Movie Cars: Dick & Doof über Grand Prix bis Le Mans
Ladies and Gentlemen – start your engines! Machen Sie sich gefasst auf einen wilden Ritt durch die Filmgeschichte, Ihr Gastgeber ist der renommierte Journalist und Buchautor Siegfried Tesche.
In diesem ersten Band spannt der Deutsche den Bogen von frühen Verfolgungsjagden der 1910er bis 1930er Jahre über Rennfahrerfilme wie «Der Tod im Nacken» mit Clark Gable, «Grand Prix» mit James Garner, «Indianapolis» mit Paul Newman und «Le Mans» mit Steve McQueen bis zu jenem legendären Rennwagen, der in keiner Ergebnisliste von Racing-Statistikern auftaucht – dem gebrochen weiss lackieren tollen Käfer mit dem rot-weiss-blauen Streifen und der Nummer 53.
Aber von Anfang an. Es waren Stan Laurel und Oliver Hardy, welche die Tin Lizzy (Blechliesel, eigentlich der Ford Modell T) zu ihrem Co-Star erkoren. Eine langjährige Partnerschaft zwischen den Schauspielern und ihrem Fahrzeug begann.
Seit ihrem siebenminütigen Kurzfilm «Dick und Doof auf Heimaturlaub» (Two Tars) aus dem Jahr 1928 bildeten sie eine Einheit. Darin gibt es eine äusserst komische Szene, in dem die beiden Männer in einen Eisenbahntunnel geraten und von dem heran nahenden Zug an die Tunnelwand gedrückt werden. Sie kommen natürlich wohlbehalten aus dem Tunnel, auch wenn der Wagen nur noch halb so breit ist. Fahren kann er immer noch.
Ein Jahr später erschien der Stummfilm «Das grosse Geschäft» (Big Business) in dem das Paar versucht, aus dem Auto heraus Weihnachtsbäume zu verkaufen – im Sommer. Die beiden Schlaumeier geraten an einen ungehaltenen Mann, der nach und nach ihr Auto zerlegt, während sie aus Ärger darüber sein Haus malträtieren. Bis heute ein Klassiker.
In den 1930er Jahren kam gleich eine ganze Reihe von Rennfilmen in die Kinos, etwa mit James Cagney («The Crowd Roars») oder James Stewart im Rausch der Geschwindigkeit («Speed») und Kirk Douglas («The Racers»).
Autor Tesche wirft dazwischen immer wieder Kapitel über Hollywood-Stars und ihre Autos ein, so wie mit dem Frauen-Verschlinger Clark Gable, Tony Curtis oder Paul Newman, der sich hinter dem Rennlenkrad hervorragend schlug, in einem Alter, in dem andere Menschen auf der Veranda im Schaukelstuhl sitzen.
Nach dem «Grossen Rennen rund um die Welt» («The Great Race») geht es zurück auf die Rennstrecke: Tesche schafft es, auch über den legendären Film «Grand Prix» von 1966 zahlreiche Anekdoten und Details zu präsentieren, die uns noch unbekannt waren. Grand Prix gilt zusammen mit Le Mans als die beste Umsetzung von Motorsport im Kino.
Zwei Reisen des amerikanischen Regisseurs John Frankenheimer und eine Buchvorlage, die zum Zankapfel wurde, waren der Ausgangspunkt für den Film «Grand Prix». Am 20. und 21. Juni 1964 besuchte Frankenheimer das 24-Stunden-Rennen von Le Mans und sah dort einen dreifachen Sieg von Ferraris Typ 275P und 330P.
Im selben Jahr war er ausserdem in New York auf der Weltausstellung zu Gast. Im dortigen IBM-Pavillon sah er einen Kurzfilm von Roy und Charles Eames mit dem Titel «Think», der auf 22 separate Bildschirme projiziert wurde. Das erste Mal war die sogenannte Split-Screen-Technik zu sehen – auch in Rennszenen.
Frankenheimer, selbst Amateur-Rennfahrer, war begeistert. Es war der Start für einen der besten Rennsportfilme aller Zeiten, der zu einem der zehn erfolgreichsten Filme des Jahres 1966 werden sollte, drei Oscars gewann und James Garners Leidenschaft für Autos und Autorennen entfachte.
