Helmut Marko hält Verstappen für unschlagbar

Analyse Strategiegruppe: Mini-GP ändert Übel nicht

Von Mathias Brunner
Beat Zehnder bei seinem 300. Grand Prix, in Indien 2011

Beat Zehnder bei seinem 300. Grand Prix, in Indien 2011

2. Teil unserer Analyse: Beat Zehnder, Team-Manager des Sauber-Rennstalls, spricht über die erneute Diskussion, Windkanäle zu verbieten und über die Einführung von Sprintrennen.

Im ersten Teil unserer grossen Analyse hat Beat Zehnder (49) die erstaunliche Kehrtwendung der Formel-1-Strategen in Sachen Überholen angeprangert, über die Radgrössen gesprochen und wie man leicht sinnvoll Geld sparen könnte. Den ersten Teil finden Sie bei uns online. Nun geht es um Spritverbrauch, Windkanäle, Sprintrennen und das wahre Grundübel in der Formel 1.

Beat, in der Strategiegruppe ist auch davon die Rede gewesen, die Tankgrösse freizustellen, Tankstopps sind offenbar vom Tisch. Was sagst du dazu?

Bei der Tankgrösse stelle ich die Frage: Was bringt das? Wir haben in Sachen Verbrauch gewiss Unterschiede zwischen den Motorenherstellern, die einen Piloten müssen ein wenig mehr Kraftstoff sparen als Fahrer mit anderen Triebwerken. Aber selbst wenn wir nun die 100-Kilo-Kraftstoff-Regel aufheben würden, wird sich am Sport wenig ändern. Weil ich keinen Hersteller sehe, der vom Verbrauch sehr massiv behindert wird.

Tankstopps nicht zurückzubringen, das finde ich richtig. Denn das wäre kontraproduktiv. Wir haben damals das Nachtanken nicht nur aus finanziellen Gründen verbannt. Wir haben die Tankstopps primär verboten, weil wir Rennen hatten, die Prozessionen waren. Viele Leute scheinen in diesem Zusammenhang zu vergessen – wir hatten früher teilweise fürchterlich langweilige Rennen. Heute haben wir wenigstens strategische Möglichkeiten, etwa indem ein Pilot früher zum Reifenwechsel reinkommt als sein Gegner und ihn so zu unterlaufen versucht. Dazu kann er auch mit der Wahl der Reifenmischung spielen. Wenn der Sprit bestimmt, wann der Stopp angesetzt werden muss, dann erzeugt das fade Rennen. Tankstopps erzeugen keine besseren Rennen, basta.

Erneut ist vom Verbot der Windkanäle gesprochen worden.

(Spöttisch) Eine Superidee! Hier muss ich allerdings zugeben, dass ich befangen bin – denn wir haben bei Sauber einen exzellenten Windkanal. Und wir waren schon einmal die Leidtragenden. Damals ging es um die so genannten Straight-line-Tests, also Aero-Testfahrten, bei welchen das Auto eine Gerade rauf und runter gefahren wird, sowie um die Tests mit dem 1:1-Auto im Kanal. Dann hat man das verboten. Wir haben dann die Idee eingebracht, dass man einen Testtag durch einen Windkanaltag mit dem echten Wagen tauscht. Weil es für uns kosteneffizienter ist, acht Stunden lang im Kanal zu sein als mit dem ganzen Material wohin zu fahren und eine Strecke zu mieten. Die grossen Teams wollten das nicht, weil sie wissen, dass wir einen überdurchschnittlich guten Windkanal haben. Sie meinten – das wäre ein ungerechter Vorteil für Sauber. Der Windkanal ist für uns ein extrem wichtiges Instrument, selbst wenn wir ihn schon heute nicht mehr ideal nutzen können.

Es muss doch andere Lösungsansätze geben, um die Konkurrenzfähigkeit der verschiedenen Autos anzugleichen. Der grösste Aufwand besteht im Windkanal darin, den Unterboden zu optimieren. Wieso nicht einen Standardboden einführen? Das wäre eine sinnvolle Massnahme.

Ebenfalls auf dem Tisch: ein neuer Ablauf des Rennwochenendes. Mit freiem Training am Freitag, mit Quali am Samstagmorgen und dann einem kurzen Rennen am Nachmittag, das die Startaufstellung für den Grand Prix definiert.

Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder über Formatänderungen gesprochen. Die Diskussion um ein Spritrennen am Samstag ist nicht neu. Es war auch davon die Rede: Freitagmorgen technische Abnahme, Freitagnachmittag ein freies Training, dann würde das Auto unter Parc-fermé-Bedingungen gestellt, an der Abstimmung dürfte ab dann nichts mehr getan werden. Aber bei der ganzen Debatte gibt es ja auch den Punkt: Was sagt eigentlich der Formel-1-Promoter dazu? Gibt es nicht Verträge, was den Ablauf angeht? Und lassen sich durch solche Schritte wirklich mehr Fans an die Rennstrecke locken?

Vor allem jedoch – was soll das Sprintrennen als Grundlage für die Startaufstellung ändern? Da würden doch die gleichen vorne ins Ziel kommen, die nun schon nach dem Qualifying vorne stehen – Mercedes, Ferrari, Williams. Um radikal etwas ändern, müsste man den Vorschlag von Flavio Briatore umsetzen, die Reihenfolge einfach zu drehen. Aber was hat das noch mit Leistungsfähigkeit und Sport zu tun? Gar nichts. Das ist ein künstlicher Eingriff, der nicht dem Grundgedanken der Formel 1 entspricht.

Was ist dein Fazit in Sachen Strategiegruppe?

Ich tendiere dazu, Vorschläge der Strategiegruppe zu ignorieren, denn am Schluss bleiben der Erfahrung zufolge keine zehn Prozent der Vorschläge übrig. Seien wir mal ehrlich: Was ist denn in diesem Gremium bislang umgesetzt worden? Der Fahrer darf sein Helmdesign nicht mehr ändern. Die Piloten behalten ihre Startnummern. Wir hatten doppelte WM-Punkte beim WM-Finale 2014 in Abu Dhabi. Was von all dem hat bitteschön den Sport besser gemacht?

Das Grundübel ist geblieben: Die Teams können nicht mit gleich langen Speeren arbeiten, dann hätten wir automatisch bessere Rennen. Und gleich lange Speere bekommst du erst dann, wenn die Geldverteilung gerechter wird. Weil aber vor allem die grossen Teams ihre eigene Agenda verfolgen, ändert sich nichts. Die Geldverteilung wäre der Schlüssel. Die grossen Teams erhalten immer mehr Geld, mehr finanzielle Mittel bedeutet die Möglichkeit, ein besseres Auto zu bauen, ein besseres Fahrzeug ist länger im Fernsehen, also finden sie auch leichter Geldgeber, das ist eine Spirale, die du als kleines Team kaum durchbrechen kannst.

Ich bin ja jetzt schon ein paar Jährchen in diesem Sport dabei. Der grosse Unterschied zu früher – einst waren die Teamchefs auch die Teambesitzer. Das ist heute grösstenteils nicht mehr so. Heute hast du an der Spitze eines Rennstalls einen hoch bezahlten Manager, die in kürzester Zeit Ergebnisse liefern müssen, und dafür tun sie alles. Wieviel Geld dabei verbraten wird, das ist ihnen egal. Gleichzeitig haben diese Manager kein grosses Interesse daran, was aus der Formel 1 längerfristig wird.

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