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Domi Aegerter: «Ich wollte Torres nicht abschießen»

Von Günther Wiesinger
Der Schweizer Dominique Aegerter nimmt noch einmal zum turbulenten MotoE-Finale von Misano Stellung.

Dominique Aegerter ging am 19. September in Misano mit 8 Punkten Rückstand ins letzte MotoE-Weltcup-Rennen der Saison. Ein zweiter Platz hinter Leader Jordi Torres hätte ihm also nicht mehr zum Titelgewinn gereicht. Der Schweizer aus dem Dynavolt Intact-Team griff den Spanier aus dem Team von Sito Pons dann in der drittletzten Kurve stürmisch an. Torres kam zu Sturz, Aegerter fuhr nach dem brachialen Überholmanöver als Sieger und vermeintlicher Cup-Gewinner über die Ziellinie. Aber nach einer 38-Sekunden-Strafe fiel auf Platz 12 zurück; Widersacher Torres wurde noch 13. und gewann die Meisterschaft.

Nach dem Rennen schilderte Aegerter damals: «In der letzten Runde überholte ich Torres schließlich zweimal, und als ich in Kurve 14 einbog, wusste er, dass ich wie in den Runden zuvor von innen kommen und später bremsen würde als er. Er behielt seine Linie bei, was dazu führte, dass er mein Hinterrad berührte und aus dem Rennen stürzte.»

Im Interview mit SPEEDWEEK.com spricht Domi Aegerter, der am Wochenende in Argentinien die Supersport-WM gewinnen kann, mit etwas Abstand über das hitzige MotoE-Finale von Misano.

Domi, in Misano sind die Wogen ziemlich hoch gegangen. Du hast über den vermeintlichen Weltcup-Sieg gejubelt. Aber die FIM-Stewards haben dich wegen «unverantwortlicher Fahrweise» bestraft. Du bist querstehend in diese Kurve 14 eingebogen und hast Torres gerammt. Würdest du alles noch einmal gleich machen, wenn du die letzte Runde noch einmal fahren könntest? Die Attacke war unnötig. Bei Platz 2 wäre Torres ohnedies Cup-Sieger gewesen. War dir das bewusst?

Ja, wenn ich in Misano das Rennen am Samstag gewonnen und mich der Granado nicht fast runtergefahren hätte, hätte die Situation am Sonntag sicher ganz anders ausgesehen.

Aber das Sonntag-Rennen hätte ich eigentlich genau gleich gemacht. Das Ziel war klar: Ich wollte die Meisterschaft oder zumindest das Rennen gewinnen. Und wenn ein Gegner vor mir gewesen wäre, hätte ich ihn in dieser drittletzten Kurve angegriffen. Besonders wenn ein Fahrer wie Torres innen so viel Platz offen lässt.

Aber dir ist beim Anbremsen das Hinterrad einen halben Meter ausgebrochen. Torres musste sein Bike aufrichten, sonst wärt ihr beide abgeflogen. Und den Titel hättest du ohnedies nicht gewonnen, wenn er im Sattel geblieben wäre.

Ja, das Problem war, dass ich durch den Zwischenfall am Samstag 8 Punkte Rückstand auf Torres hatte. Mein Ziel war eigentlich klar: ich kann nur versuchen, das Rennen zu gewinnen und darauf hoffen, dass ich Glücke habe und sich noch ein Fahrer zwischen ihn und mich schiebt. Wenn Torres Dritter oder Vierter geworden wäre, hätte es mir für den Titelgewinn gereicht.

Aber wir zwei sind viel zu schnell gewesen für alle anderen.

Deshalb wirkte dein Überholmanöver ja wie eine Verzweiflungstat. Es war ja in der Kurve 14 längst klar, dass Torres selbst bei einem gelungenen Überholversuch Zweiter und Cupsieger werden würde. Du musstest ihn abschießen, um die Meisterschaft zu gewinnen. Das haben die Stewards streng bestraft.

Torres hat sicher gewusst, dass ich ihn in der Kurve 14 ausbremsen will. Ich habe ihn ja dort auch vorher überholt, zum Beispiel in der zweitletzten Runde, ziemlich am Limit. Das wäre vielleicht nicht notwendig gewesen. Aber ich habe natürlich gehofft, dass die Verfolger dadurch etwas aufschließen.

Ich habe nie eine Sekunde daran gedacht, Torres abzuschießen.

Das ist beim Motorradfahren viel zu gefährlich. Das kann man gar nicht einschätzen.

Ich wollte das Rennen gewinnen. Das war das Einzige, was ich machen konnte.

Es war wohl auch nicht sinnvoll, dass du Torres in Kurve 14 mehrmals gezeigt hast, wo du ihn angreifen wirst. Innen war offenbar nicht genug Platz, sonst wäre es ja nicht zur Kollision gekommen. Torres musste das Bike aufrichten, sonst wären beide Fahrer gestürzt.

