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Die Schweizer Fahrer in der F1: Grandioser Band 2

Von Mathias Brunner
​Vor einem Jahr hat das Buch «Die Schweizer Fahrer in der F1» neue Massstäbe gesetzt. Band 2 ist inzwischen ebenfalls erhältlich, ebenso grandios. Kern des fabelhaften Werks ist die Karriere von Clay Regazzoni.

Die Königsklasse ist ein sehr elitärer Klub, denn seit 1950 haben es erstaunlicherweise nur Grand-Prix-Fahrer aus 22 Nationen geschafft, bis in die Formel 1 vorzudringen. Noch verblüffender: Auf Rang 17 der Nationenwertung taucht die kleine Schweiz auf, ausgerechnet jenes Land, in welchem 1955 für Jahrzehnte Rundstreckenrennen von der Regierung verboten worden sind.

Die erfolgreichsten beiden Piloten aus der Schweiz: Jo Siffert und Clay Regazzoni. Siffert war der Mann, der Lumpen sammelte und Papier, der auf Schiessständen Patronenhülsen zusammenklaubte und dann kiloweise verkaufte, der Mann, der für Hollywood-Star Steve McQueen zum Vorbild seiner Rolle als Michael Delayney in «Le Mans» wurde; und dann Regazzoni, der Haudegen, der Unzerstörbare, der mit seinem verwegenen Seeräubergrinsen aussah wie Rennfahrer eben aussehen sollten – diese beiden grandiosen Piloten schmücken die Titelbilder von zwei ganz aussergewöhnlichen Büchern.

Die Autoren Jean-Marie Wyder und Mario Luini haben vor einem Jahr mit «Die Schweizer in der F1» nichts weniger als einen neuen Massstab gesetzt. Noch nie sind die Laufbahnen der Schweizer Fahrer in der Formel-1-WM in Wort und Bild derart detailliert aufgearbeitet worden.

Wyder und Luini haben so viel Material zusammengetragen, das ihnen bald klargeworden ist: Ein Buch alleine, das geht nicht. Also haben sie zwei Bände konzipiert, der erste ist 2018 erschienen, mit Jo Siffert auf dem Titel. Der Fribourger trägt stolz das Schweizer Kreuz auf dem Helm, nun sehen wir es wieder, in Form von Band 2, mit Clay Regazzoni im 1974er Ferrari auf dem Titel.

Für die Autoren war auch bald klar: Die Schweiz ist dreisprachig, die Fahrer stammen aus allen Sprachregionen, also muss auch das Buch in drei Sprachen verfasst werden, deutsch, französisch, italienisch.

Im ersten Band erhielten der 1971 tödlich verunglückte Jo Siffert und Formel-2-Europameister Marc Surer den grössten Raum. Wir erfuhren allerdings auch sehr viel über weniger bekannte Schweizer Grand-Prix-Fahrer: Albert Scherrer, Max De Terra oder Rudi Fischer. Wir trafen Michael May, der als erster Fahrer seinen Porsche mit einem gewaltigen Flügel ausstattete, die Kämpfer Silvio Moser und Herbert Müller, die wegen schlechten Materials erfolglosen Franco Forini, Gregor Foitek und Loris Kessel.

«Die Schweizer Fahrer in der F1» beleuchtete darüber hinaus Rennen in der Schweiz, durch Städte, die Berge hoch, und ging auf Schweizer ein, welche in der Formel 1 markante Spuren hinterlassen haben, ohne in der Königsklasse am Lenkrad zu drehen: Die Funktionäre Curt Schild und Paul Gutjahr, die Motorenbauer Heini Mader und Mario Illien, die Rennleiter Peter Schetty und Max Welti, Zeitnahmespezialist Jean Campiche. Klar wurden zudem Rennställe wie die Scuderia Filipinetti, EuroBrun und Sauber gebührend erwähnt.

Kern dieses in jeder Hinsicht schwergewichtigen Werks waren aber die Fahrer, allen voran in Band 1 Jo Siffert. Stundenlang kann sich der Leser in faszinierenden Fotos verlieren und über Details staunen, welche selbst Siffert-Fans vielleicht noch nicht gekannt hatten. Abgerundet wurde jedes Kapitel über die Piloten von ausführlichen Statistiken.

