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Zandvoort 1980: Der Tod von Hans-Georg Bürger

Von Rainer Braun
​Drei Monate nach Markus Höttinger in Hockenheim 1980 verunglückte dessen Freund Hans-Georg Bürger, beim F2-EM-Lauf in Zandvoort. Erinnerungen zum 45. Todestag eines Supertalents.

Sein Tod war ein einziges Drama. Drei Monate nach seinem Freund Markus Höttinger (23) verunglückte auch Hans-Georg Bürger tödlich. Im Warm-Up zum Formel 2-EM-Lauf am 20. Juli 1980 in Zandvoort traf der Pfosten eines Fangzauns seinen Kopf – der Vollvisierhelm zerbrach.

Die Ärzte in Amsterdam konnten nichts mehr für ihn tun, sein junges Leben endete mit 28 Jahren. Zwei Freunde, ein Schicksal. Die Parallelen der tödlichen Unfälle von Markus Höttinger und Hans-Georg Bürger sind erschreckend.

Beide starben innerhalb von drei Monaten bei einem Formel 2-Rennen. Beide waren gleich alt und BMW-Schützlinge. Beide Helme brachen, beide hatten fast identische Kopfverletzungen, bei beiden wurde die gleiche Verschleierungstaktik über den tatsächlichen Zustand nach dem Unfall praktiziert.

Und schließlich hatten beide die gleichen Karriere-Stationen durchlaufen und waren dabei immer Konkurrenten und zugleich auch beste Freunde: R5-Cup, Formel 3, DRM mit BMW, M1 Procar und schließlich Formel 2 als BMW-Werksfahrer.

Ein Drama, wie es schlimmer kaum sein konnte.

Ich erinnere mich noch sehr genau an diesen grauen, verregneten Vormittag des 20. August 1980 in Zandvoort. Zusammen mit Norbert Haug und Dieter Glemser saß ich auf der Pressetribüne. Wir beobachteten das Warm-Up und stoppten die Zeiten unserer deutschen Freunde Winkelhock und Bürger.

Plötzlich rote Flagge, Abbruch, die Autos rollten langsam in die Boxengasse, nur Bürger fehlte als einziger. «Nichts Besonderes passiert, ein kleiner Unfall, der Fahrer ist nur in den Fangzaun gerutscht und ein bisschen benommen» – so die Rennleitung damals auf unsere besorgte Nachfrage.

Erst nach und nach sickerte die grausame Wahrheit durch. Ein Pfosten des Fangzauns hatte beim Aufprall Bürgers Kopf getroffen, sein rot-weiß lackierter Simpson-Helm zerbrach dabei in zwei Teile. Der bewusstlose Pilot wurde in die erbärmliche Sanitäts-Bretterbude im Fahrerlager gebracht.

Weil das medizinische Personal mit dem Patienten überfordert war, wurde er im Krankenwagen (wieder mal war kein Hubschrauber da!) zur weiteren Behandlung ins Krankenhaus nach Haarlem transportiert. Dort erkannte man sofort den Ernst der Lage und veranlasste unverzüglich eine Verlegung in eine Spezialklinik nach Amsterdam.

In Zandvoort irrte derweil Bürgers Ehefrau Anni, eine kleine, grazile Person, durchs Fahrerlager, um Genaueres über den Zustand ihres «Schorsch» in Erfahrung zu bringen. Erst nach mehrmaliger Intervention von Norbert Haug und mir bequemte sich die Rennleitung widerwillig, der Ehefrau eine geschönte Version über den Zustand ihres Mannes zu übermitteln.

Die lautet sinngemäß so, dass ihr Mann sicherheitshalber zur Untersuchung ins Krankenhaus nach Haarlem gebracht wurde und sie sich dort über Einzelheiten erkundigen möge. Wir empfanden das damals als Unverschämtheit sondergleichen, dass man die Frau eines verunglückten Fahrers so abfertigt.

Als Anni ins Hospital kam, war Hans-Georgs Schicksal bereits besiegelt, er galt als Hirntod ohne jede Aussicht auf Lebenserhalt. Anni fragte mit leerem Gesichtsausdruck: «Warum haben mich bloß alle belogen?» Ein furchtbarer Moment.

Bei der Beerdigung hatte das kleine Eifeldörfchen Welschbillig bei Trier den größten Menschenauflauf seiner Geschichte zu verkraften – weit über 1000 Trauergäste begleiteten Hans-Georg Bürger auf seinem letzten Weg, darunter fast die ganze deutsche Motorsport-Prominenz.

Dabei war er erst seit einem Jahr stolzer Papa eines Sohnes, hatte sich mit Ehrgeiz, Energie und seinem angeborenen Fahrtalent innerhalb von vier Jahren im Gleichschritt mit Kumpel Höttinger im Eilzugtempo nach oben durchgekämpft.

Schon im Renault 5-Cup wurde sein Talent sichtbar, in der Formel 3-DM, im BMW 320 und in der BMW M1-Procar-Serie zeigte er allen, was er konnte. Ein BMW-Werksvertrag und die Formel 2-EM in Tim Schenkens Tiga-Team waren die nächsten Stationen, danach hatte BMW das Aufrücken ins March-BMW F2-Werksteam und Formel 1-Testfahrten schon fest eingeplant.

Bürgers größter Karrierebeschleuniger und Fan war der seinerzeit amtierende BMW-Sportchef Dieter Stappert, der in dem jungen Mann aus der Eifel «viele Wesenszüge von Jo Siffert» wiederzuerkennen glaubte.

Die Art, wie Bürger bei seinem Procar-Debüt im Werks-M1 den Grand Prix-Stars in Hockenheim die Pole entriss und anschließend im Rennen Pironi, Lauda, Stuck & Co das Leben schwer machte, war schon sehenswert. Stappert war sogar fest davon überzeugt «dass Bürgers Weg zwangsläufig in die Formel 1 geführt hätte».

Dazu war der aus einfachsten Verhältnissen stammende Heizungstechniker auch noch ein stets freundlicher und fröhlicher Mensch. Dass er auch äußerst sensibel sein konnte, zeigte seine Reaktion nach dem Horror-Überschlag seines F2-Kollegen Manfred Winkelhock beim Eifelrennen am Nürburgring im April 1980.

Als dessen direkter Verfolger auf Rang 3 liegend hatte er einen Logenplatz, als der gelbe March am «Flugplatz»-Sprunghügel sich wie ein Jet in die Luft erhob und mehrfach überschlug. Was Bürger am Ring gerade mal zwei Wochen nach dem Tod seines Kumpels Höttinger mit ansehen musste, war für ihn wie ein Dolchstoß.

«Ich konnte vor Schreck und Angst um Manfred kaum noch weiterfahren und war heilfroh, dass ich kurz danach mit Motorschaden ausgefallen bin. Wenn dem Manfred was Schlimmes passiert wäre, hätte ich sofort mit der Rennerei aufgehört, definitiv.»

Dabei waren die beiden sicher keine Freunde, schon deshalb nicht, weil sich jeder bei BMW in die beste Position für einen Formel 1-Platz bringen wollte. «Der Schorsch», so habe ich nach seinem Tod öfter gehört, «war viel zu nett und anständig für den harten und oft gnadenlosen Rennfahrer-Job.»

Immerhin hat ihn seine Heimatgemeinde Welschbillig anlässlich seines 45. Todestages jetzt mit einer nach ihm benannten Hans-Georg-Bürger-Straße gewürdigt. Spät zwar, aber immerhin.


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