Von den europäischen Rennstrecken ziehen wir weiter nach «Indianapolis» (in den USA: «Winning), wo Frank Capua (gespielt von Paul Newman) und Luth «Lou» Erding (gespielt von Robert Wagner) um den Sieg kämpfen.
Der Unterschied zwischen den zwei Hauptdarstellern gemäss Robert Wagner: «Ich war heilfroh, wenn ich aus dem Rennwagen wieder aussteigen konnte, Paul hingegen wäre am liebsten den ganzen Tag weitergefahren.»
Newman sollte Jahre später auch auf jener Bahn fahren (und zwar beim echten Renne), die Steve McQueen in ihren Bann zog: Le Mans.
Als der Film «Le Mans» 1971 veröffentlicht wurde, konnten Kritiker und die meisten Kinogänger mit dem Werk wenig anfangen: Allein schon die Anfangssequenz – mehr als eine halbe Stunde lang kein Dialog, was bitteschön ist das für ein Film? Rennfans hingegen kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus: Selten wurden authentischere Bilder von Rennwagen auf die Leinwand gebracht.
Und genau darum ging es dem damaligen Superstar Steve McQueen – er wollte den Rennsport so zeigen, wie er ist. Dass ihm vom Filmstudio eine Handlung aufs Auge gedrückt wurde, mit einer Love-Story obendrein, das war ihm eher lästig. Ihm ging es um Echtheit.
Einmal wollte ihm jemand Schweisstropfen aufs Gesicht sprühen. McQueen wollte davon nichts wissen. Er hechtete ins Auto, fuhr ein paar Runden, stieg wieder aus – nun war der Schweiss echt. Er zeigte dabei auf Blutgefässe an seinem Kopf, die leicht hervorstanden: «So etwas bringt kein Maskenbildner hin.»
Die gleiche Denke stand fast 50 Jahre später hinter dem Vorgehen von Brad Pitt und Regisseur Jo Kosinski. Man sollte Pitt ansehen, wie kräfteraubend Rennfahren ist.
Wir erfahren von Tesche über das einmalige Leben am Set von «Le Mans», ein Sommernachtstraum, der sich zum Albtraum des Filmstudios entwickelte und McQueens Ruf beinahe ruiniert hätte.
Quasi als Schlussbouquet seines Buchs kommt Tesche dann zum wohl sympathischsten Rennwagen der Kino-Historie, zu Herbie, dem tollen Käfer mit der legendären Nummer 53.
Wir erfahren alles über die Entstehungsgeschichte des Films, über mehr und weniger erfolgreiche Nachfolge-Streifen, über die Anzahl der zerschliessenen Käfer, über die 53 und über einen Kniff, der damals (Merke: noch keine Computer-generierten Tricks) die Fans von den Sitzen riss.
Der aufwändigste Stunt war der, in dem Herbie scheinbar schwerelos wie ein Stein über einen kleinen Teich hüpft, mehrfach auf- und absetzt und danach wieder an Land weiterfährt.
In einer Zeit, in der Computer und digitale Effekte noch keine Rolle spielten, wurde am Drehort Golden Oak Ranch, die nordwestlich von Los Angeles liegt und den Disney Studios gehört, ein aufwändiges Set erstellt. Zunächst installierte man Telefonmasten. An deren Verankerungen hingen Kabel, die geschickt kaschiert wurden, denn ein Künstler hatte sie mit einem blauen Himmel und Laub bemalt. Der Wagen hing daran und wurde dank einer sogenannten Laufkatze bewegt. Es wurde 25- oder 30 Mal geprobt und dauerte Wochen. Im Auto sassen Dummys.
Fazit zu «Movie Cars»: Eine prima Ergänzung für jede Motorsport-Bibliothek, eine überaus informative und süffig geschriebene Lektüre für alle Kinogänger, ein Vergnügen von der ersten bis zur letzten Seite.
Das Wichtigste in Kürze
Siegfried Tesche: Motorlegenden – Movie Cars: Races, Stars und Stories
Aus dem Motorbuch-Verlag, Stuttgart
ISBN: 978-3-613-04677-1
Format 17 x 22,5 cm
192 Seiten
150 Abbildungen
Für 29,90 Euro im Fachhandel