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KTM-Probleme erkannt: Vom Tanker zurück zum Speedboat

Von Bernhard M. Höhne
Bei KTM wurden viele Weichen neu gestellt

Bei KTM wurden viele Weichen neu gestellt

Einen Monat nach dem Neustart bei KTM veröffentlichten die Österreicher ihren Halbjahresbericht. Eine Phase, in der sich in Mattighofen vieles getan hat und vieles noch aussteht. Zeit für ein Zwischenfazit.

Wir schreiben Dezember 2024. Am Salzburger Hauptbahnhof bekommen Bahnreisende, die in der Mozartstadt ankommen, bei ihrer Ankunft zuerst Werbeplakate zu sehen, auf denen steht: «Besuchen Sie die Welt der Sieger!» Die Poster sind garniert mit Abbildungen eines KTM-MotoGP-Motorrads und machen Werbung für die Motohall, die Erlebniswelt des oberösterreichischen Motorradherstellers, dessen Stammsitz nur einen Katzensprung von Salzburg entfernt liegt. Die Werbung wurde wenige Wochen früher aufgehängt, doch im Dezember wirkt sie wie aus der Zeit gefallen. Ende November hatte die KTM AG, und mit ihr in der Folge mehrere Tochterfirmen, ein Restrukturierungsverfahren angemeldet, was nichts anderes bedeutete als: Der Motorradhersteller war pleite. Das Aushängeschild der Region, für das es jahrzehntelang nur eine Richtung gab: aufwärts. Mitte Dezember ging die Firma in eine verfrühte Winterpause, Ende Dezember konnte der Konkurs nur aufgrund einer Finanzspritze des Remus-Geschäftsführers Stephan Zöchling abgewendet werden.

Viel ist passiert in diesem Dreivierteljahr. Die Fortführungsfähigkeit der Firma wurde festgestellt, die 1,8 Milliarden Euro Schulden offengelegt und zwei Drittel davon durch die Gläubiger, im finalen Schritt des Sanierungsprozesses, erlassen. Was lapidar klingt, bedeutete die Abschreibung von Verpflichtungen von noch immer rund 1,2 Milliarden Euro. Der Großteil davon bei rund 180 verschiedenen Banken, jedoch auch bei Zulieferern verschiedener Größen. Ein Produktionsneustart der KTM AG im Frühjahr versandete nach wenigen Wochen, auch weil einzelne Zulieferer im Zuge des Prozesses selbst in Konkurs gingen und die verbliebenen keine Produktionskapazitäten für den Motorradhersteller frei hatten – die Fortführung von KTM war zwischenzeitig zu unsicher. Ende Mai wurde die verbliebene Schuldentilgungsquote für KTM vom langjährigen Partner Bajaj in Form mehrerer Kredite an KTMs Muttergesellschaft bereitgestellt. Kredite, die bis zum Sommer 2026 in Anteile gewandelt werden sollen. Dann wird Bajaj Hauptanteilseigner in Mattighofen sein. Durch die Investitionen, auch den laufenden Betrieb am Stammsitz haben die Inder seit März finanziert, hat die künftige Mutter seither im Hintergrund das Sagen. So viel zur Vorgeschichte.

Das ist erst ein Dreivierteljahr her. Heute ist der 28. August, seit genau einem Monat läuft die KTM-Produktion am Stammsitz wieder. Viel hat sich verändert in Mattighofen, manche Veränderung steht noch aus. Die Benennung der zur Beinahepleite führenden Probleme war einer der ersten Schritte, die der neue KTM-CEO Gottfried Neumeister nach der Rettung der Firma in der Öffentlichkeit machte: «Man muss verstehen, dass unsere Probleme hausgemacht sind und nicht, dass die Nachfrage nach Motorrädern nachgelassen hat.»