Nun also Band 2: Nichts ändert sich an unserem uneingeschränkten Lob in Sachen Ausführlichkeit und Detailtreue. Kern des Buchs ist die Laufbahn von Clay Regazzoni, der beliebte Tessiner wäre am 5. September 2019 80 Jahre alt geworden. In Monza errang er seine grössten Erfolge: Sieger 1970 und 1975 mit Ferrari, auf dem dritten Platz 1979 im Williams-Ford. Die moderne Formel 1 hätte dem Haudegen wenig gefallen. Als GP-Experte der italienischen RAI nannte er die Dinge beim Namen, politische Korrektheit war ihm zuwider. Er fand, die Fahrer müssten weniger labern und mehr liefern. Wie eine Rennstrecke nach der anderen mit diesen enormen Sturz-Zonen entmannt wurde, das prangerte Regazzoni immer wieder an.

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto sagte nach dem Tod von Niki Lauda im vergangenen Mai: «Niki Lauda und Clay Regazzoni, das sind für mich Kindheitserinnerungen. Als ich klein war, habe ich Niki und Clay für Ferrari siegen gesehen. Als Dreikäsehoch hat sich mir eingeprägt – das sind Männer ohne jede Furcht.»

Die Ferrari-Renaissance mit Lauda hätte es ohne Clay vielleicht nie gegeben. Der Mann, der Enzo Ferrari diesen jungen Wiener ans Herz gelegt hatte, war Regazzoni. Der Tessiner war 1973 an der Seite Nikis bei BRM gefahren und glaubte – der analytische Verstand des Österreichers sei für Ferrari ideal. Und so war es auch.

Die Leistung von Regazzoni wird vor dem Hintergrund von Niki Laudas unermüdlicher Arbeit oft übersehen. Piero Ferrari, Sohn des legendären Firmengründers Enzo Ferrari: «Es gab Piloten, die besonders feinfühlig waren. Wer solche Antennen besass, der spürte sowohl Chassis wie Motor ganz intensiv. Niki Lauda war ein solcher Fahrer. Besonders sensibel war auch Clay Regazzoni. Er hat uns den leisesten Muckser des Autos mitgeteilt in Zeiten, als es noch keine aufwändige Datenaufzeichnung gab.»

1974 hat Ferrari die Titelchancen von Regazzoni versemmelt, zu wenig standfest war der Motor – ein Motorschaden ausgerechnet in Monza erwies sich als gravierender Rückschlag in jenem Monza-GP, da lag Clay in Führung. Beim WM-Finale von Watkins Glen fuhr Clay mit einem jämmerlich abgestimmten Auto hinterher und wurde nur Elfter, Emerson Fittipaldi holte den Titel. Regazzoni trug für den verlorenen Titel eine Mitschuld: Er schrottete sein gutes Chassis bei Tests in den USA, in aller Eile musste das Team einen neuen Wagen aufbauen, der nie optimal abgestimmt werden konnte.

Diese und viele Geschichten mehr werden erzählt. Von seinem rasanten Aufstieg über die goldenen Jahre mit Ferrari, einem Karrierehänger bei Mittelfeld-Teams und der Renaissance mit Williams, bis hin zum schweren Unfall in Long Beach, der Clay in den Rollstuhl zwang.

Ebenfalls lesenswert die Kapitel über Sébastien Buemi, Andrea Chiesa und den Genfer Romain Grosjean. Nur echte GP-Fans sind jedoch mit anderen Schweizern vertraut, die an der WM teilgenommen haben: mit Toni Branca oder Toulo de Graffenried, mit Rudi Schöller oder Heini Walter.

Die Autoren gehen auf die Freitagfahrer Neel Jani, Fabio Leimer und Giorgio Mondini ein, und sie schreiben über jene Talente, bei welchen einfach das Timing nicht gestimmt hat: Marcel Fässler und Simona de Silvestro, Mario Hytten und Alain Menu, Nicholas Prost und Peter Schetty.

Mit je 169 Franken sind die beiden Bände «Die Schweizer Fahrer in der F1» gewiss kein Schnäppchen. Wer sich jedoch für die Formel 1 im Allgemeinen und die Schweizer im Besonderen interessiert, für Männer, die es allen Widrigkeiten zum Trotz in die Königsklasse geschafft haben, der ist mit diesem tollen Gesamtwerk bestens bedient.

Mario Luini, Jean-Marie Wyder: Die Schweizer Fahrer in der F1, Band 2
Vorworte von Alessia Giorgetti-Regazzoni, Véronique de Sybourg-Siffert sowie Sébastien Buemi
Turbo Éditions, Les Bayards (CH)
ISBN: 978-2-8399-2660-7
Format 27,5 x 23 cm
608 Seiten, rund 900 Fotos
Dreisprachig: Deutsch, Französisch, Italienisch
Für 169 Schweizer Franken (+ Verpackung und Porto)
Im Fachhandel oder auf www.lespilotessuissesdef1.ch

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