Sirotkin: «Ich weiss, dass ich das packen kann!»

Von Mathias Brunner
Der künftige Sauber-Fahrer über seine ersten Formel-1-Erlebnisse, das Wort Bezahlfahrer, seine Aufgaben und seinen grössten Wunsch zum Geburtstag.

Der bald 18 Jahre junge Sauber-Schützling Sergey Sirotkin wird am 27. September erstmals einen Sauber-Renner fahren – auf der künftigen GP-Strecke von Sotschi! Lokaltermin im Zürcher Oberland: Wir treffen im Sauber-Rennwagenwerk von Hinwil den Moskauer Sergey Sirotkin und Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn. Der Teenager (am 25. August 18 Jahre jung) weilt zwei Tage lang beim Rennstall, um sich mit dem Team vertraut zu machen – einschliesslich einer Sitzprobe.

Sergey, wie schaute dein Programm hier in Hinwil aus?

Den ganzen ersten Tag im Werk haben wir mit der Sitzprobe verbracht. Dann ging es in eine ganze Reihe von Sitzungen mit den Technikern. Wir sprachen auch ausfühlich übers Lenkrad im Formel-1-Renner, das mit meinem bisherigen Lenker kaum vergleichbar ist.

Was hat dich am meisten verblüfft?

Das Lenkrad. Unglaublich, wie viele Funktionen darauf versammelt sind! Wir haben am Abend auch eine kleine Prüfung gemacht, wie ich mit diesen Funktion zurecht komme. Die ist ganz gut verlaufen. Insgesamt sind es schon sehr viele Eindrücke, die ich hier gesammelt habe, darüber gilt es nun in aller Ruhe nachzudenken. Am zweiten Tag standen weitere Gespräche mit den Technikern auf dem Programm, dazu diese Medienrunde hier sowie eine Sitzung mit dem Team-Physio Jo Leberer. Das sind zwei positive Tage hier in Hinwil, ein guter Start.

Wer hat dich in die Schweiz begleitet?

Meine Eltern, mein Manager sowie einige Medienvertreter.

Was hältst du vom Sauber-Werk?

Das ist natürlich ein völlig anderes Niveau als alles, was ich je zuvor gesehen hatte. Es ist einfach immens! Ich will mir gar nicht so richtig vorstellen, welch organisatorischer Apparat dahinter steht, um ein solches Werk am Laufen zu halten.

Bist du ein Fahrer, der schon als Bub von der Formel 1 geträumt hat?

Ich kann mich daran erinnern, dass ich Formel 1 schon als Knirps geschaut habe, vor dem Fernseher, zusammen mit meinem Vater. Schon da träumte ich davon, eines Tages auch in der Formel 1 zu fahren. Mit einem Kart kam ich in Spanien in Kontakt, im Rahmen von Ferien in Spanien. Es waren ganz normale Mietkarts. Ich war auf Anhieb ins Fahren verknallt. Aber alles ging Schritt um Schritt: Aus der ersten Begeisterung und einem Hobby wurde Halbprofessionalität, und heute ist das Rennfahren mein Beruf. Ich bin Jahr um Jahr meinem Traum näher gerückt.

Gab es einen Fahrer, den du besonders aufmerksam verfolgt hast?

Nein, ich mochte viele Fahrer. Ich habe einfach versucht, mir von allen etwas abzugucken, besonders als ich selber angefangen hatte, Rennwagen zu bewegen. Ich fand es immer interessant zu analysieren: Was haben sie richtig gemacht? Wo haben sie gepatzt? Ich fand immer, daraus kann ich selber eine Menge lernen.

Wie viele Formel-1-Rennen hast du bisher vor Ort erlebt?

(Schmunzelt) Noch nicht so viele. Eines in Monaco in diesem Jahr, dazu Hockenheim 2010.

Was ist der Unterschied zwischen live und Fernseher?

(Lacht) Ohne Zweifel der Lärm!

Viele Leute sind aufgrund deiner Jugend spektisch. Bist du dir bewusst, welch enorme Aufhabe auf dich zu kommt, bevor du vielleicht im kommenden März zum jüngsten Formel-1-Fahrer aller Zeiten wirst?

Ich weiss, dass der Druck hoch ist. Aber ich versuche, nicht zu viel darüber nachzudenken. Ich will einfach einen guten Job machen und mich auf meine Aufgaben konzentrieren. Dann kommt der Rest von alleine. Natürlich muss man im Leben immer die Ohren offen halten, aber in diesem besonderen Fall ist es vielleicht gescheiter, sich nicht alle Kritiken zu Herzen zu nehmen.

Hand aufs Herz: Fühlst du dich bereit oder ist das nicht ein ziemlich gewagter Sprung ins kalte Wasser?

Bevor ich nicht gefahren bin, lässt es sich nicht feststellen, ob ich bereit bin. Klar ist der Sprung riesig. Ich habe noch drei Rennwochenenden in der Formel Renault vor mir, ich habe ein gutes halbes Jahr, um mich auf meine Aufgabe in der Formel 1 vorzubereiten. Wir haben genügend Zeit, ich kann das packen. Daran glaube ich fest.