In einem Interview mit dem britischen Motorradjournalisten Adam Child benannte er verschiedene Brandherde: «Wir haben 400 Millionen Euro in unserer Fahrradsparte verloren. Die Idee war, Kunden früh an unsere Fahrräder zu binden, die später auf unsere Motorräder wechseln könnten. Doch nach Covid-19 ist die Nachfrage zusammengebrochen. Die Übernahme von MV Agusta war der zweite Grund, denn sie kam zu einem Zeitpunkt, an dem die Lage der Firma bereits finanziell angespannt war. Dort haben wir weitere 220 Millionen Euro verloren.» Die inzwischen bekannte Überproduktion sei dazugekommen: «Dass wir unsere Produktionszahlen nicht an den Verkaufszahlen an Endkunden orientiert haben, war das dritte Problem. Wir hätten bereits 2023 auf die Bremse steigen müssen.»

Dabei sei Lagerhaltung für KTM an sich nicht negativ, wie Neumeister im Gespräch mit Peter Schönlaub vom österreichischen Motorrad-Magazin verriet. Im internationalen Verkauf sei sie nötig, die Transportwege seien für manche Märkte sonst zu lang. Ein Bestand von 120.000 bis 130.000 Fahrzeugen sei damals gesund gewesen, also etwa eine halbe Jahresproduktion. Ende des Jahres sollen in den Hallen in Munderfing keine überschüssigen Fahrzeuge mehr stehen.

Auch die ersten beiden genannten Baustellen sind inzwischen größtenteils abgearbeitet. MV Agusta wurde im Sommer wieder an eine Holding unter der Leitung von Ex-Inhaber Timur Sardarov zurücküberführt. Die Fahrradsparte von Pierer Mobility (nicht zu verwechseln mit der KTM Fahrrad GmbH) verkauft seine letzten Modelle ab und die Marke Felt soll separat weitergeführt oder verkauft werden. Dazu wurde der Verkauf der KTM-Sportwagenschiene X-Bow nahezu vollzogen, der Europa-Vertrieb des chinesischen Partners CFMoto wurde abgetreten. «Fokussierung und Simplifizierung» soll das Motto sein, unter dem sich die Firma künftig aufstellt, die Besinnung auf das Kerngeschäft. Dies sei nötig, «um die Gruppe auf einen nachhaltigen Erfolgskurs zu bringen».

Wie das Modellangebot der Österreicher künftig aufgestellt wird, wird noch geprüft. Kannibalisierung einzelner Modelle soll vermieden werden. Anders als zuletzt, als beispielsweise die KTM 890 Adventure und Husqvarna Norden 901 um ähnliche Käuferschichten buhlten. Die drei Marken KTM, Husqvarna und GASGAS boten zuletzt 84 Enduro- und Motocross-Modelle mit zahlreichen Überschneidungen an – diese sollen künftig ausbleiben. Auch mehrere neue Nischenmodelle, die vor der Restrukturierungsphase noch nicht fertig entwickelt waren, werden derzeit offenbar überprüft. Das betrifft zum Beispiel die 1390 Rally und 1390 SMT.

Nicht in Stein gemeißelt ist auch der bekannte KTM-Slogan «Ready to Race». Laut Neumeister sei dieser «Super für unser Offroad-Portfolio. Aber für unsere Adventure-Modelle bin ich mir nicht so sicher, denn diese Motorräder sind eher wie Schweizer Taschenmesser». KTM biete «ein sehr starkes Markenprofil». Wie man dies künftig nutzen könne, sei derzeit Gegenstand von Marktforschungen. Gleiches gilt für die Zukunft von GASGAS und Husqvarna: «Wir müssen den Kern und die Stärken der Marken verstehen. Die Entscheidung dazu muss faktenbasiert und auf gründlicher Analyse beruhend getroffen werden. In den kommenden Monaten sollten wir uns festlegen.»