Ja, das ist eigentlich immer klar. Ich habe ihm gezeigt, auf der Bremse bin ich überall stärker. Das hat er gewusst. Er hätte in dieser letzten Runde viel mehr Kampflinie fahren müssen. Dann wäre es für mich viel schwieriger gewesen, dort reinzustechen.

Ich bin mit meinem Motorrad auf der Strecke geblieben. Klar, ich habe die Ideallinie verlassen. Aber es ist fast bei jedem Überholmanöver so, dass du nicht voll auf der Ideallinie bleiben kannst. Mit einem 300 kg schweren Bike ist es nicht ganz so einfach. Torres hat mich beim Einlenken gesehen und das sein Bike etwas aufgerichtet. Er hat dann aber zu früh wieder eingelenkt, um die Kurve zu machen. Dabei hat er mein Hinterrad berührt. So ist er zu Sturz gekommen.

Mein Überholmanöver ist eigentlich sehr sauber gewesen. Ich habe ihn nicht irgendwo auf der Seite berührt. Er hat mich kommen gesehen, hat aber sein Motorrad nicht genug aufgerichtet.
Klar, der Fehler ist einerseits bei mir passiert. Aber wenn dich einer überholt und dich weit drückt, ist sicher das Risiko vorhanden, dass der äußere Fahrer einfach umfällt.

Wenn du dich nicht bei ihm anlehnen hättest können, wärst du mit deinem Speed-Überschuss wohl neben die Strecke gefahren.

Nein, viel weniger. Denn durch die Berührung bin ich noch etwas weiter gegangen. Ohne Berührung wäre ich mitten auf der Strecke gewesen. Sogar trotz der Berührung bin ich auf der Strecke geblieben, ich war nicht neben den «track limits».

Dein Team hat Torres wörtlich vorgeworfen, dass er «beharrlich auf seiner Linie geblieben» ist. Das ist ja die Aufgabe eines Rennfahrers, besonders wenn es im Finale in der drittletzten Kurve um die Meisterschaft geht. Es liegt ja auf der Hand, dass er dich nicht freiwillig vorbei lässt.

Ja, das ist ganz klar. Ja, ja. Aber wie gesagt: Wenn es in der letzten Runde um die Meisterschaft geht, wird mit harten Bandagen gekämpft. In der MotoE sowieso, weil das alle die gleichen Motorräder haben. Und da wir nur fünf, sechs oder sieben Runden fahren können, geht es immer hart zu. Diese Elektro-Motorräder sind alle gleich schnell. Deshalb ist das Überholen schwierig.

Es gibt fast nur die Möglichkeit, auf der Bremse zu überholen. Dann musst du einen oder zwei Meter innen fahren und klarerweise später bremsen. Dass man dann die Kurve nicht zu 100 Prozent erwischt, ist klar. Deshalb hat auch Torres die Ideallinie etwas verlassen müssen. Damit hat er sicher gerechnet.

Er hat nachher geweint und gemeint, er hat den Fehler gemacht und das Rennen deshalb die Meisterschaft verloren.

Es ging aber in dieser Kurve 14 eigentlich nur um den Rennsieg, nicht mehr um die Meisterschaft.

Es ist schon im den Titel gegangen. Auch bei ihm.

Torres wollte halt mit einem Sieg Cupsieger werden. Das darf man ihm nicht verübeln.

Aber es war klar, dass ich in Kurve 14 noch einen Angriff probieren würde. Das hat er gewusst.

Es wäre schön gewesen, wenn er mich gewinnen hätte lassen. Dann wäre ich zwar über den zweiten Platz in der Meisterschaft enttäuscht gewesen...

Doch er ist gestürzt. Er hat es also selber versaut. Er wollte um den ersten Platz kämpfen, doch das hat er nicht geschafft.

Ergebnis Rennen, Misano, 19. September

1. Matteo Ferrari (I), 8 Runden in 12:11,858 min. 2. Mattia Casadei (I), 0,348 sec zur. 3. Miquel Pons (E), +1,038 sec. 4. Kevin Zannoni (I). 5. Eric Granado (BRA). 6. Hikari Okubo (JAP). 7. Fermin Aldeguer (E). 8. Xavi Cardelus (AND). 9. Andrea Mantovani (I). 10. Corentin Perolari (F). 11. Maria Herrera (E). 12. Dominique Aegerter (CH). 13. Jordi Torres (E). 14. Jasper Iwema (NL). 15. Lukas Tulovic (D).

MotoE-Endstand (nach 7 Rennen)

1. Torres, 100 Punkte. 2. Aegerter, 93. 3. Ferrari, 86. 4. Granado, 84. 5. Alessandro Zaccone (I), 80. 6. Casadei, 79. 7. Pons, 73. 8. Tulovic, 62. 9. Aldeguer, 51. 10. Hernandez, 47. 11. Okubo, 45. 12. Zannoni, 44. 13. Perolari, 31. 14. Mantovani, 29. 15. Herrera, 27. 16. Cardelus, 21. 17. Iwema, 13. 18. Andre Pires (P), 12. 19. Stefano Valtulini (I), 1.

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