk kam es zu dem Absturz, bei dem vier der sechs Insassen starben. Nur Ertls Frau Vera und sein dreijähriger Sohn Sebastian überlebten, lebensgefährlich verletzt, das Unglück. Harald Ertl – eine Rennfahrer-Persönlichkeit, die zu den ganz Großen des deutschsprachigen Motorsports gehörte, ein Sportler, der nicht nur mit seinen Erfolgen im Rennwagen weit über dem Durchschnitt stand, sondern der auch auf seine intelligente, oft sogar nüchtern wirkende Weise das Bild des Rennfahrers in der Öffentlichkeit positiv beeinflusste. Harald Ertl war ein Profi.

«Ich bin in Hannover, in einer Stunde schaue ich bei euch vorbei.» Seine Stimme klang kratzig, die Leitung war nicht störungsfrei. Harald saß bei flotter Fahrt hinter dem Lenkrad seines Jaguar und kündigte wie üblich per Autotelefon seinen Besuch an. Das war sein Tempo, so operierte er ständig. Möglichst viel rationell abwickeln und das besser als andere, so lautete eine seiner Devisen. Wenn er dann bei uns in der Redaktion durch den Flur gekurvt kam, lag für jeden von uns ein Auftrag in der Luft.

Es gab kaum einen Plan in seinem Kopf – und der sprudelte über von tollen Ideen – in den nicht die Mithilfe anderer integriert war. Und Harald hatte wie kaum ein anderer die Gabe, diese Integration so attraktiv darzustellen, dass für den Betroffenen selbst auch eine Menge Gutes herauskommen musste. Der solchermaßen Eingespannte hatte auch wirklich immer etwas davon. Bei Ertl gab es keine unzufriedenen Sponsoren oder Partner. Kurzum – ein Mann, der wusste, was er wollte und was er zu tun hatte, um das Gewollte zu erreichen. Ein Profi als Rennfahrer, ein Profi, wenn es darum ging, sich als Rennfahrer in des Wortes bester Bedeutung gut zu verkaufen.

voller Terminkalender

Wenn Harald also bei uns aufkreuzte, pflegte er uns sein Programm zu schildern: «Heute geht es ganz gemütlich zu, so unter uns zum Abendessen, alle sind eingeladen.» Morgen fliegt er dann kurz nach Berlin, mittags ist er dann natürlich wieder hier, der Soundso wird sich an seinem neuen Projekt beteiligen, abends will er in Frankfurt zu einer Pressekonferenz und übermorgen früh wird in Hockenheim getestet. Hektik kam dabei nie auf, weder bei der Schilderung, auch wenn zwischendurch mein Telefon zweimal für ihn schellte, noch bei dem Zeitraffertempo, das den energiegeladenen Manager in eigener Sache niemals zu ermüden schien. Wenn wir dann schon leicht abgeschafft beim Nachtisch saßen, trug er, als hätte er sich sein Leben lang mit nichts anderem als dem aufgeworfenen Thema beschäftigt, einen plausiblen Beitrag vor. Das war dann mindestens der fünfte zum fünften Thema. Außer unserer kleinen Redaktionsmannschaft hatte er mal eben alle Hamburger Journalisten eingeladen, die mit dem Motorsport zu tun hatten. Mit jedem von ihnen wollte Harald ein paar verbindliche gescheite Wort wechseln.

Ich erinnere mich gut an seine ersten stürmischen Auftritte Anfang der 70er Jahre auf deutschen Rennpisten. In seinem  alten Karmann Ghia kam er daher, ein bisschen gammelig und offensichtlich knapp bei Kasse: In der Formel V oder im Tourenwagen gab es in jenen Tagen für ihn meist nur zweierlei: Sieg oder Ausfall. Unbegrenzter Einsatz und spektakulärster Drift – daran erkannten ihn die Zuschauer, ohne nach seinem Namen zu schauen. Das war die Zeit, da sein Name zum Verb wurde, Erteln, das war die schnelle Verarbeitung eines rennfertigen Mobiles in ein nicht mehr mobilen Haufen aus Blech, Glas, Gummi und Metall, dessen Wert sich am gängigen Kilopreis für Schrott orientierte.

Trotz der vielen Unfälle verletzte sie Ertl nur einmal ernsthaft. Erst viel später, beim Training zum Großen Preis von Kanada 1976, zog er sich einen Hüftgelenksbruch zu. Fast im Widerspruch dazu stand die Manier, in der er seinen größten Erfolg sicherte, den Gewinn der deutschen Automobil-Rennsportmeisterschaft, in die er nach 20 Großen Preisen als großes Ass einstieg. Mehr noch als die Siege, die er 1978 errang, war es seine schonend kalkulierte Art, mit der er den Meistertitel förmlich erwirtschaftete.

Der ertlsche Zwirbelbart, ein außergewöhnlich gepflegtes Exemplar dieser Art Manneszierde mit zentimeterlang hochgespreizten Schnauzhaaren, war sein Markenzeichen. Aber es war mehr als das: ein ausgeprägter sympathischer Unterscheider. Oder um es anders auszudrücken: Harald Ertls Auftreten war bis in die äußersten Fasern seiner langen Bartspitzen durchdacht. Motorsport in kleinsten bescheidenen Anfängen (wie bei seinem Klassenkameraden Jochen Rindt), Rennfahrer in der höchsten Klasse Formel 1 (wie sein Landsmann Niki Lauda, an dessen Rettung beim Großen Preis von Deutschland 1976 er maßgeblich beteiligt war), Rennsport als Broterwerb und als Basis für weitere Berufstätigkeit – das waren Ertls Stationen im schnellen Gewerbe.

 1981 hat er sich ganz seiner zwei Jahre zuvor gegründeten «Harald Ertl GmbH» gewidmet, die eine Reihe von Rahmenaktivitäten zum Motorsport betreibt. Daneben betätigte sich Ertl als Konstrukteur. Zuerst entwickelt er einen Gruppe 5 Lotus, später einen mit Gas betriebenen BMW M1, mit dem er einen Geschwindigkeitsweltrekord aufstellte und den er demnächst in einer kleinen Serie auflegen wollte. Aus Spaß an der Rennerei stieg er dieses Jahr wieder in ein Renncockpit. Nicht in einen leichtgewichtigen 600 PS-Riesen, sondern in einen kleinen Renault 5-Produktionswagen. Wer hätte sich da Sorgen um Harald Ertl gemacht?

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