Sicher ist, dass die Einführung der im Herbst 2024 präsentierten Modelle sich noch bis zum Ende des Jahres, möglicherweise auch Anfang 2026, ziehen kann. Die Vorstellung der KTM 690 SMC R und 690 Enduro wurde dazwischengeschoben. Zu wichtig ist diese Modellfamilie, besonders in Europa. Eine Erweiterung der LC4-Palette wird nach Stand der Dinge auch die erste Neuheit sein, die unter dem Bajaj-Schirm präsentiert wird. Ein reduziertes Adventure-Bike mit der Optik des Dakar-Wettbewerbsmotorrads, das voraussichtlich als 690 Rally auf den Markt kommen wird und derzeit in Mattighofen letzten Feinschliff bekommt. Alles, was danach neu zu den Händlern kommt, steht derzeit in den Sternen. Vieles deutet auf vermehrte Konzentration auf Kleinserien einerseits und eine Offensive in der Mittelklasse andererseits hin. In Oberösterreich wurden zuletzt vermehrt KTM-Erprobungsmotorräder mit Reihenzweizylindern verschiedener Größen gesichtet: Ein Adventure-Bike auf Basis der 990 Duke war ebenso darunter wie gleich mehrere Modelle, die dieses Angebot nach unten abrunden. Von 490 bis 990 Kubik scheint es auf insgesamt vier verschiedene Modellfamilien mit jeweils mehreren Varianten allein in der Mittelklasse hinauszulaufen. Auch dieses Modellangebot sinnvoll auszugestalten ist eine Herausforderung für die künftige Führung aus Hauptanteilseigner und KTM-Vorstand. Auch, weil einige Projekte geplant wurden, als an Bajaj als Mehrheitsanteilseigner noch nicht zu denken war. Die künftige 490-Modellreihe entspringt beispielsweise einer Entwicklungskooperation mit CFMoto. Die Chinesen produzieren für KTM bislang die 790-Baureihe inklusive Motoren. Diese Modellfamilie so zu gestalten, dass sie nicht mit den gemeinsam mit Bajaj produzierten 390er-Modellen darunter kannibalisiert, ist eine weitere Schwierigkeit. Gleiches gilt für die Idee einer weiteren neue Mittelklassebaureihe, die Stefan Pierer 2022 in einem Interview als 650-Baureihe ankündigte und die, so legen es Beobachtungen am KTM-Stammsitz nahe, weit oben auf der Prioritätenliste der Entwickler steht.

Die Österreicher sind sich ihrer aktuellen Schwierigkeiten bewusst. Gerade deshalb seien die Produktionszahlen künftig nicht mehr das Wichtigste für die Innviertler. Neumeister gegenüber Adam Child: «Wir haben uns zu einem trägen Tanker entwickelt und müssen wieder wie ein Speedboat agieren. Es geht uns nicht darum Rekordverkäufe anzustreben. Zuvorderst müssen wir unseren Kunden im Blick behalten und unsere Qualität – alles weitere folgt später.»

Die Zeiten der Produktionsrekorde sind damit vorbei. Im aktuellen Finanzbericht zu den vergangenen sechs Monaten schreibt KTM-Mutter Pierer Mobility, die Endkundennachfrage sei mit über 100.000 verkauften Modellen erfreulich, zudem habe der Abbau des Lagerbestands für den Zufluss von 166 Millionen Euro gesorgt. Man habe sich bei den Auslieferungen bewusst zurückgehalten, um den Lagerabbau zu erleichtern. Der Restrukturierungsgewinn von 1,187 Milliarden Euro geht zum großen Teil auf die Verbuchung des Schuldenschnitts seitens der Gläubiger im Frühjahr zurück.

Eine Zeit des Wandels für den Motorradhersteller – des Wandels vom durch Stefan Pierer inhabergeführten Unternehmen hin zur managementgeführten Firma, die sich gesundgeschrumpft hat. Dabei haben jedoch auch 1721 Menschen im Rahmen der Restrukturierung ihre Jobs verloren. Die Kooperation mit dem künftigen Eigentümer der Pierer Mobility AG, Bajaj Automotive, reicht zurück ins Jahr 2007. Ohne die Inder wäre es für KTM schwieriger gewesen auf dem wichtigen indischen Markt Fuß zu fassen, und so wären die Österreicher nicht Europas zuletzt größter Motorradhersteller geworden. Auch künftig kann KTM von den Indern profitieren. Das Timing wäre gut, denn inzwischen ist auch das Munderfinger MotoGP-Team wieder im Aufwind.


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