Wenn du dich als Rennfahrer selber analysierst, wo liegen deine Stärken, wo musst du noch zulegen?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Jedes Rennauto ist anders, jede Strecke ist anders. Ich könnte jetzt nicht sagen, dass es nur bestimmte Bereiche gibt, in welchen ich mich für besonders stark halte oder andere, wo ich mehr lernen müsste. Ich muss überall in allem besser werden.

Du wirst als harter und aggressiver Fahrer bezeichnet. Siehst du dich nicht auch so?

(Schmunzelt.) Wer hat das behauptet? Nein, ich sehe mich nicht so. Es gibt Zeiten auf der Rennstrecke, wenn du aggressiv sein musst, und es gibt Phasen in einem Rennen, in welchen Zurückhaltung angebracht ist. Ein Rennfahrer muss vor allem clever sein. Und ein intelligenter Fahrer kann eben wählen, wann er wie fahren muss.

Wirst du das Team bei den kommenden Grands Prix begleiten?

Wir arbeiten derzeit am genauen Programm. Fest steht derzeit nur der Demo-Lauf auf der künftigen Rennstrecke von Sotschi.

Welche von den gegenwärtigen Formel-1-Strecken kennst du?

Fast alle europäischen, aber so gut wie nichts von den ganzen Übersee-Destinationen.

Wie lernst du die anderen? An der PlayStation?

Das ist nie richtig auf die Realität umsetzbar. Du lernst höchstens den Pistenverlauf, aber die ganzen Feinheiten erkennst du erst vor Ort.

Wo wirst du künftig leben?

Das ist nicht einfach zu beantworten. Derzeit bleibe ich noch in Moskau. Aber wenn ich merke, dass ich mehr Zeit hier in der Schweiz verbringen sollte, dann bin ich natürlich dazu bereit, in den Grossraum Hinwil zu kommen. Das ist noch offen.

Wie war eigentlich das Echo in deiner Heimat auf den Deal mit Sauber?

Ich würde jetzt nicht sagen, dass es überwältigend war. Einige sind sehr glücklich, das ich diese Chance erhalten, andere sind kritisch.

Wenn wir aber hören, dass du rund 200 Journalisten-Anfrage allein aus deiner Heimat hattest, dann ist das schon etwas überwältigend?

Ja, aber das lag vor allem daran, dass die meisten Menschen nicht verstehen konnten, worum es bei diesem Deal wirklich geht. Ich freue mich über das Interesse, denn es ist für uns eine Gelegenheit, die Formel 1 in meinem Land bekannter zu machen.

Ich muss zugeben, dass mein Russisch ziemlich schlecht ist. Wie geht es deinem Deutsch?

(Lacht) Zum Glück ist die internationale Sprache im Motorsport Englisch, das ist bei Sauber auch nicht anders. Ich finde Deutsch ziemlich knifflig! Ich will da schon einiges lernen, aber derzeit konzentriere ich mich darauf, mein Englisch zu optimieren.

Bist du mit der Schule in Russland fertig?

Ich habe die Schule abgeschlossen und studiere seither, es handelt sich um ein technisches Studium mit Schwerpunkt Automobiltechnik und Strassenverkehr. Das finde ich nicht nur hochinteressant, es hilft mir auch beim Job als Rennfahrer. Im September beginne ich mit dem zweiten Jahr. Es wäre aber vermessen von mir zu glauben, dass ich bei Sauber in Sachen Ingenieurskunst viel beisteuern kann! Dazu haben wir hochspezialisierte Techniker. Aber ich mag es, das Grundsätzliche zu verstehen und zu begreifen, wieso sich ein Rennwagen in einer gewissen Weise verhält.

Du wirst kommende Woche 18 Jahre alt. Wie wirst du feiern?

Ich bin kein Party-Löwe. Ich achte auch nicht besonders auf Geburtstage. Es wird ein Tag wie jeder andere sein. Wenn ich bestimmte Aufgaben habe, dann will ich mich darum kümmern. Wenn ich das gut getan habe, dann ist mir das Freude genug.

Was wünschst du dir zum Geburtstag?

Dass ich es im kommenden Lebensjahr schaffe, ein erfolgreicher Formel-1-Fahrer zu werden.

Wie gut kennst du Vitaly Petrov? Wäre es vielleicht eine Überlegung wert, mit ihm über seine Erfahrungen in der Formel 1 zu sprechen?

Ich kenne ihn, aber ich würde uns nicht als Freunde bezeichnen. Wenn ich die Gelegenheit erhalte, mit ihm zu sprechen, dann wäre das sicher interessant. Aber wie gesagt: ich kenne ihn jetzt nicht gut genug, um mein Handy zu nehmen und ihn anzurufen.

Du wirst Pay-Driver genannt. Es ist bekannt, dass du diese Bezeichnung nicht magst.

Wer mag es schon, ein Bezahlfahrer genannt zu werden? Ich sehe das so: Die meisten jungen Fahrer, die in den letzten Jahren in die Formel 1 gekommen sind, waren Bezahlfahrer. Es ist das eine, auf diese Weise in den GP-Sport zu gelangen. Aber was du wirklich wert bist, wird nicht durch deine Mitgift belegt, sondern durch die Ergebnisse, die zu erzielst. Wenn ich hart arbeite und gut fahre, dann verschwinden die Storys über Pay-Driver von alleine.

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